Sommer Spezial: Gesprächsserie mit ALBA Berlins Sportdirektor Himar Ojeda, Teil 2

Zum Ende der Offseason und zu Beginn der heißen Phase der Vorbereitung auf die neue Saison, haben wir uns einer guten Tradition folgend mit ALBA Berlins Sportdirektor Himar Ojeda (45) getroffen. Der Spanier, der auf eine langjährige Karriere als Coach, Sportdirektor, Spieleragent und Direkt für internationales Scouting des NBA-Teams Atlanta Hawks zurückblicken kann, lenkt seit Mitte 2016 die Geschicke des Berliner Basketballvereins entscheidend mit und kann kompetent Auskunft zu vielen Fragen geben, gerade auch über das aktuelle Tagesgeschäft hinaus. Deshalb war es wieder ein Vergnügen, lange mit ihm über ALBA Berlin in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, nationale und internationale Tendenzen im Basketball oder auch das konzeptionell wichtige Thema der Entwicklung von Nachwuchsspielern zu diskutieren.

Im ersten Teil ging es um Persönliches und die Verpflichtungen des Sommers , im zweiten Teil ziehen wir den Rahmen etwas weiter und befassen uns mit Tendenzen in der BBL und Europa und Albas Reaktionen darauf sowie dem leidigen Thema der Fenster für die Nationalmannschaften.

Können wir einen leicht veränderten Spielstil im kommenden Jahr erwarten? Vielleicht etwas weniger shooting, dafür variable, ‚polyvalente‘ Spieler, die auch mal für sich selbst kreieren können?

Ich denke, die Basics werden gleich bleiben. Wir haben einen Kern behalten, das war unser Ziel. Wir müssen uns aber auch an die vorhandenen Spieler anpassen. Letztes Jahr hatten wir eine Mannschaft, in der fast jeder Spieler gut werfen konnte, das haben wir gut eingesetzt. Wir haben in dieser Hinsicht aber auch Spieler gut weiter entwickelt, Luke [Sikma] hat z.B. noch nie seinen Distanzwurf so eingesetzt, wie im letzten Jahr. Daran arbeiten wir viel. Das Team in diesem Jahr wird sicherlich andere Charakteristiken haben. Werfen können die neuen Spieler zwar auch, sie bringen aber auch andere Stärken mit. Wir können sie auf verschiedene Positionen einsetzen, wir können verschiedene Kombinationen bilden. Es wird also ein paar Änderungen geben. Die grundsätzliche Spielidee bleibt aber gleich, wir wollen weiterhin mit Rhythmus spielen, attackieren, offensiv spielen und in der Defensive aktiv bleiben.

Numerisch unverändert ist die Rotation auf den großen Positionen geblieben. Das hat in der Vergangenheit bei Verletzungen zu Problemen geführt. Gab es Überlegungen hier gegenzusteuern? Vielleicht einen weiteren großen Spieler zu holen?

Mit Luke [Sikma] und Tim [Schneider] hatten wir ja zwei Spieler unter Vertrag, mit dieser Position sind wir sehr zufrieden. Über die Entwicklung von Dennis Clifford sind wir auch glücklich und wir freuen uns sehr, dass er bleibt und wir ihn weiterentwickeln können. Wir haben nach dem bestmöglichen Ersatz für Bogdan Radosavljevic gesucht. [Johannes] Thiemann ist vielleicht ein paar Zentimeter kleiner, dafür kann er sowohl neben Tim, Luke oder sogar Dennis auf dem Spielfeld stehen. Das gibt uns mehr Möglichkeiten. Es stimmt, dass unsere Rotation weiterhin knapp ist. Die Frage war also, ob wir noch einen weiteren großen Spieler holen. Wir haben das in Betracht gezogen. Dafür hätten wir aber auch ein Stück weit unsere Philosophie opfern müssen. Letztendlich haben wir aber keinen gefunden, von dem wir so überzeugt gewesen wären, das auch zu tun. Wir hätten dafür einen Platz für unsere Nachwuchsspieler abgeben müssen und mit Kreso Nikic haben wir ja noch einen Spieler, der unter die Ausländer-Regelung fällt. Wir glauben an ihn und investieren viel in ihn, wir glauben, dass er in der Zukunft ein sehr guter Spieler wird. Lorenz Brenneke und Hendrik Drescher sollen auch ihre Chance bekommen, deswegen haben wir uns gegen einen zusätzlichen großen Spieler entschieden. Auch wenn sie uns nicht vielleicht sofort dabei helfen, Spiele zu gewinnen, müssen wir an unsere Ideen und unser Konzept denken. Wir werden nicht wie andere Vereine 12 oder 13 Vollprofis im Kader haben. Natürlich wollen wir gewinnen, gleichzeitig sollen aber auch weiterhin die jungen Spieler entwickelt werden. Das ist natürlich auch ein Risiko, aber das nehmen wir aber in Kauf.

