U20 Basketball-Länderspiel Deutschland-Türkei (51:48) – in Berlin, mit Berliner Beteiligung

Vorab

Am 16.06.2012 fand in der altehrwürdigen Carl-Schumann-Halle in Berlin-Lichterfelde das U20-Länderspiel Deutschland gegen die Türkei statt. Die Halle war voll, dass es voller nicht gegangen wäre, da hätte wirklich niemand mehr reingepasst, frühes Erscheinen sicherte (mir) gute Plätze. Schön, dass das Interesse an deutschem Nachwuchs-Basketball relativ groß ist, schade, dass die Veranstalter davon überrascht wurden und das Spiel nicht in eine größere Halle gelegt wurde, die es ja durchaus in Berlin, auch in Lichterfelde, gegeben hätte. So saßen die Zuschauer in 10er-Reihen auf dem blanken Parkett, aber Basketball-Fans sind hart im Nehmen. Unter den Zuschauern auch viele Jugendliche, vermutlich selbst Spieler in Berliner Vereinen, die mit Freikarten in die Halle kamen – sehr gute Entscheidung, denen das so anzubieten – und Spieler, Spielerinnen und Offizielle des Landesauswahlturniers der Jahrgänge 98/99. Außerdem so ziemlich jeder Berliner, der mal professionell einen Ball in der Hand hatte bzw. hat; Joey Ney, Mithat Demirel, Ademola Okulaja, Seb Machowski, Malte Ziegenhagen, Robert Kulawick, Joshiko Saibou uam. Also ein würdiger Rahmen für ein U20-Länderspiel, auch wenn die Halle etwas größer hätte sein dürfen.

Das Spiel – 51:48

Deutschland begann mit Ole Wendt, Mathis Mönninghoff, Kevin Bright, Leon Tolksdorf und Daniel Theis – eine Startaufstellung, die man bei einem EM-Spiel vermutlich so nicht sehen wird. Und eigentlich begann zunächst erst mal das türkische Team wie die Feuerwehr und die deutsche Defense „glänzte“ mit höflicher Zurückhaltung. Daniel Theis hatte auf der Center-Position einige Probleme mit dem wirklich großen und kräftigen türkischen Center Tekin (2,12 m). Nach dem 7:2 für die Türkei hatte Bundestrainer Menz erst mal genug gesehen und bat zur Auszeit. Nach der Auszeit kam dann Philipp Neumann aufs Feld – und der ändert das Spiel der Deutschen sehr deutlich. Zum Positiven wohlgemerkt. Präsenz in der Zone, Rebounds vorn wie hinten und für die Türken ging am Brett deutlich weniger als vorher. Neumann ist generell einer der interessanteren Spieler des Teams – mit viel Licht, aber auch einigem Schatten. Physisch auf einem anderen Niveau als alle anderen deutschen Spieler und auch auf europäischem Niveau gibt es nicht sehr viele auf diesem Level. Seine Wühler-Mentalität und der Wille, den Ball zu erorbern (Rebounds) und die Position zu halten sind wertvoll fürs Team. Auf der anderen Seite hat man immer mal das Gefühl, dass er das System nicht versteht. Es kann daran liegen, dass er erst vor kurzem zum Team gestoßen ist, es könnte aber auch daran liegen, dass er das System nicht versteht. Sein Foulmanagement ist nicht besonders smart, über 4/10 Freiwürfe sollte man auch den Mantel des Schweigens hüllen. Zudem hat er nach ein paar Minuten ziemlich gepumpt, er kommt eben direkt von den Playoffs zum Team. Eine Krux; eigentlich muss er viel spielen, um ins Team zu kommen, andererseits bräuchte er auch dringend etwas Regeneration. Zurück zum Spiel, dass mit Neumann auf jeden Fall besser läuft als ohne ihn. Gerade Daniel Theis profitiert davon, wenn Neumann auf der Fünf den Platz frei räumt und er auf der Vier seine Beweglichkeit und Schnelligkeit ausspielen kann. Mit Neumann und Theis gemeinsam glich Deutschland schnell das Spiel aus. In den letzten 4 Minuten des ersten Viertels reihte sich ein Fehlwurf an den anderen, auf beiden Seiten, dank eines Dreiers von Schröder ging es mit einer knappen 14-12 Führung in die Viertelpause. Dennis Schröder – ein weiterer Schlüsselspieler des deutschen Teams. Es gibt ja fast nichts Schlechtes, was dem Schröder noch nicht nachgesagt wurde: enfant terrible, Nikagbatse reloaded, freestyler, nicht teamfähig, Egozocker, kann sich nicht ein- und unterordnen usw. usf. Bei Nachwuchsspielen (NBBL) konnte man schon mal Ansätze beobachten, die das zum Teil vermuten ließen, aber, um es kurz zu machen, in diesem Spiel war davon nichts, aber auch gar nichts zu merken. Ihm fehlt es ein wenig an Grösse, aber dafür ist er sehr, sehr schnell und kann aus allen Distanzen sicher treffen. Gut integriert wirkte er auch, ego-gezockt hat er ebenfalls nicht.

