
Die brose baskets, das Basketballteam aus der nord-bayrischen Kleinstadt Bamberg, haben in den letzten Jahren wenig falsch gemacht, sehr wenig! Zumindest, wenn man es auf die nationale Ebene beschränkt. Drei nationale Meisterschaften in den letzten drei Jahren sprechen eine klare Sprache. Manche sprechen von Dominanz. Das kann man für die letzte Saison gelten lassen, für die beiden Meisterschaftsjahre davor nur bedingt. Dafür waren die Meisterschaften gegen Frankfurt und Berlin mit spannenden 5-Spiele-Serien doch zu knapp und ausgeglichen. In der letzten Saison wurde dann aber geerntet, was sich über die Jahre aufgebaut hat: eine deutliche Dominanz der BBL-Hauptrunde und souveräne Playoffs mit der Krönung der Meisterschaft. Es war das Ergebnis einer Entwicklung, das Ergebnis eines Teamaufbaus über mehrere Jahre, in denen man das jeweils erfolgreiche Team zur neuen Saison nur leicht verändert, tendenziell verstärkt hat. Solch eine Konstanz muss man sich leisten können. Möglich machte das auch die sehr großzügige finanzielle Unterstützung des Mäzens Stoschek, einem Unternehmer aus der Automobil-Zulieferbranche, der in kürzester Zeit die brose baskets von einem finanziell und sportlich gesehenen Mittelfeldteam zum Spitzenreiter auf beiden Gebieten machte. Diese finanziellen Möglichkeiten führten dazu, Spieler mit Gehaltsaufstockungen über mehrere Jahre zu binden und Hochkaräter wie Tucker u.a. zu verpflichten.
Weder in Berlin noch in Bamberg braucht irgend ein Fan eine Marketing-Kampagne, die ihm erklärt, daß man „die einfach nicht mag“. Dieses Gefühl hat sich über viele Jahre aufgebaut und wird von beiden Seiten gut gepflegt. Das reicht von Rivalität über heimliche Anerkennung bis zu echter Abneigung. Alba Berlin und brose baskets sind die Antipoden des deutschen Basketballs. Bodenständigkeit vs. Weltstadtflair, fränktische Weltsicht vs. Multikulti, nationaler Erfolg vs. internationaler Erfolg. Spiele zwischen Berlin und Bamberg sind nie nur normale Spiele.
Nach den drei erfolgreichen Jahren lief es in der letzten Off-Season alles andere als rund. Nach Jahren der Konstanz musste man deutlich mehr Spieler austauschen, als man wollte. Spieler, die man gern gehalten hätte, haben sich für besser dotierte Angebote entschieden, Spieler, die man neu verpflichten wollte, kamen nicht und die, die man dann letztlich verpflichtet hat, hielten zum Teil nicht das, was man sich von ihnen versprochen hat oder kamen verletzt zum Team. Der vermeintliche Guru-Scout Rooney hat sich mit Gipson, Ford, Ogilvy und Williams ganz fürchterlich selbst entzaubert. Zum Saisonbeginn war da viel Sand im Getriebe, die Mannschaft hatte erkennbare Probleme, als Team zusammen zu finden. Individuelle Qualität sorgte trotzdem auf BBL-Niveau weitgehend für Siege. Die Konkurrenz hat aber erkennbar aufgeholt.
