
Die Saison von Alba Berlin ist seit ein paar Tagen vorbei, das Team hat sich in den Playoffs teuer, jedoch in der Endkonsequenz nicht erfolgreich verkauft. Nach der dritten Niederlage im vierten Spiel im Viertelfinale der Playoffs gegen den FC Bayern München Basketball ist die Saison für die Berliner Geschichte. Aber, wie sagt man so schön: Nach der Saison ist vor der Saison! Seit Mittwoch laufen die Vorbereitungen für die nächste Saison auf Hochtouren und die allererste und wichtigste strategische Frage ist die nach dem neuen -oder altem? – Head Coach. Thomas Päch, den wir vor zwei Jahren nahezu mit hellseherischen Fähigkeiten mit der Überschrift „Rochade an der Bande, mit Päch in die Zukunft“ eingehend vorgestellt hatten, hat in den Playoffs begeistert. Da kann man sich kontrovers fragen, ob er schon bereit ist, den Job des Headcoachs bei Alba Berlin zu übernehmen. Auch wir haben uns diese Frage gestellt …
Contra:
Zuerst umarmte ihn Jonathan Malu, dann packte ihn Bogdan Radosavljevic mit einem Lachen an der Schulter und schubste ihn zum bereits wartenden Carl English weiter: Die Freudenszenen gegenüber Thomas Päch nach dem gewonnenen zweiten Viertelfinale zeigten, dass hier mehr als nur eine normale Trainer-Spieler Beziehung bestand. Oder hätte sich jemand eine solch lockere Situation mit Sasa Obradovic vorstellen können?
Zunächst einmal muss Thomas Päch der allergrößte Respekt ausgesprochen werden. Innerhalb kürzester Zeit schaffte er es, einem tot geglaubten Alba-Team Leben einzuhauchen und gegen haushoch favorisierte Münchener eine ebenbürtige Playoff-Serie zu liefern. Das ist keine Selbstverständlichkeit, im Gegenteil, handelte es sich eigentlich um eine ziemlich undankbare Aufgabe. Aus dieser Situation holte der Interimscoach das Maximum raus. Päch und Alba standen mit dem Rücken zur Wand, hatten nichts zu verlieren und spielten dann groß auf.
Päch profitierte davon, eine besonders enge Verbindung zu den Spielern zu besitzen. Als Co-Trainer arbeitete er auch individuell viel mit ihnen, dürfte damit also im Verlaufe der Saison auch ein wichtiger Ansprechpartner gewesen sein. Entsprechend freundschaftlich und eingeschworen wirkte der Umgang untereinander, vielleicht haben auch die Spieler in Päch mehr als nur einen Vorgesetzten gesehen und entsprechend ließen sie sich packen. Als richtiger Headcoach würde diese Verbindung höchstwahrscheinlich nicht mehr funktionieren, zumal neu verpflichtete Spieler gar keinen Bezug zu Päch hätten. Er wäre dann der Chef, der auch mal harte Entscheidungen treffen muss. In einer Zeitspanne von sechs Spielen lässt sich das vielleicht regeln, aber über eine komplette Saison bedarf es manchmal auch Autorität. In dieser Situation befand sich Päch noch nicht. Würde er auch als Respektperson funktionieren? Wie sehen die eigenen Spielvorstellungen aus? Viele offene Fragen, auf dessen Antworten Alba nicht lange warten kann.
Denn der Druck wird für die kommende Saison noch größer werden. Alba hat nun zwei Jahre teilweise verschenkt, der Trend ging insgesamt nach unten. Eine Spielzeit wie die abgelaufene sollte sich der Verein nicht noch einmal erlauben, Management und Trainer müssen nun liefern. Will man Thomas Päch dieser Situation aussetzen? Sollte der 34-Jährige für die Zukunft Ambitionen als Headcoach hegen, käme der Schritt bei Alba wohl zu früh. Auch Henrik Rödl musste in seiner zweiten vollen Saison als Trainer von Alba Lehrgeld zahlen und damals wurden in Berlin noch die besten Spielergehälter der BBL bezahlt. Vielleicht sollte Päch, je nach dem wer der neue Chefcoach wird, zunächst einmal eine größere Rolle innerhalb des Trainerstabs zugesprochen werden. Alles weitere ergibt sich dann in der Zukunft.