Das zweite Viertel war dann hauptsächlich defenseorientiert, turnover- und freiwurflastig. Einer DER Knackpunkte des Spiels war sicher das 3. Foul von Tekin schon nach ca. 3,5 Minuten des zweiten Viertels. Der ging runter und kam erst spät in der zweiten Hälfte wieder. Calban, Senli und Dokuyan haben nicht dessen Klasse und während Tekin draussen saß erarbeitete Deutschland sich den Vorsprung (10 Punkte), von dem sie bis zum Ende zehrten. Ohne ihren Center-Star lief für die Türken recht wenig zusammen.

Im dritten Viertel wurde viel durch gewechselt, was dem Spiel nicht unbedingt gut tat. Offensiv gab es in den ersten vier Minuten nichts ausser vier Punkte von Theis (3er, FW), aber defensiv stand man gut gegen die Türken, die auch nicht mehr zustande kriegten. Ole Wendt mit gutem Aufbauspiel im dritten Viertel aber schlechten Würfen.

Im vierten Viertel beim 50-37 gut 6 Minuten vor Schluss sprach nicht mehr viel für das türkische Team, aber es sollte anders kommen. In gut 6 Minuten erzielte das deutsche Team sage und schreibe noch einen einzigen Punkt. Dass man so einbrechen könnte, war nicht zu erwarten und zeigt eben, dass doch noch einige Arbeit vor der Mannschaft liegt. Der Sieg war dann im Wesentlichen einer guten Defense sowie dem Fakt, dass die Türken auch jede Menge Chancen liegen ließen zu verdanken. Übers gesamte Spiel betrachtet, ging der knappe 51:48-Sieg aber in Ordnung. Wenn man etwas bemängeln möchte, dann, dass zu viel von außen geworfen wurde und der Ball zu selten ans Brett gebracht wurde, genauso viele Dreier wie Mittel- und Nahdistanzwürfe genommen wurden, obwohl mit 4/22 nur mäßig getroffen wurde.

Fazit

Das deutsche Team ist grundsätzlich gut aufgestellt. Ohne Wenn und Aber! Wahrscheinlich das stärkste U20-Team, das Deutschland seit vielen Jahren zu einer U20-Europameisterschaft schickt. Das stärkste seit dem 98-er U20-Team mit Nowitzki, Pesic, Willoughby, Roller, Bogojevic, Schultze, Garris, Kruel und Co. Was diese beiden Teams noch unterscheidet ist die Tiefe. Menz und Bauer haben / hatten auf jeder Position wirklich die Qual der Wahl und sehr gute Spieler müssen dieses Jahr zu Hause bleiben. Die starken 92er um Neumann, Theis, Heckmann, Kleber, Bright, Wendt usw. bekommen schon Druck von einem starken, nachdrängendem 93er Jahrgang um Bekteshi, Schröder, Tolksdorf und einigen, die dieses Mal noch nicht berücksichtigt wurden. Wenn nicht jetzt, wann dann? In Sachen Spielergrösse spielte man jahrelang ein level unter der europäischen Konkurrenz; mit sehr kleinen guards und einem ziemlich kleinen Frontcourt. Das hat sich grundlegend geändert. Mit Neumann, Theis, Kleber und Voigtmann ist man im europäischen Vergleich im Frontcourt konkurrenzfähig aufgestellt, auch die guards sind inzwischen größer und physisch stärker als früher. Und einige Spieler kriegen inzwischen schon (bescheidene) Einsatzzeiten auf BBL- (Theis, Neumann, Kleber, Bekteshi, [Edit: Schröder]) oder ProA-Niveau. In anderen (den erfolgreichen) europäischen Ländern ist das gang und gebe, bei Deutschland entwickelt es sich gerade erst so langsam, dass junge Spieler früh auf hohem Niveau Einsatzzeiten bekommen. Der Nachwuchs-Bereich entwickelt sich in die richtige Richtung, die landesweiten Nachwuchsligen JBBL und besonders NBBL haben da Einiges positiv bewirkt.

Die Coaches haben nun die schwere Wahl, noch jemanden aus dem Kader streichen zu müssen. Zu den elf eingesetzten Spielern gegen die Türkei kommen noch Maxi Kleber und Patrick Heckmann dazu, einer muss folglich noch raus. Es könnte Mario Blessing treffen, den kleinsten und körperlich schwächsten Pointguard. Mit Wendt, Schröder und Bekteshi stehen schon drei Pointguards im Team, die nicht schlechter als Blessing sind, teilweise auch shooting guard spielen können und zudem als 93er (Bekteshi, Schröder) eine Investition in die Zukunft sind.

