
Am Mittwoch, 12.07.2017, hat Alba Berlin die – vorbehaltlich noch einiger austehender Zugänge – wohl namhafteste Verpflichtung für die kommenden zwei Jahre vorgestellt: Alejandro „Aíto“ Garcia Reneses (70), neuer Cheftrainer des Hauptstadtclubs. Vor allem hat Aíto, so wie er von den meisten einfach genannt wird, sich selbst vorgestellt und über seine Ideen von modernem Basketball und seine Ziele mit Alba Berlin gesprochen. Was er zu sagen hatte, wollen wir für euch hier zusammen fassen. Und auf seine „gescheiterte Filmkarriere“ eingehen.
Zunächst aber ergriff Dr. Axel Schweitzer, Vostandsvorsitzender des Hauptsponsors ALBA AG, das Wort. Vieles, was er zu sagen hatte, klang altbewährt. Was nicht schön zu reden ist, wurde auch nicht schön geredet. Mit der abgelaufenen Saison war man – natürlich – nicht zufrieden, zu wenig und vor allem viel zu spät in der Saison gab es „mit Leib und Seele“. Dieser Claim ist für Alba Berlin nicht nur ein Spruch, sondern der Anspruch. Diesem wurde man nicht gerecht. Nicht fehlen durfte natürlich der alljährliche Verweis, dass man weder einen Mäzen noch einen Fussballverein im Rücken hat und deshalb mit „Vereinen aus dem Süden“ (welche werden DAS wohl sein? 😉 ) nicht verglichen werden kann. Aber es klang auch Kampfgeist durch. „Wir sind Alba Berlin und wir gehen unseren Weg! Heißt das, dass wir uns vom Erfolg verabschieden wollen? Ich glaube, jeder der die Protagonisten kennt […] weiß, dass das nicht der Fall ist! Im Profisport wollen wir gewinnen, wir wollen jedes Spiel und natürlich auch Meisterschaften gewinnen. Dafür arbeiten, dafür leben wir, insofern werden wir uns nicht vom Erfolg verabschieden. […] Wir werden unseren Weg gehen. […] Es gebt darum uns kontinuierlich zu entwickeln.“ Die Basis dafür ist der Nachwuchsbereich, 4.000 Kinder die Woche für Woche bei Alba trainieren, über 100 Trainer, Kooperationen mit über 120 Schulen, nicht nur in Berlin und Brandenburg, sondern auch in China. „Diese Basis ist unser Fundament, auf dem unser Programm basiert. Deshalb sind wir auch sehr froh, dass wir Coach Aíto für uns gewinnen konnten. Denn eine Sache, die wir noch besser machen wollen, ist die Entwicklung von der Breite in die Spitze. Wir wollen die Durchlässigkeit aus der eigenen Jugend verstärken und dafür auch eine sportliche Führung haben, die das nicht nur sagt, sondern auch macht.“ Alba will allerdings trotzdem kein Ausbildungsverein sein, nicht nur Spieler entwickeln, sondern auch Spiele gewinnen will. Dafür braucht und hat man als Verein Geduld, z.B. hat Aíto in Sevilla neun der ersten zehn Spiele verloren, aber letztlich hat sich Geduld ausgezahlt. „Selbst mit einem der renommiertesten Trainer Europas werden wir nicht gleich jedes Spiel gewinnen, es wird eine Aufbauphase geben“, bittet Schweitzer vor Saisonstart schon mal um Geduld und Vertrauen bei Medien und Fans. „Gerade wenn man junge, talentierte Spieler integrieren will, wird das Zeit brauchen. Auch ein Aíto kann nicht über Wasser gehen. Aber ich bin begeistert davon, wie er Erfahrung und Talent gleichermaßen mit einander kombiniert und dabei für Veränderungen immer offen ist, sich nicht auf Erfolgen wie Rick Rubio & Co. ausruht“. Aber bei allem Wollen und hehren Zielen, ganz ohne Geld geht es nicht, aber auch dazu konnte Schweitzer Positives berichten. „Die kontinuierliche Entwicklung […] führt dazu, dass wir schon in der kommenden Saison unser Budget [Spielerbudget] um ein Viertel erhöhen können.“ Zur ganz konkreten Höhe des Budget in Euro gab es jedoch traditionell keine Aussage. Der Trend der Etaterhöhung soll jedoch in den folgenden Jahren kontinuierlich weiter geführt werden.
