
In der vergangen Saison nur knapp am Abstieg vorbeigeschrammt, musste Ludwigsburg im Sommer auch noch den seit einer Weile angekündigten Ausstieg des langjährigen Namenssponsor EnBW verkraften. Unter dem neuen Namen „Neckar RIESEN Ludwigsburg“ geht man in die Zukunft, die nicht unbedingt erfolgsversprechender aussieht. Vor zehn Jahren in die erste Bundesliga aufgestiegen und nach dem zwischenzeitlichen Höhepunkt 2007 (Platz 3 im Pokal und Playoff-Halbfinale) entwickelte man sich in den vergangen Spielzeiten trotz neuer Spielstätte zu einer grauen Maus in der Liga. Der Schritt zum dauerhaften Playoff-Contender gelang auch mit der neuen Arena nicht. Stattdessen verpasste man in den vergangen fünf Spielzeiten immer die Postseason.
Der große Knall blieb im Sommer nicht aus. Beinahe das komplette Team wurde ausgetauscht. Auch unklare Verhältnisse beim Abgang des langjährigen Ludwigsburger Jerry Green sorgten für Aufsehen. Mit dem neuen Vereinsnamen und Logo wird versucht, ein Identifikationsmerkmal zu erstellen. Das man anstatt „Neckar“ auch gerne einen Sponsoren im Vereinsnamen hätte, ist kein Geheimnis. Ludwigsburg muss wohl weiterhin kleinere Brötchen backen und gleichzeitig halbwegs konkurrenzfähig bleiben, um nicht wieder im Abstiegskampf zu versinken. Ein schwieriger Spagat. Aus Berliner Sicht wird es interessant zu sehen wie die beiden ex-Albatrosse Lucca Staiger und Alan Ibrahimagic (als Assistant Coach) sich machen werden.
Kader (externer link)
Backcourt:
Kammron Taylor, Besnik Bekteshi
Joshua Jackson, Wayne Bernard
Lucca Staiger, Max Weber, Tim Koch
Frontcourt:
Ivan Elliot, David Weaver
John Turek, Nedim Hadzovic, Jonathan Maier
Headcoach:
Steven Key
Die erhoffte Identifikation die der neue Vereinsname mit sich bringen soll, ist wohl dringend nötig. Denn allzu viele Spieler aus dem letztjährigen Kader sind nicht übrig geblieben: acht Neuzugängen, stehen mehrere Abgänge gegenüber. Von den Leistungsträgern der letzten Spielzeit steht keiner mehr im Kader. Nach der schwachen letzten Saison, wird es einige Fans jedoch sicherlich nicht stören, wenn ein Neuanfang gesucht wird. Kammron Taylor (28) wird das Spiel als Point Guard lenken, dessen Stärke besonders seine Schnelligkeit sein dürfte. Eine Eigenschaft die gut in die BBL passt. Der 28-Jährige US-Amerikaner hat Erfahrung aus mehreren Europäischen Ligen (darunter auch Spanien,Frankreich und Türkei) und spielte zuletzt eine ordentliche Rolle in der NBA-Summerleague. Hinter Taylor soll auch Besnik Bekteshi (19) vermehrt zum Einsatz kommen. Dem U20-Nationalspieler mangelt es nicht an Selbstbewusstsein und er ist als Leistungsträger der verschiedenen Nachwuchs-Nationalmannschaften der letzten Jahre bekannt. Ihm wird wohl zugetraut den nächsten Schritt zu machen.
Auf den Flügelpositionen finden sich gleich mehrere Spieler, die sich in der Bundesliga schon auskennen. Wayne Bernard (31) wechselte vom Liga-Konkurrenten Gießen zu den Neckar Riesen. Ein grundsolider Shooting-Guard, von dem jedoch keine Wunderdinge erwartet werden sollten. Ganz anders sieht es jedoch bei Lucca Staiger (24)aus. Der Nationalspieler ging nach zweieinhalb erfolglosen Jahren bei Alba überraschend zu einem „kleineren“ Team. Staiger kann als Guard oder Small Forward eingesetzt werden und wird mit seinen Distanzwürfen, Freiräume für den Antritt von Taylor kreieren. Max Weber (27; ex-Göttingen) und Tim Koch (23; der jedoch zurzeit verletzt ausfällt) mögen spielerisch limitiert sein, erfüllen aber mit einer guten Arbeitsstellung wichtige Voraussetzungen für die Back-Up Rolle und für die Identifikation. Etwas unklar ist noch die Rolle von Joshua Jackson (26). Der Shooting Guard ist mit dem amerikanischen und maltesischen Pass ausgestattet und war die vorerst letzte Verpflichtung der Ludwigsburger. Der 26-Jährige spielte in seiner bisherigen Karriere nur in kleinen europäischen Ligen und konnte in den bisherigen Testspielen auch nicht groß auf sich aufmerksam machen. Es mag noch etwas früh sein für eine Einschätzung aber das riecht ein wenig nach Fehleinkauf.