Berliner Brille

Aus Berliner Sicht sind Sebastian Fülle (Alba Berlin) und Leon Tolksdorf (nächste Saison gemeinsam mit Niels Giffey und Enosch Wolf bei den UConn Huskies am College) zu betrachten. Beide sind in dem wirklich starken Team „nur“ Ergänzungsspieler und auch so zu bewerten. In dieser Rolle könnten sie es auch ins endgültige Team schaffen. Leon Tolksdorf kann als physisch starker Dreier auch in einer kleinen Aufstellung auf der Vier spielen, diese Variabilität könnte sein Plus sein. Im Spiel gegen die Türken hatte er relativ viel Spielzeit, aber Pech mit seinen Würfen, die sahen nicht so schlecht aus. Wenn Kleber ins Team zurück kehrt, wird seine Rolle natürlich kleiner werden. Wenn man im nächsten Jahr nicht komplett neu aufbauen will, empfiehlt es sich, auch ein paar 93er zur EM mitzunehmen, einer davon könnte – neben Bekteshi und SchröderTolksdorf sein.

Sebastian Fülle hat mit Mönninghoff und Heckmann gute Konkurrenz im Team. Nichtsdestotrotz könnte er es ins endgültige Team schaffen. Für ihn sprechen Wettkampfhärte und Führungsqualitäten, er musste bzw. durfte in der letzten Saison in der ProB schon viel Verantwortung im Seniorenbereich übernehmen, das ist ein anderes level als College-Basketball mit wenig Spielzeit gegen Gleichaltrige. Gegen die Türkei mit bissiger, aber nicht immer erfolgreicher Defense. Offensiv ist er nicht die erste oder zweite scoring option; den einen Wurf, den er genommen hat, hat er aber getroffen. Ganz ausschliessen, dass er doch noch gecuttet wird, kann man aber nicht. Mehr spricht aber dafür, dass es einen der vier Pointguards erwischt.

Johannes Voigtmann, ist kein Berliner, spielt nicht in Berlin, wurde aber von der Boulevard-Presse als Albas next best Superstar gehyped. Somit lohnt sich auch mal ein Blick auf diesen Spieler, auch wenn mir die Phantasie fehlt, was den aktuell an Berlin reizen könnte. Voigtmann hat einen Center-Körper, wie ihn nicht viele Gleichaltrige in Deutschland haben. Sind Größe und Physis Talente? Für Center bedingt schon, zumindest eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Karriere. Man merkt ihm aber doch recht stark an, dass er erst relativ spät (mit 14 Jahren) damit begonnen hat, Basketball zu spielen. Es fehlt teilweise an basics. Nichts, was man nicht noch aufholen könnte, aber gegenüber den anderen deutschen Big Man fällt er momentan qualitativ noch ab. Talent, ja, aber aktuell sicher nicht das größte deutsche Basketball-Talent. Aber gerade bei Centern kann sich in dem Alter noch eine Menge entwickeln.

5 Gedanken zu „U20 Basketball-Länderspiel Deutschland-Türkei (51:48) – in Berlin, mit Berliner Beteiligung“

  1. Schöner Bericht! Bei den BBL Einsatzzeiten wurde allerdings Schröder vergessen, der hat immerhin am meisten Minuten von allen gesehen.

  2. Danke. Auch für den Hinweis mit Schröder (ist jetzt editiert), war spät gestern ;-).
    Die Chancen auf BBL-Spielzeit werden sich für die UXX-Spieler in der nächsten Saison vermutlich vergrössern. Ein wenig müsste sich aber auch die Mentalität in der BBL ändern. In der BBL kriegen gerade junge deutsche Spieler von diesem oder jenem Schiedsrichter immer wieder „Erziehungspfiffe“. In Spanien z.B. ist die Einstellung gegenüber jungen Spielern grundsätzlich anders, die stehen gewissermassen unter „Welpenschutz“. Ich habe Ricky Rubio mal mit 16 in der ACB gesehen, da wurde er etwas hart (nicht wirklich schlimm) von einem Gegenspieler angegangen und sofort hat sich das halbe Team von Badalona auf den gegnerischen Delinquenten „gestürzt“. Dort werden junge Spieler einfach besser geschützt.

  3. Ein Großteil der Jungen und Mädchen waren übrigens Auswahlspieler Jahrgang 98 und 99 verschiedener Landesverbände (u.a. Berlin, Mitteldeutschland, Hamburg, Niedersachsen, Hessen, WBV, Süd-West, die am Ostpreußendamm und in der Spielhalle ein Turnier gespielt haben. Ich bin mir sicher, dass das Spiel auch deshalb in der Halle und nicht ganz wo anders war.
    Ich fand es zwar voll, aber noch nicht gedrängt.

  4. Die Polen nicht zu vergessen ;-).
    Das Cole Sport Center hätte von der Grösse her besser gepasst. Wirklich schlimm fand ich es auch nicht, Basketball-Fans kommen wohl ganz gut damit klar, mal 2 Stunden auf dem Boden zu sitzen. Im Zweifel ist meiner Meinung nach ein bisschen zu voll auch besser, als deutlich zu leer.

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