Im Wesentlichen ins gleiche Horn wie Schweitzer stieß Albas Geschäftsführer Marco Baldi (55) und strich heraus, wie gut der neue Coach auch zur strategischen Ausrichtung des Vereins passen würde. Die Stärken Aítos wie die Entwicklung von Talenten und das langfristige Denken nicht nur an die unmittelbare Entwicklung auf sportlicher Ebene, sondern des gesamten Vereins, passen perfekt zu den Zielen und Plänen von Alba Berlin.
Anschließend sprach dann der neue Trainer der Berliner, der seit einigen Tagen in der Stadt auf Wohnungssuche war, aber nun erst mal wieder bis zum 10. August wieder weg ist, über seine Ziele, seine Beweggründe nach Berlin zu kommen und diverse Punkte mehr.
Aíto … über Gründe für den Wechsel nach Berlin
„Ich bin nach Berlin gekommen, weil ich Alba helfen will, sich zu verbessern. Nicht nur den Spielern, nicht nur den Assistenztrainern, sondern dem gesamten Verein. Gleichzeitig möchte ich aber auch so erfolgreich wie möglich sein. Das ist grundsätzlich schon immer mein Anspruch, ich möchte jeden besser machen. Das ist möglich, wenn alle in die gleiche Richtung arbeiten. Als erstes muss ich mir aber noch einen genaueren Überblick verschaffen. Spiele und Spieler auf Video zu sehen, ist das Eine, sie dann wirklich selbst zu sehen und mit ihnen zu arbeiten, noch einmal etwas anderes.
Aíto … und seine Ideen für den „perfekten“ Frontcourt
Noch gibt es einige Lücken in Albas Frontcourt, zu den bereits verpflichteten Luke Sikma, Bogdan Radosavljevic und Tim Schneider dürften noch mindestens zwei weitere dazu kommen. Wie diese Neuen zu den bereits vorhandenen passen könnten, darüber äußerte sich der neue Coach auch. „Ich kenne Luke Sikma sehr gut, obwohl ich ihn noch nicht selbst trainiert habe. Die anderen habe ich zwar schon drei, vier Mal auf Video gesehen, aber das ist natürlich etwas anderes. Luke hat viele Jahre in Spanien gespielt, er ist ein sehr cleverer Spieler, dazu ein Teamplayer. Obwohl er auf der Vier spielt, denkt er wie ein Spielmacher. Ich hoffe, die anderen bald noch besser kennen zu lernen und das Team so bald wie möglich zu komplettieren. Dazu wollen wir die besten Spieler verpflichten, die wir bekommen können. Auf die genaue Position kommt es gar nicht an, wichtiger ist, dass die Spieler die entsprechende Qualität mitbringen. Ich möchte Spieler, die vielseitig auf verschiedenen Positionen eingesetzt werden können. In der BBL spielen viele Amerikaner, viele Teams mit kleineren, schnellen, aber athletischen Spielern auf den Innenpositionen. Das ist gut, aber noch besser ist es, wenn wir das gleiche mit größeren Spielern spielen können. Der Idealfall ist es, wenn Spielern nicht nur aktuell gut sind, sondern sich für die Zukunft noch verbessern können. Zum Beispiel wurde in Spanien früher viel mit kleineren Spielern gespielt. Die großen Spieler haben nicht besonders viel gespielt, auch, weil sie nicht besonders gut waren. Als diese Spieler besser wurden und mehr gespielt haben, wurde der gesamte spanische Basketball deutlich besser. Am Ende hängt es auch davon ab, welche Spieler auf dem Markt verfügbar sind, welche wir verpflichten können, da muss man auch ein wenig flexibel sein.“
Aíto… über seine erste Auslandsstation
