Ein schöner Rücken kann auch entzücken – diesen Spruch hatten die treuesten der Alba-Fans in den ersten Reihen von Block 212 in letzter Zeit öfter auf den Lippen. Besonders, da es sich nicht um einen, sondern gleich ein halbes Dutzend Rücken handelte, die sich bei gelungenen Aktionen auf dem Spielfeld in die Höhe reckten. Wohlfarth-Bottermann, Akpinar, Giffey, Lowery, Baldi und Ojeda verdunkelten oft zeitgleich den Blick aufs Spielgeschehen. Allmählich lichtet sich bei Alba Berlin aber das Lazarett: Ismet Akpinar steht nach seinem Muskelfaserriss vor seiner Rückkehr ins Team, auch Robert Lowery könnte demnächst wieder mithelfen, am überraschendsten war allerdings das plötzliche Comeback von Niels Giffey am vergangenen Wochenende. Nach vier Monaten Pause bereicherte der Flügelspieler die Offensive von Alba enorm. Genau im richtigen Moment: in Ulm steht am Samstag (20:30 Uhr) die nächste Härteprobe an.
Es dauerte einen Augenblick, bis der Rost abgeschüttelt war. Genauer gesagt, dauerte es nur ein Viertel. Niels Giffey vergab im ersten Spielabschnitt bei seinem Comeback gegen Hagen erst einmal zwei Dreier und einen Korbleger. Die Würfe sahen nicht schlecht aus, waren allerdings alle einen Tick zu kurz. Kann passieren, wenn man ganze vier Monate zum Zuschauen verdammt ist und nicht unter Wettkampf-Bedingungen spielen kann.

Umso erstaunlicher die Gelassenheit Giffeys, mit der er im zweiten Viertel ins Rollen kam. Dreier, Dunking und mit der Schlusssirene zur Halbzeit dann noch ein Tip-In. Der Flügelspieler zeigte die Ansätze seines Offensiv-Repertoires, so als wäre er nie weg gewesen. Am Ende des Abends standen 11 Punkte und 5 Rebounds für Giffey auf der Habenseite. Eine ziemlich gute Ausbeute dafür, dass er mehrere Monate nicht spielen konnte. Abseits der persönlichen Leistung, konnte man als Berliner insgesamt durchaus einen spielerischen Aufwärtstrend beobachten. Auch wenn Hagen mit den aktuellen Verletzungssorgen kein Gradmesser wie Oldenburg darstellt, mit Giffey gewinnt Alba eine extrem wichtige Komponente im eigenen Spiel hinzu. „Er hat bewiesen, dass er uns einiges geben kann“, bemerkte Akeem Vargas am Donnerstag. Obwohl Vargas selbst eher selten gemeinsam mit Giffey auf dem Feld steht, wirkte auch Albas Edel-Verteidiger am vergangenen Wochenende wesentlich selbstbewusster und bissiger. „Es ist sehr hilfreich, dass wir einen Spieler haben, der schon länger im System ist und die Laufwege kennt“, fasst Vargas Giffeys Einfluss zusammen, „gerade weil wir uns dieses Jahr mit Laufwegen und Spacing so schwer getan haben“.
Der Rückkehrer selbst gab sich der Presse gegenüber eher wortkarg. Prognosen, wann er sein volles Leistungsvermögen erreichen würde, wollte er nicht aufstellen. Vielmehr ginge es ihm darum sich so schnell wie möglich in das Training und in die Spiele zu integrieren. Auch wenn es sicherlich noch dauern wird, bis der 24-Jährige seinen Rhythmus komplett wiedererlangt haben wird, so hat Sasa Obradovic nun endlich wieder eine weitere Offensivoption, die er auch von der Bank bringen kann. Das wird für Entlastung und Freiräume sorgen. Nicht nur bei Vargas und King, sondern besonders bei den Offensiv-Stützen wie Milosavljevic, Taylor und Cherry. Das eher statische Angriffsspiel von Alba dürfte wieder etwas ansehnlicher werden, wenn für die kreativen Spieler mit Giffeys Präsenz mehr Raum zum Attackieren auf dem Spielfeld entsteht.
Tollhaus Ulm und Rückkehr der Verletzten
In der lauten Ulmer Halle in der Offensive die richtigen Entscheidungen zu treffen, wird einer der Schlüssel zum Sieg, sagt Sasa Obradovic. Mit Hinblick auf das Spiel am Samstag spielt die Atmosphäre auf den Rängen in den Gesprächen immer wieder eine Rolle. „Was wir einigen unserer US-Boys versucht haben zu erklären, ist dass Ulm geile Fans und eine geile Halle hat. Das muss man ganz ehrlich so sagen“, bemerkt Akeem Vargas, ein wahrer Liebhaber hitziger Stimmung, „mit Bamberg zusammen sind das die schwierigsten Auswärtsspiele des Jahres.“ Eine Möglichkeit, die Halle still zu halten, ist das Spieltempo zu kontrollieren. Das ist gegen Ulm eine knifflige Aufgabe. „Sie sind ein großartiges Team im Schnellangriff, sie bringen Spieler wie Morgan und Rubit in gute Positionen, dazu muss man bei Per (Günther) in den Pick and Roll Situationen aufpassen“, sagt Sasa Obradovic. Auch wenn der Headcoach behauptet, nicht auf die Tabelle zu schauen, rein tabellarisch betrachtet, ist die Partie gegen das Team aus Baden-Württemberg nicht ganz unwichtig. Bei einem Sieg könnte Alba den Abstand auf Platz sieben vergrößern und rechnerisch weiter im Kampf um den vierten Rang mitmischen. Noch wichtiger wird es allerdings, sich spielerisch weiter zu verbessern um pünktlich zu den Playoffs in bestmöglicher Form anzutreten. Die Chancen dafür steigen mit der Rückkehr der Verletzten, Ismet Akpinar trainierte am Donnerstag erstmals wieder voll mit, er wird in jedem Fall nach Ulm mitreisen. Auch Robert Lowery dürfte demnächst wieder ins Training einsteigen. Dragan Milosavljevic fehlte beim Training am Donnerstag wegen einer Grippe, sollte aber mitspielen können. Bleibt nur noch Jonas Wohlfarth-Bottermann als Langzeitverletzter. Das Lazarett sah vor kurzem noch wesentlich voller aus, jetzt blickt man wieder etwas optimistischer in die Zukunft. Besonders dann, wenn Niels Giffey seinen Rost weiter abschüttelt.