Backcourt:
John Goldsberry, Sergerio Gipson, Daniel Schmidt,
Anton Gavel, Karsten Tadda,
Bostjan Nachbar, Casey Jacobsen,
Frontcourt:
Sharrod Ford, Johannes Richter,
AJ Ogilvy, Mike Zirbes, Philipp Neumann,
Headcoach:
Chris Fleming
Im Backcourt musste Coach Fleming die Abgänge der renommierten Brian Roberts und AJ Tucker verkraften; Julius Jenkins wollte man nicht behalten. Während Tucker mit dem slovenischen Nationalspieler Bostjan Nachbar (32) gleichwertig oder besser ersetzt werden konnte, ist der Tausch von Brian Roberts gegen Sergerio Gipson (32) ein dramatisches downgrade. „Teddy“ Gipson verfügt über viele offensive Möglichkeiten und kann gut und gerne mal 20 Punkte pro Spiel auflegen – in kleineren Teams, wo er (einer) der leader sein kann! In Bamberg, wo teamplay im Vordergrund steht, kommen seine Fähigkeiten nur schlecht zum tragen. Mit Bostjan Nachbar ist den brose baskets eine der hochkarätigsten und renommiertesten Verpflichtungen der BBL gelungen. Der slovenische Nationalspieler bringt die Erfahrung von 15 Jahren Profi-Basketball mit, davon 6 Jahre und über 300 Spiele in der NBA sowie bei diversen europäischen Topteams. Als Spieler für die Positionen drei und vier stellt er viele seiner Gegenspieler vor große Probleme. Durch seine Größe kann er am Perimeter über die meisten small forwards einfach drüber werfen, durch seine Schnelligkeit kann er an den meisten power forwards vorbei ziehen. Das einzige Fragezeichen ist, inwieweit er über 70 Spiele pro Saison physisch durchsteht. Für Konstanz im back court sorgen die Verbliebenen Anton Gavel (28), John Goldsberry (30), Casey Jacobsen (31) und Karsten Tadda (24). Der slovakische Nationalspieler Anton Gavel ist so etwas wie das Herz des Teams, überzeugt durch Kampfgeist, Willen und crunchtime Fähigkeiten. Im Januar 2013 soll aus dem Slovaken ein Deutscher gemacht werden. Wenn Gavel das Herz ist, dann ist Goldsberry das Hirn des Teams. Coach Fleming hat ihn schon aus Quakenbrück mitgebracht und der klassische Aufbauspieler geniesst das volle Vertrauen des Trainers. Eine Saison musste er verletzungsbedingt komplett aussetzen und versucht nun wieder an seine vorige Form anzuknüpfen. Er ist ein bissiger Verteidiger, der die Grenzen des Erlaubten auslotet und öfter mal darüber hinaus geht. Casey Jacobsen ist ein wenig in die Jahre gekommen, flitzt nicht mehr ganz so schnell wie früher in die Ecken, ist mit seiner Erfahrung aber immer noch wichtig für das Team. Wenn es wichtig wird, kann er immer mal einen Dreier einstreuen. Karsten Tadda hat sich als Eigengewächs über die Jahre seinen Platz in der Rotation erspielt. Der Schwerpunkt liegt bei ihm klar auf der Defense, ein perfekter Rollenspieler. Der junge Point guard Daniel Schmidt (22) soll langsam an das Team heran geführt werden.
Im Frontcourt blieb kein Stein auf dem anderen, wenn man mal von Nachwuchsspieler Philipp Neumann (20) absieht. Der frontcourt ist nahezu komplett neu – und wirkt nicht ganz so stark wie der in den vergangenen Jahren. AJ Ogilvy (24) als starting center verpflichtet, ist für einen Center noch relativ jung. Er ist beweglich, hat für einen center ein gutes ball handling und bis zur Mitteldistanz einen sicheren Wurf. Davon zeigen konnte er bisher fast noch nichts, da er die ersten Monate verletzt war. Der als Verletzugsersatz verpflichtete Latavious Williams (23) konnte die Erwartungen weitgehend nicht erfüllen und wurde folgerichtig nach zwei Monaten wieder entlassen. Eine kostspielige, aber auch mutige Verpflichtung war die des aktuell größten deutschen Center-Talents Mike Zirbes (22). Es war fraglich, ob Zirbes nach Trier auf einem höheren level an die Trierer Leistungen anknüpfen könne, aber diese Zweifel hat er von Anfang an ausräumen können. Dem Ex-Alba-Spieler Sharrod Ford (30) merkt man noch relativ deutlich an, daß er ein ganzes Jahr fast keinen Basketball gespielt hat. Dass er eine Menge kann, hat er bei Alba und in der italienischen Liga zur Genüge nachgewiesen. Wenn er zu seiner Form findet, kann er eine große Hilfe für das Team sein. Eine positive Überraschung ist der erst 20-jährige Philipp Neumann, der mit viel Einsatz und Willen und ohne jede Angst dahin geht, wo es weh tut. Für den gerade erst 19 Jahre alt gewordenen Johannes Richter dürfte es in der Saison 2012/13 noch nicht für mehr als garbage time reichen.