Pro:
Vor einigen Jahren hat Alba Berlin den Claim „Mit Leib und Seele“ installiert, vor jeder Saison umschreibt Marco Baldi, die Strategie des Vereins sinngemäß so, dass man junge Spieler entwickeln will, die in Berlin den nächsten Entwicklungs- und Karriereschritt machen (sollen). Selten hat der Claim weniger Leben, selten wurde die Strategie weniger umgesetzt, als in der Saison 2016/17. Nein, die Ü30-Fraktion English, Atsür und Gaffney haben sich wie erwartet nicht mehr weiter entwickelt, Milosavljevic, Kikanovic und Robinson (alle 28) kann man auch nicht mehr als junge Spieler bezeichnen. Claim und Strategie sind nicht schlecht, an der Umsetzung haperte es gewaltig. Dafür braucht man einen Coach, der „mit Leib und Seele“ umsetzen und junge Spieler entwickeln kann. Ahmet Caki konnte es nicht, auch wenn er wohl nicht alle Spieler selbst verpflichtet hat und manche aus der Not heraus geboren waren. Kann es Päch besser? Das kann man erwarten. Die Playoffs waren mehr „Leib und Seele“ als die komplette Saison unter Caki zusammen. Dass er junge Spieler entwickeln kann, steht außer Frage, das hat er in Trier zusammen mit Henrik Rödl sowie in Albas eigenem Nachwuchsprogramm bereits eindrucksvoll bewiesen.
Alba Berlin fehlt es aktuell an einer Menge. An Geld, an Erfolg, aber in allererster Linie an einem klaren Profil. Wie will sich Alba positionieren? Gegenüber der Konkurrenz, gegenüber den Fans, in der Muddastadt. In jedem Fall braucht man für ein klares Profil des Vereins auch ein klares Profil beim Coach. Bei Obradovic wusste man, wofür er steht, bei Caki wurde es bis zum Ende nicht wirklich klar, Thomas Päch deutete auch an, was man von ihm erwarten kann. In jedem Fall weiß man es besser, als bei einem erneuten Versuch mit einem – vielleicht! – „hoffnungsvollen Trainertalent“ aus dem Ausland. Man bekommt mit Päch einen Berliner mit Loyalität, jemanden, der bei Alba Berlin groß geworden ist. Thomas Päch hat eine positive Ausstrahlung, die sich auf die Spieler überträgt und diese deutlich näher an die Leistungsgrenze bringt, als es sein Vorgänger vermochte. Dieses Gefühl springt auch auf die Zuschauerränge und Fans über. Es gibt unterschiedliche Gründe, zu einem Basketballspiel zu gehen. Manche wollen Erfolg, manche unterhalten werden, einige wegen technisch-taktischer Finesse, andere, weil sie einfach die Sportart mögen. Die allermeisten wollen bei einem Basketballspiel, ja im Prinzip bei einer Sportveranstaltung allgemein, emotional berührt werden. Der Funke vom Team auf die Ränge muss überspringen. Da kann eine mit erlittene Niederlage manchmal befriedigender sein, als ein blut- und emotionsarmer Sieg. Thomas Päch wäre zuzutrauen, eine derartige Grundstimmung wieder zu erzeugen.
Ein ganz pragmatischer Grund pro Päch liegt im finanziellen Bereich. Es gibt keine erkennbaren Anzeichen dafür, dass der Etat der Berliner in der kommenden Saison steigen wird. Zudem muss der vorfristig entlassene Caki noch weiter bezahlt oder abgefunden werden. Eine interne Lösung mit Thomas Päch dürfte preiswerter sein, als eine externe mit einem ausländischen Coach. Wenig Erfahrung auf BBL-Niveau spricht ein wenig gegen Päch und stellt ein Risiko dar, aber das Modell „Caki“ beweist, dass auch eine externe Lösung ein Risiko sein kann. Erfahrung könnte man Päch durch einen entsprechenden Co-Trainer zur Seite stellen. Zudem stellt sich ein wenig die Frage, welche reizvolle Perspektive man einem renommierten ausländischen Coach denn bieten könnte. Auch in der kommenden Saison wird Alba Berlin wohl nicht zu den heißesten Titelanwärtern gehören.
Die aktuelle Situation – ein neuer/alter Trainer wird gebraucht, viele Spielerverträge laufen aus – könnte man in Berlin vielleicht auch mal für einen echten Umbruch nutzen. Also nicht das alljährliche Ausbessern des Kaders mit Ersetzen, der Hälfte der Spieler, die sich entweder nicht bewährt haben oder nicht mehr zu bezahlen sind. Stattdessen mal ein wirklich neuer Zyklus, den Thomas Päch über vielleicht drei Jahre gestalten kann. Zweifellos ein Risiko, denn es ist nicht klar, ob bzw. wie viele Zuschauer das mitmachen, wie viele eher ergebnisorientiert sind. Ist einem ziemlich konservativen Verein wie Alba Berlin so viel Mut zuzutrauen? Vermutlich nicht. Vermutlich ebensowenig der Mut, den Versuch mit Päch zu wagen, die Vorstellung ist allerdings reizvoll.
Soft fact: Thomas Päch ist einfach ein sehr sympathischer Mensch, was freilich eine sehr individuelle, persönliche Meinung ist. Aber mancher geht auch zu einem Basketballspiel, weil er die Menschen mag, die dort auf dem Parkett und an der Seitenlinie arbeiten.
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