Rokas Giedraitis ist recht groß und bringt sicherlich auch ein paar Kilo auf die Waage. Könnte er vielleicht als Power Forward aushelfen, so dass Niels Giffey auf der Small Forward Position bleibt?

Das müssen wir ausprobieren. Um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass es eine Position ist, die Rokas übernehmen kann. Vielleicht mal im Notfall, so wie Marius im letzten Jahr. Aber dauerhaft sehe ich das nicht als seine Position, da sehe ich Niels eher weiter in der Rolle. Ein wichtiger Plan für die Saison-Vorbereitung ist es, Niels dauerhaft auf der Small Forward Position spielen zu lassen, weil er sich hier verbessern soll. Deswegen ist die Verletzung von Tim auch problematisch. Es ist nicht so, dass wir Niels auf der „4“ opfern, er spielt ja auch dort, weil er einen guten Job macht. Uns würde es aber sehr gefallen ihn dauerhaft auf der „3“ zu sehen, weil es uns auch die Möglichkeit gibt, mit größeren Aufstellungen zu spielen. Deswegen versuchen wir die Verletzung von Tim mit Jugendspielern aufzufangen, damit Niels in der Vorbereitung komplett als Small Forward spielen kann. Das andere Problem ist aber das anstehende Nationalmannschafts-Fenster, das mit ca. 18 Tagen länger ausfällt als üblich. Niels wird dadurch einen großen Teil der Vorbereitung verpassen.

Insgesamt werden sechs Spieler einen Teil der Vorbereitung verpassen, weil sie bei der Nationalmannschaft sein werden. Wie stark wirkt sich das auf euer Vorbereitungsprogramm aus?

Das ist für uns eine schwierige Situation, aber auch für die Nationalmannschaften. Es kann nicht sein, dass man sich in eine Position bringt, die der jeweils anderen Seite schadet. Es gibt eigentlich genug Platz und Zeit für die Vereine und Nationalmannschaften. Natürlich sind wir stolz auf unsere Nationalspieler, wir ermutigen ja auch unsere Nachwuchsspieler, bei der Nationalmannschaft dabei zu sein- solange es keine Reibungen mit sich bringt. Man muss verstehen, dass die Spieler sich bei uns entwickeln, sie werden besser. Das ist kein Zufall. Joshi [Joshiko Saibou] ist bei uns zum Nationalspieler geworden. Natürlich wird auch bei der Nationalmannschaft gut gearbeitet, die Spieler sind aber meistens nur eine Woche dort. Wir versuchen das dem Verband klar zu machen. Diejenigen, die schon letztes Jahr hier waren, machen größtenteils auch die Vorbereitung mit. Die neuen Spieler hingegen, die den Coach oder seine Arbeit noch nicht so gut kennen, fehlen. Wer profitiert also am Ende von der Saisonvorbereitung? Spieler wie Luke Sikma oder Peyton Siva, die schon Erfahrung aus dem Vorjahr mit sich bringen. Das ist ein Nachteil für die neuen Spieler. Da müssen wir eine Lösung finden. Nicht auf unserer Ebene, das muss natürlich weiter oben entschieden werden. Das ist wirklich ein großes Problem und bereitet uns viele Sorgen.

In der BBL geht – mit Ausnahme der Bayern – die Tendenz dazu, den Frontcourt auszudünnen. Viele Teams haben mittlerweile nur noch einen echten Center. Hältst du das für einen Trend im europäischen Basketball? Oder ist es doch eher eine BBL-typische Entwicklung?