Auch im Bezug auf deutsche Spieler für die Rotation sind die brose baskets gut aufgestellt. Mit Tadda, Zirbes und Neumann hat man drei Spieler die vollwertige Mitglieder der Rotation sind. Sollte der Slovake Gavel im Januar zum Deutschen werden – was wahrscheinlich ist – sind es derer vier. Damit kommt man – zumindest in der BBL – gut klar. Allerdings sind die drei erstgenannten doch recht jung (24, 22, 20), was sich in der Euroleague-Hauptrunde bemerkbar machte. Wesentlich besser als die brose baskets ist aktuell kaum ein Team in der BBL aufgestellt. Bamberg hat bei der Verpflichtung junger deutscher Talente wie Pleiss und Zirbes viel Mut bewiesen und wurde dafür bisher belohnt.
Auch um die Zukunft braucht man sich an der Regnitz keine Sorgen zu machen, auch in den jüngeren Jahrgängen kommen jede Menge Talente nach. Die brose baskets sind amtierender NBBL-Meister und mit Johannes Richter gehört schon ein Spieler dieses Teams zum aktuellen erweiterten Profi-Kader. Ein Grund, warum man so gut dasteht, ist, daß nahezu alle nord-bayrischen Talente unter dem Dach von „franken first“ zusammen gezogen werden. Das ist gut für die brose baskets, da es denen einen großen Talent-Pool sichert, aber es ist nicht unbedingt gut für den deutschen Nachwuchs-Basketball, da dadurch einige Talente hinten runter fallen. Über die Rekrutierung 15jähriger osteuropäischer Kinder könnte man sehr, sehr kontrovers diskutieren …
Nach wie vor sind die brose baskets das Team, was man nennt, wenn nach den Favoriten für den Titel gefragt wird. Daran ändern auch die Startschwierigkeiten und die ziemlich schlechte (wenn auch erfolgreiche) Euroleague-Hauptrunde nichts. Es ist auch nicht auszuschließen, daß die brose baskets angesichts der Euroleague-Top16-Qualifikation noch nachverpflichten und Fehlgriffe der pre season wieder ausbügeln und somit noch stärker werden.
Prognose: Die brose baskets spielen auch in der Saison 2012/13 wieder um die Meisterschaft, aber die Luft an der Spitze wird dünner. Eine erneute Meisterschaft wäre keine Überraschung, wenn sie es – auch wegen der extremen Euroleague-Doppelbelastung – nicht schaffen, aber auch nicht.
fränktische Weltsicht vs. Multikulti???
Das ist schon richtig heftig unglücklich.
Es ist zwar verkürzt, kann aber eigentlich nicht mißverstanden werden. Gemeint ist die doch recht unterschiedliche Lebenseinstellung zwischen bayrischer Kleinstadt und Weltstadt. Das hat mit unterschiedlicher Verbundenheit und in diesem Fall auch Vereinstreue zu tun. Es hat auch mit unterschiedlichen Wertemodellen zu tun. Eine kleine triviale Anekdote: Beim NBBL/JBBL-Top4 in Bamberg haben wir versucht, um 21:30 Uhr noch irgendwo etwas zu essen zu bekommen. Die nahezu einhellige Reaktion war sinngemäß: „Bei uns in Franken wird um 19:00 Uhr zu abend gegessen (bloß ein fränkisches Wort was ich mir nicht gemerkt habe)“. Mit viel Mühe haben wir dann noch in einem Balkan-Restaurant etwas bekommen. Eine Woche später bei der U17-WM in Hamburg wollten wir um 00:30 Uhr etwas essen und auf die Frage, ob wir etwas zu essen bekommen, hat uns der Wirt ganz komisch angesehen und gefragt: „Warum denn nicht? Oder ist Krieg ausgebrochen?“. Ja, das ist trivial, aber zeigt doch Unterschiede auf.
„Multikulti“ steht symbolisch für Großstadt. Denn Multikulti entwickelt sich nun mal in Großstädten um Welten besser als in ländlichen Gegenden. Wobei es nicht ausschließt, dass es das dort in Einzelfällen auch gibt. In Berlin redet irgendwie fast niemand über Multikulti, weil es ein im Prinzip gar nicht mehr wahrgenommener Teil des Lebens ist.
„Richtig heftig unglücklich“ finde ich das übrigens nicht, man muss sich schon richtig Mühe geben, um das mißverstehen zu wollen.