Interessant liest sich der Frontcourt der Ludwigsburger. Ivan Elliot (25) kommt vom Überraschungsteam des Vorjahres Würzburg und geht in seine dritte Bundesliga-Saison. Der Powerforward kann die Verteidigung mit seinem Distanzwurf ebenfalls auseinanderziehen. Wer sich außerdem unter John Patrick bewiesen hat, dürfte zudem auch willensstark sein und sich nicht zu schade sein, auch die Drecksarbeit zu erledigen. Positiv aufgenommen wurde auch die Verpflichtung von John Turek (29). Der ex-Hagener schrammte bei seiner letzten Station in Polen nur knapp an der Meisterschaft vorbei und war in seinem Team einer der Leistungsträger. Turek wird wohl viel Einsatzzeit erhalten, denn die Frontcourt Positionen werden nur noch durch David Weaver (24), Nedim Hadzovic (21) und Jonathan Maier (19) abgerundet. Ersterer kommt ebenfalls aus Polen nach Ludwigsburg und hat sich schon auf Eurocup-Niveau bewiesen. Hadzovic wird mit seinen 21 Jahren wohl noch Lehrgeld zahlen müssen aber mangels Alternativen auf der Forward und Center Position seine Chance kriegen. Für Maier gilt ähnliches.
Entwicklungspotenzial und Durchschnitt sieht man bei den Spielern mit deutschem Pass in Ludwigsburg. Theoretisch ist das keine schlechte Mischung und gegenüber der direkten Konkurrenz ist man nicht allzu schlecht aufgestellt, auch wenn die Abgänge von David McCray und Johannes Lischka ein wenig schmerzen dürften. Ganz genau dürfte natürlich Lucca Staiger (24) (Unsere Gedanken zu Lucca) beobachtet werden. Bei Alba konnte er sich unter drei verschiedenen Trainern nicht durchsetzen, nun wird es Zeit für einen restart. Staiger wird massig Spielzeit und Verantwortung erhalten und auch seine defensive Schwäche wird weniger ins Gewicht fallen, solange er punktet. In den ersten beiden Testspielen mit seinem neuen Team, lesen sich seine Statistiken schon einmal gut. Vielleicht gelingt dem gebürtigen Schwaben ja in diesem Jahr der Durchbruch, dann wäre seine Verpflichtung für Ludwigsburg ein richtiger steal. Auch von Besnik Bekteshi (19) wird wohl der nächste Schritt erwartet, einige Minuten Spielzeit hinter Taylor dürften möglich sein, in denen Bekteshi seine Defense zeigen kann. Defense und Einsatz dürfte auch das Stichwort für Tim Koch (23) und Max Weber (27) werden. Beide sind in ihren Möglichkeiten wohl etwas limitierter, was sie jedoch nicht daran hindern sollte, mit Hustle ihre Minuten zu erspielen. Für Nedim Hadzovic (21)dürften auch einige Minuten abfallen, schließlich sind die Ludwigsburger im Frontcourt nicht allzu tief besetzt. Nachwuchs-Nationalspieler Jonathan Maier (19) gilt als großes Talent und sollte langsam an den Profi-Bereich heran geführt werden.
Trotz aller Probleme hat Ludwigsburg einen anständigen Kader auf die Beine gestellt. Kammron Taylor könnte positiv überraschen, wenn Staiger auch einschlägt ist der Backcourt mit den soliden Ergänzungen durchweg in Ordnung. Auch der Frontcourt liest sich nicht schlecht, wirkt jedoch dünn besetzt. Sollten Turek oder Weaver ausfallen, wird es sehr eng. Insbesondere weil dann auch entsprechende Zentimeter fehlen. Ludwigsburg spielt in den ersten zehn Begegnungen insgesamt sechs Mal auswärts. Zudem hat man bei den ersten Heimspielen u.A. mit Alba, Bamberg und Oldenburg schwere Brocken zu Gast. Ein Fehlstart könnte die angespannte Lage nach dem komplizierten Sommer schnell verschärfen. Steven Key konnte, anders als im letzten Jahr, den Kader nach seinen Vorstellungen aufbauen, viel Spielraum für Ausreden bleiben jetzt nicht.
Prognose: Bleibt man halbwegs frei von Verletzungen und verpatzt den Saisonstart nicht komplett, wird Ludwigsburg die Saison im Niemandsland der Tabelle verbringen. Hat man dagegen Pech, befindet sich Ludwigsburg von Spieltag 1 an im Abstiegskampf.
Schöner Artikel, kleine Korrektur: Max Weber hat in der Vorbereitung fast durchweg als Power Forward gespielt und dort sowohl im Scoring als auch beim Rebound überzeugt. Dadurch ist der Frontcourt nicht ganz so dünn wie beschrieben, auch wenn ein weiterer Großer statt Jackson durchaus Sinn gemacht hätte.
Danke fürs Feedback! Über die Testspiele hatte ich leider nur wenig Details und da ja auch von Göttinger Seite Skepsis bezüglich Webeser Fähigkeiten als Power Forward herrschte, war ich davon ausgegangen, dass er nur als Flügelspieler zum Einsatz kommt.