Schmerzhafter Sieg beim Klassiker

Alba Berlin besiegt vor 12.000 Zuschauern die Telekom Baskets Bonn mit 90-78 (44-78) dank guter Defense in der zweiten Halbzeit.

Nachdem Alba Berlin im 50. Pflichtspiel der Saison (das Spiel gegen die San Antonio Spurs als Freundschaftsspiel interpretiert) gegen Roter Stern Belgrad den 34. Sieg der Saison eingefahren hatte, stand nur 44 Stunden später bereits die nächste Herausforderung an. Diesmal in Form der Telekom Baskets aus Bonn. Gegen den Erzrivalen aus der ehemaligen Hauptstadt konnten sich die Berliner dank des gut aufgelegten Centers Leon Radosevic (18 Punkte mit 75 % Trefferqoute, 7 Rebounds) und einer Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit noch klar mit 90-78 durchsetzen und den 35. Saisonsieg einfahren. In einer hitzigen und zeitweise nicklig geführten Partie waren die Berliner speziell im zweiten Viertel in der Defense zu nachlässig und kassierten allein in diesem Abschnitt 30 Punkte und 5 von 6 Dreiern. Durch mehr Engagement in der Defense in der zweiten Halbzeit gestattete man dem Gegner nur noch 30 Punkte und eine deutlich schlechtere Wurfqoute von 33 % (erste Halbzeit 55 %). Durch diesen Sieg erzielten die Berliner den neunten Erfolg aus den letzten 10 Spielen gegen die Rheinländer. Dass nicht nur Niederlagen sondern ab und an auch mal Siege schmerzhaft sein können, musste dabei Albas Redding am eigenen Leib bzw. besser gesagt „Vergnügungszentrum“ erfahren.

Hangtime mit McLean
Hangtime mit McLean


Vorspiel

Mit wenigen Vereinen der Basketball-Bundesliga verbindet Alba Berlin so eine intensive Beziehung wie mit dem Team aus Bonn. Schließlich gewann das Team von der Spree die erste Meisterschaft der Vereinsgeschichte ausgerechnet bei den Gästen vom Rhein, die ihrerseits in ihrer überhaupt ersten Saison in der Basketball-Bundesliga sensationell bis ins Finale vorgedrungen waren und somit mit der Vizemeisterschaft auch einen Grund zu feiern hatten. Es sollte nicht die letzte bleiben! Vizemeisterschaft, das Thema zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Baskets und meist verhinderte Alba Berlin den ganz großen Triumph. Auch daraus erklärt sich sicher zu einem Teil die gesunde Rivalität der beiden Teams aus Ex- und aktueller Hauptstadt. Auch die Fans würden das jeweils andere Team sicher nicht zu den ausgewiesenen Lieblingsteams zählen. Die Mentalität ist im eher spröden „Preußen“ und der Faschingshochburg am Rhein doch sehr, sehr unterschiedlich. Zwischen „Karneval“ und „Karneval der Kulturen“ liegen Welten im jeweiligen Verständnis von Feiern, Party, lustig sein. Nicht zuletzt haben aber auch eine Vielzahl von dramatischen und knappen Spielen zwischen beiden Teams dazu beigetragen, dass das Aufeinandertreffen der beiden Vereine von vielen als etwas Besonderes empfunden wird, das Spiel gar als „Mutter aller Spiele“ tituliert wird.

An diesem Samstag kamen die Bonner mit breiter Brust und dem Selbstbewusstsein aus sieben Siegen aus den letzten 10 Spielen (der gleichen Bilanz wie Alba Berlin) – u.a. auch ein Auswärtserfolg bei den Artland Dragons – zum Spitzenspiel Zweiter gegen Fünfter.  Der Trend ging in den letzten Wochen klar aufwärts, immer besser fand das Team zusammen, verbesserte sich die Teamchemie und Rollenverteilung.  Bonn erwies sich als ein Team, das mit viel Energie in der Defense spielt und damit regelmäßig die Gegner nervte. Das allein erklärt aber noch nicht den aktuellen Erfolg; über die Saison hat sich auch noch nach und nach eine effektive Offense entwickelt. Zudem spielen die Rheinländer eine tiefe Rotation, bei der viele Spieler Verantwortung übernehmen. Eine wichtige Frage vor dem Spiel war noch, inwiefern Alba Berlin noch das Euroleague-Spiel knapp zwei Tage zuvor und die entsprechend geringe Vorbereitungszeit auf den Gegner aus Bonn handicapen würde. Diese Situation gab es vor dem Hinspiel bereits, als Alba zwei Tage vor dem Spiel am Rhein sensationell den amtierenden NBA Champion San Antonio Spurs geschlagen hatte. Beim Spiel in Bonn wurden dann die Gastgeber gleich von Anfang an regelrecht überrollt und in der zweiten Halbzeit der Vorsprung verwaltet. Ein ähnliches Szenario war vor dem Spiel in Berlin nicht von vornherein zu erwarten. Ebenfalls im Fokus standen die drei Ex-Bonner in Reihen von Alba Berlin, Alex King, Jonas Wohlfarth-Bottermann und last but not least der gerade noch rechtzeitig vor dem Spiel gegen seinen Ex-Club genesene heimliche Alba-MVP Jamel McLean. Gerade das Duell des zu dieser Saison nach Berlin gewechselten Forwards gegen seinen Nachfolger Angelo Caloiaro stand unter besonderer Beobachtung.