„Das ist eine Umgewöhnung mit einer anderen Sprache und Mentalität. Obwohl ich viele, viele Angebote hatte, ins Ausland zu wechseln, hatte ich bisher nicht das Gefühl, das machen zu wollen. Ich war sehr zufrieden bei den verschiedenen spanischen Teams, bei denen ich war. Erst jetzt hat sich dieses Gefühl eingestellt, diesen Schritt gehen zu wollen. Alba ist für mich da der richtige Verein, da ich das Konzept mag und für die Zukunft etwas aufbauen kann. Es gab früher andere Angebote von guten Clubs, aber da hatte ich das Gefühl, dass es vorrangig um kurzfristige Ziele ging. Zudem habe ich nach einem Jahr Pause wieder richtig Lust auf Basketball und bin mir sicher, dass Berlin eine gute Erfahrung für mich sein wird.“
Aíto … Einschätzung über die Spieler des neuen Teams
Über die verbleibenden Spieler hat er sich mit Himar Ojeda abgestimmt, hat seine eigene Meinung dazu gesagt, vertaut aber dabei voll Albas Sportdirektor, der den besseren Einblick hat. „Wir müssen jetzt erst mal das Team komplett bekommen, da sind wir gerade dabei. Dann müssen wir alle zusammen kommen und trainieren. Dann sieht man auch, wer sich wie engagiert. Erst wenn wir zusammen arbeiten, lernt man die Spieler richtig kennen, wer sich wie bemüht, wer mit wie viel Intensität spielt, wer „smart“ ist usw. Viele meinen, das merkt man recht schnell, aber das ist nicht so, das ist ein Prozess, der Geduld erfordert.“
Aíto … über den Trainingsbeginn bei Alba Berlin
Er selbst ist am 13./14. August in Köln zu einem zentralen Treffen aller BBL-Trainer, zu diesem Zeitpunkt wird das Team auch mit dem Training unter Anleitung der Assistenztrainer beginnen. Er selbst stößt dann direkt nach der Rückkehr aus Köln dazu. „Die physischen Grundlagen, Basisarbeit, sind wichtig, aber wenn ein neuer Coach kommt, ist es noch wichtiger, sich über Systeme und Spielideen auszutauschen“. Dabei sieht der neue Coach Probleme. Einige Spieler werden voraussichtlich an der EM für ihr Land teilnehmen zudem geht es gleich zu Beginn am 19. August nach China zu einer Reihe von Testspielen. „Solche Sachen sind nicht zu ändern, man muss das Beste daraus machen. Der Trainingsauftakt ist sehr wichtig für die Spieler, da geht es darum die Philosophie zu vermitteln, was man wie erreichen möchte. Das versuche ich den Spielern ganz am Anfang zu vermitteln. Nicht nur durch Reden, sondern auch ganz praktisch auf dem Feld.“
Aíto … über das Finden und Entwickeln von Talenten
„Ich suche nicht wirklich nach Talenten oder verpflichte sie gezielt. Bei all meinen Stationen waren die Talente meist schon dort. Ich traue mir aber zu, recht schnell zu erkennen, wenn ich es mit einem Talent zu tun habe. Ab und an habe ich auch mal von dem einen oder anderen Team einen Spieler geholt, den ich für sehr talentiert hielt, aber das war nicht der Normalfall. In der Regel waren die Spieler schon da und waren für die meisten noch total unbekannt, z.B. Ricky Rubio, Pau Gasol oder Kristaps Porzingis. Ich mag es sehr zu sehen, wie sich diese Spieler entwickelt und vor allem auch dem Team geholfen haben. Grundsätzlich kann das auch in Deutschland funktionieren, auch hier können sich Spieler entwickeln, die es in die Nationalmannschaft oder gar in die NBA schaffen.