Ein bisschen von beidem. Die BBL ist eine „kleinere“ Liga als z.B. die ACB. Dort hat ein Robin Benzing als Small Forward gespielt, in Deutschland dann eher als Power Forward. Luke hat nie als Center in der ACB gespielt, hier hin und wieder schon. Es ist also eher eine BBL-typische Entwicklung. In Europa gab es diesen Trend zu mehr vielseitigen Spielern auch. Wenn du einen Power Forward hast, der sehr groß, aber gleichzeitig auch sehr mobil ist, so wie sie es in der NBA oft gibt, würden wir vermutlich auch so spielen lassen. Es ist aber schwer solche Spieler zu entwickeln, es ist einfacher das Spiel auf die Guards zu verlagern. Am Ende geht es eher um die Spielidee, wie man das Spielfeld nutzt. Eine Sache die ich an Aito sehr schätze ist, dass er wirklich weiß wie er die großen Spieler einzusetzen hat. Wenn du groß bist, ist das nun mal ein Vorteil in dieser Sportart. Dabei geht es nicht nur um die Center. Ein Stefan Peno geht in den Post, weil er groß ist und dadurch einen Vorteil hat. Wenn alle außerhalb der Dreierlinie stehen, fehlt am Ende auch der Platz. Wir müssen also den Weg finden, auch die Inside-Positionen wieder richtig zu besetzen. Aber natürlich ist es nicht mehr wie früher, als zwei große Spieler am Brett standen.

Bei den Bayern liegt der Fall etwas anders. Die spielen in der Euroleague und da braucht man große Spieler. Schon allein deshalb, weil die Konkurrenten sie auch haben.

Aito hat es in der Vergangenheit geliebt mit zwei „7-Footern“ [Anm.: 2,13 m und größer] gleichzeitig zu spielen…

Für mich ist er der beste Trainer, wenn es darum geht, große Spieler zu entwickeln und sie richtig ins Spiel einzubinden. Nehmen wir als Beispiel die Situation nach einem switch in der Verteidigung. Die meisten werden versuchen mit dem Guard Eins gegen Eins gegen den größeren Spieler zu gehen. Aito sieht das anders, er will dann lieber den Ball am Brett sehen, weil ein großer Spieler gegen einen Guard aufposten kann. Natürlich müssen dann auch die Schiedsrichter ein Stück weit mitspielen, weil beim kleineren Spieler im Kampf um die Position viel mehr durchgelassen wird. Aber Aito ist bei der Entwicklung und Einbindung der Spieler sehr gut, Spieler wie Porzingis oder Gasol haben nicht ohne Grund bei ihm gelernt.

Ist die Verpflichtung von Johannes Thiemann eine Reaktion auf den Trend, variabler spielen zu wollen?

Nicht wirklich. Wir betrachten ihn als den bestmöglichen Spieler, den wir bekommen konnten. Wir hätten auch größere oder kleinere Alternativen gehabt, aber wir wollten die bestmögliche Option für diese Position und die sehen wir in Thiemann. Seine Eigenschaften, sein Alter, sein Ehrgeiz, sein Potential waren für uns die ausschlaggebenden Punkte. Wir werden uns an seinen Stil anpassen. Natürlich würden wir auch einen größeren Spieler verpflichten, aber der muss erstmal auch die Qualitäten von Thiemann haben.

Wie schwer war es ihn nach Berlin zu holen? Eigentlich wurde er ja schon nach Bamberg geschrieben…

Es war schwierig, denn natürlich waren auch andere deutsche Topclubs wie München und Bamberg an ihm interessiert. Es war also nicht leicht. Es freut mich aber sehr, dass er trotz der vielen Möglichkeiten sich für die Option entschieden hat, die ihm Raum gibt sich zu entwickeln und zu verbessern. Die anderen Vereine werden das sicherlich anders betrachten, aber in meinen Augen hat er eine kluge Entscheidung getroffen, wenn man die Vor- und Nachteile alle abwägt.

2 Gedanken zu „Sommer Spezial: Gesprächsserie mit ALBA Berlins Sportdirektor Himar Ojeda, Teil 2“

    1. Sorry, jetzt erst gesehen. Aber trotzdem gerne noch besser spät als nie die Erklärung. In den eckigen Klammern befinden sich eigene Ergänzungen des Autors beim Transkribieren, die Himar Ojeda wörtlich so nicht gesagt hat. Wenn er von Luke und Tim spricht, ist für den die hard Alba Fan natürlich klar, wer gemeint ist, für jemanden, der sich nur beiläufig für Alba Berlin interessiert, jedoch vielleicht nicht. Deshalb dann die Ergänzungen Luke [Sikma] bzw. Tim [Schneider] usw.

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