Nur Zaungast: Cliff Hammonds
Nur Zaungast: Cliff Hammonds

Spiel

Nach einer Schweigeminute für die Opfer der Flugkatastrophe begann Alba Berlin, bei denen Cliff Hammonds als 7. Ausländer aussetzte, mit Jonathan Tabu, Alex Renfroe, Niels Giffey, Jamel McLean und Leon Radosevic und erzielte durch McLean die ersten beiden Punkte des Spiels. Bis zur Mitte des ersten Viertels entwickelte sich ein ausgeglichenes Spiel (11-12). Danach kam dann Alba besser in die Partie und konnte sich mit einer 11-1-Serie bis zwei Minuten vor Ende des Viertels auf 22-13 absetzen. Als Reaktion auf die Belastungen durch die erst 44 Stunden zurück liegende Partie in der Euroleague gegen Roter Stern Belgrad ließ Coach Obradovic viel rotieren und hatte nach gut 5 Minuten bereits alle 10 Spieler seiner Kern-Rotation eingesetzt, inklusive Youngster Ismet Akpinar, der darauf jedoch vorbereitet war, wie er gegenüber Alba-Inside nach dem Spiel betonte: „Der Coach hatte mir schon heute früh gesagt, dass ich von Anfang an bereit sein soll, dass meine Aufgabe sein wird, gut zu verteidigen, die Aufbauspieler unter Druck zu setzen„. Diese Aufgabe hat der point guard gut erfüllt und steuerte auch noch 4 Punkte von der Freiwurflinie bei. Dafür bekam er bei seiner Auswechslung seltenes Lob und Motivation durch den Coach.  In den letzten zwei Minuten konnte dann auch noch mal Bonn per Dreier (Koch) und Korbleger (McConnell) punkten, sodass es mit 26-18 in die erste Pause ging.

Ismet Akpinar durfte früh Verantwortung übernehmen
Ismet Akpinar durfte früh Verantwortung übernehmen

Die ersten 5 Punkte des zweiten Viertels erzielten die Gäste vom Rhein durch Mickey McConnell (2er) und Benas Veikalas per Dreier und statt den Vorsprung aus dem ersten Viertel auszubauen hatte Alba wieder ein enges Spiel. Nach vier Minuten und zwei weiteren Dreiern der Bonner war die Partie wieder ausgeglichen. Dreier bzw. die Verteidigung derselben war das Thema des Viertels. Die Baskets trafen allein im zweiten Viertel fünf Dreier bei sechs Versuchen, was auch dank gütiger Mihilfe von Alba möglich war. Die meisten dieser Würfe waren von den Bonnern durch schnelles Passspiel bzw. penetration and kick out gut heraus gespielt, allerdings auch schlecht verteidigt wurden. So sah es auch Ismet Akpinar: „Wir haben zu viel geholfen, wenn wir im 1 gegen 1 geschlagen wurden und das haben die Bonner eiskalt mit hochprozentig getroffenen Würfen ausgenutzt. Da haben wir einfach zu viele individuelle Fehler in der deny-Verteidigung gemacht.“ Durch diese genannten Fehler kassierten die Berliner im zweiten Viertel 30 Gegenpunkte und lagen zur Pause mit 44-48 zurück. Die letzten Punkte vor der Halbzeit erzielten die Bonner mit gerade noch einer Sekunde Restzeit auf der Spieluhr – auch nicht gerade eine Sternstunde der Alba-Defense!