“ Es ist ein Fakt, dass Bamberg und München deutlich mehr Geld zur Verfügung haben, aber das ist nichts, worüber sich Aíto besonders Gedanken macht. „Ich mache mir Gedanken um Alba Berlin, darum dass wir uns täglich verbessern. Das gilt nicht nur für die Zeit, in der ich in Berlin bin, sondern auch, wenn ich irgendwann nicht mehr in Berlin sein werde. Wenn ich gehe, möchte ich, dass Alba auf einem höheren level sein wird. Ich kann nicht sagen, dass wir besser als dieses oder jenes Team sein wollen, wenn ich noch nicht mal genau weiß, wie unser Team aussehen wird, geschweige denn die anderen. Was ich sagen kann, ist, dass wir das Optimum aus unseren Möglichkeiten heraus holen wollen.“
Aíto … über Unterschiede zwischen deutschem und spanischem Basketball
Er sieht sich nicht als ausgewiesenen Kenner des deutschen Basketballs, obwohl er mit einigen seiner spanischen Teams schon gegen einige deutsche Teams gespielt hat und auch auf Nationalmannschafts-Ebene traf er einige Male auf Deutschland. Ein wenig kennt er den Stil, der in Deutschland gespielt wird, der stark von vielen Amerikanern und deren Physis geprägt ist. „Wenn wir in den europäischen Wettbewerben gegen deutsche Teams gespielt haben, dann haben wir nicht gewonnen, weil wir größer oder kräftiger waren, aber ich denke, wir haben das Spiel besser verstanden. Der point guard organisiert das Spiel, soweit, so gut. Meine Idee ist, dass alle Spieler auf dem Feld an der Organisation beteiligt sind. Aber ich werde mir noch einen besseren Überblick über die deutsche Liga verschaffen und so auf die Umstände reagieren, dass unser Team so schnell wie möglich so erfolgreich wie möglich ist. Ich habe in den Playoffs ein Spiel von Alba gesehen und wir haben auch die Möglichkeit, uns fast alles auf Video anzusehen.“
Aito… wie Peyton Siva in sein System passt
„Ich will Spieler die lernen wollen und wer etwas lernen will, der wird auch etwas lernen. Das ist bei jedem etwas anderes, bei dem einen, besser zu passen, bei dem anderen besser zu rebounden, bei einem dritten besser zu werfen usw. Alle gemeinsam müssen ständig ihre Mentalität und ihr Teamverhalten verbessern, sich gegenseitig helfen. Dabei hat jeder andere Voraussetzungen, aber jeder muss das Beste aus seinen Möglichkeiten machen.“
Aíto … über seine „Filmkarriere“
1965 hat Aíto Garcia Reneses eine kleine Rolle im Film „La familia y uno más“ von Regisseur Fernando Palacio. Seine komplette Karriere in der Filmbranche bestand in genau zwei Worten: ‚guapa, guapissima‘ (’schön, wunderschön‘) Obwohl das über 50 Jahre her ist, erinnert er sich gern an den Spaß, den er dabei hatte. „Ich war zu der Zeit bei Estudiantes Madrid und ich war sehr jung. Eines Tages kam unser Coach und meinte, dass wir in einem Film mitspielen sollen. Ein hübsches Mädchen war in einen unserer Spieler verliebt, aber es war nicht wirklich einer unserer Spieler, sondern ein Schauspieler und er konnte überhaupt nicht Basketball spielen. Da war eine Szene, wo wir mit dem Bus nach irgendwo hin abgefahren sind und in dieser Szene habe ich diese beiden Worte gesagt. Ich habe das immer noch auf meinem smartphone, ich kann das zeigen … Wir hatten sehr viel Spaß bei den Dreharbeiten.“ Die „Filmkarriere“ war so schnell vorüber wie sie begonnen hatte, ansonsten wäre der Welt womöglich ein großer Coach verloren gegangen, aber diesen „großen Moment der Filmgeschichte wollen wir euch nicht vorenthalten 😉 :
Ein Gedanke zu „Persönlich vorgestellt: Aíto Garcia Reneses“