Lt. Ismet Akpinar kritisierte Coach Obradovic in der Halbzeitansprache die 48 Punkte, die Alba zugelassen hatte und forderte von seinem Team eine klar verbesserte Defense in der zweiten Hälfte. Dieser Plan ging im dritten Viertel auch voll auf. Durch höheres Engagement in der Defense zwang man Bonn zu sieben Ballverlusten im dritten Viertel, wovon allein fünf auf das Konto des in dieser Phase überforderten Bonner point guards Eugene Lawrence gingen. Zudem gestattete man den Bonnern in diesem Viertel nur vier Rebounds. Aus guter Verteidigung und dank eigener Rebounds gelangen Alba wiederum immer wieder leichte Punkte aus dem Fastbreak. Die letzten gut 6 Minuten des Spielabschnitts gelang Alba eine 18-4 Serie und mit 25-11 ging das dritte Viertel an Alba – die Vorentscheidung des Spiels.

man of the match: Leon Radosevic
man of the match: Leon Radosevic

Im letzten Viertel pendelte sich der Vorsprung zunächst bei um die 10 Punkte ein, als jedoch Jonathan Tabu 6 Minuten vor dem Ende per Dreier zum 80-65 erhöhte, glaubte kaum noch einer der 12.000 Zuschauer in der O2 world an einen Sieg der Gäste vom Rhein. Auch eine höhere Aggressivität der Bonner konnte den am Ende verdienten zweistelligen Sieg der Berliner nicht mehr verhindern. Negativer Höhepunkt war ein Schlag des Bonners Benas Veikalas gegen Reggie Redding. Veikalas traf Redding direkt ins „Vergnügungszentrum“, da, wo es einem Mann am meisten weh tut. Während sich Redding vor Schmerzen krümmte, erzielte der Bonner zwei Punkte, statt eines unsportlichen oder disqualifizierenden Fouls gegen den Bonner gab es noch ein technisches Foul gegen Alba-Coach Obradovic on top! Diese Aktion brachte allerdings noch mal Stimmung in die Halle und durch das Team von Alba Berlin ging noch mal ein Ruck.

Nachspiel und Fazit

Ein Nachspiel könnte durchaus die unsportliche Aktion des Spielers Veikalas haben. Da diese während des Spiels von den Schiedsrichtern nicht gesehen und/oder bestraft wurde, ist eine nachträgliche Sanktionierung möglich. Bekanntlich hat es der Commissioner der BBL, Jan Pommer, zu seinem Hobby erkoren, unsportliche Aktionen in Eigeninitiative bei der BBL anzuzeigen; so hat er dafür gesorgt, dass Alex Renfroe für einen Schubser gegen seinen Coach für ein Spiel gesperrt wurde. Ein Schlag in die Weichteile eines Gegenspielers dürfte dann auch nicht im Sinne Pommers sein und er wird ja wohl nicht mit zweierlei Maß messen.

Gewonnen hat Alba Berlin dieses Spiel unterm Korb, wo Radosevic, Banic und McLean zusammen 44 Punkte mit einer Wurfquote von knapp 75 % erzielten, während der Bonner Frontcourt nur auf 29 Punkte kam. Auch bei den Rebounds war der Berliner Frontcourt dem Bonner Pendant klar mit 21-11 überlegen. Die drei Ex-Bonner hinterliessen einen unterschiedlichen Eindruck. Während Alex King (20 Minuten, 0 Punkte, 4 Rebounds) und Jonas Wohlfarth-Bottermann (3 Minuten, 0 Punkte) wenig Akzente setzen konnten, gewann Jamel McLean (11 Punkte, 6 Rebounds) das Duell gegen seinen Nachfolger am Rhein, Angelo Caloiaro (8 Punkte, 2 Rebounds), klar.

Nicht mit jeder Entscheidung der Unparteiischen waren die Alba-Fans einverstanden
Nicht mit jeder Entscheidung der Unparteiischen waren die Alba-Fans einverstanden

Wie schon so oft zuvor sahen die Berliner allerdings wieder mal gegen eine Zonenverteidigung nicht besonders gut aus. Oder anders gesagt: Sie sahen schlecht aus und ihnen ist wenig dagegen eingefallen. Weiterhin schafft es Alba seit einigen Spielen nicht mehr, eine komplette Partie konstant zu gestalten, hat immer wieder schlechte Phasen dabei. Das ist sicher zum Teil auf die Doppelbelastung seit vielen Wochen und die geringe Vorbereitungszeit auf den jeweiligen Gegner zurück zu führen, gegen stärkere Gegner als Galatasaray Istanbul, Roter Stern Belgrad oder Telekom Baskets Bonn könnten sich solche Phasen rächen.

Hier geht es zu den Fotos der Partie! (klick)

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