Pappa ante Portas? Sven Schultze nach der Karriere!

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Sven Schultze (37) ist eines der prägenden Gesichter des deutschen Basketballs für fast 20 Jahre gewesen, hat mit seiner kompromisslosen Spielweise und bedingungslosem Einsatz für sein jeweiliges Team zwei Jahrzehnte lang polarisiert – von den eigenen Fans geliebt, von den gegnerischen oft genug kritisiert. Was in der Saison 1995/96 als 16jähriger beim TTL in seiner Heimatstadt Bamberg begann, fand zum Ende der vergangenen Saison den krönenden Abschluss mit einer emotionalen Verabschiedung durch Fans, Verein, aktuelle und ehemalige Mitspieler. Dass er dabei das Trikot des Gegners, Eisbären Bremerhaven, trug, störte in diesem Moment wohl kaum einen der über 10.000 Zuschauer in der Halle. Das war’s, noch mal ganz großes Kino zum Abschied und dann war endgültig Schluss mit der sportlichen Karriere, die in 20 Jahren um die 1.000 Basketballspiele – darunter knapp 300 für Alba Berlin und 121 für die deutsche Nationalmannschaft -, vier Meistertitel und vier Pokalsiege (alles mit Alba Berlin), den Vize-Titel bei der Europameisterschaft 2005 und die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2008 in Peking brachte. Das ist Geschichte! Aber uns interessierte, wie das Leben eines Profis weiter geht, wenn die Scheinwerfer ausgehen und er aus dem Rampenlicht tritt. Was passiert danach und worauf blickt man bei zwei Jahrzehnten Karriere gerne zurück? Deshalb trafen wir uns mit Sven Schultze vor dem Basketball-Länderspiel zwischen Deutschland und Spanien und haben über diese und andere Fragen mit ihm gesprochen. 

Schuuuuuultze - Schuuuuuultze
Schuuuuuultze – Schuuuuuultze

Hallo Sven, vielen Dank, dass du dir die Zeit für uns genommen hast. Nach fast 20 Jahren Basketball-Karriere, begonnen beim TTL Bamberg, beendet genau hier in dieser Halle [Mercedes Benz Arena] mit den Eisbären Bremerhaven, begann im Frühsommer dieses Jahres für dich ein völlig neuer Lebensabschnitt. Wir denken, dass es ein guter Moment ist, mal einen Blick darauf zu werfen, wie das Leben eines Profis eigentlich nach dem Karriereende weiter geht. 30.04.2015, O2 world, Eisbären Bremerhaven zu Gast bei Alba Berlin. Es war dir ja klar, dass es dein letztes Spiel sein wird und du hast es auch wenige Tage davor so kommuniziert. Du hattest also Zeit, dich mit diesem Moment vorab zu befassen. Was geht einem da durch den Kopf?

Sven Schultze: Ich bin eigentlich nach dem Jahr in Berlin nicht nach Bremerhaven mit dem Gedanken gegangen, dass es die letzte Saison sein wird, aber es hat sich über das Jahr so ein bisschen heraus kristallisiert. Dass das letzte Spiel dann ausgerechnet in Berlin war, war natürlich ein glücklicher Zufall, das war wunderschön, hier die Karriere zu beenden.

Hattest du erwartet oder erhofft, dass vom Verein und von den Fans solche Aktionen kommen, wie sie dann bei und nach dem Spiel gekommen sind?

Schulze_logoSven Schultze: Absolut nicht, gar nicht! Justus Strauven von Alba hatte mich vor dem Spiel angerufen und gefragt, ob das WIRKLICH mein letztes Spiel sein wird. Nicht, dass ich dann noch mal den Rücktritt vom Rücktritt erkläre. Ich habe ihm das bestätigt und hatte da dann schon gedacht, dass der Verein ein bisschen was organisiert, aber natürlich nicht in diesem Maße. Und wie die Fans mich verabschiedet haben, war eine einmalige Geschichte und das werde ich auf jeden Fall in meinem Leben nicht mehr vergessen!

Es scheint, als hätten Alba Berlin und Sven Schultze eine ganz besondere Beziehung zueinander gehabt. Sportlich ist das eigentlich nicht ganz nachvollziehbar, denn sportlich größere Rollen hattest du ja eher während der Jahre in Italien. Alba scheint aber trotzdem etwas Besonderes gewesen zu sein, denn du hattest ja eine besondere Stellung im Team, im Verein, im Verhältnis zu den Fans, auch gerade im letzten Jahr, als die Spielanteile nicht mehr so groß waren. Wie erklärst du dir das selbst?

Sven Schultze: Ich weiß nicht, vielleicht meine Art und Weise, Alba hat mir den Schliff gegeben für meine Karriere, mal abgesehen von Bamberg, wo ich natürlich das Basketball spielen gelernt habe, aber von Muki [Emir Mutapcic] und [Svetislav] Pesic habe ich hier in Berlin ganz wesentliche Teile des Spiels gelernt und habe mich für den Verein auch immer aufgeopfert, gerade auch in den zweiten vier Jahren. Worte wie „Mit Leib und Seele“ habe ich wirklich gelebt und das war für mich auch wichtig. Ich denke mal, ich habe auch als Vorbild gedient und wollte einfach auch den jungen Spielern und den Spielern, die neu nach Berlin kamen zeigen, was der Verein bedeutet und dass man alles geben muss.

Diesen Ehrgeiz sollte eigentlich jeder haben, der es ganz nach oben schafft. Kann es damit zu tun haben, dass man dir Emotionen eigentlich immer ansieht, du Gefühle nach aussen zeigst?

Sven Schultze: Vielleicht ja, ich habe mir da selbst nie Gedanken drüber gemacht, wie das wirkt. Ich bin nun mal ein sehr emotionaler Typ, wenn ich meinen Sport ausübe. Und ich glaube, dass ich so Menschen, Zuschauer, Fans so mitziehen kann, dass die dann irgendwie mit auf den Zug aufspringen, mit anfeuern, mit dabei sind und einfach genau so mitfiebern, wie ich es mache.

Was damals viele nicht verstanden haben, ist, dass du trotz oder gerade wegen dieser besonderen Beziehung zu Berlin, wo ja seit einiger Zeit auch dein Lebensmittelpunkt ist und deine Familie lebt, noch mal ein Jahr nach Bremerhaven gewechselt bist. Was war die Motivation dafür?

Sven Schultze: Ich hatte ja zu Beginn meines letzen Jahrs in Berlin keine besonders große Rolle, zum Ende des Jahres dann jedoch wieder mehr und habe gesehen, dass ich noch auf einem guten level mitspielen kann. Bremerhaven hatte relativ früh ein Angebot gemacht und mit Berlin bin ich leider nicht zusammen gekommen. Da habe ich mir gesagt, okay, die Chance nutze ich noch mal. Ob es gut oder schlecht war, kann man so oder so sehen, es war aber auf jeden Fall eine Erfahrung. Die Motivation kam auch daher, dass ich das Gefühl hatte, dass der Tank noch nicht leer ist und da noch mal was raus muss.

Wir stehen hier direkt vor der Mercedes Benz Arena, wo die deutsche Nationalmannschaft ihre Spiele austrägt. Spürst du immer noch das berühmte Kribbeln?

Sven Schultze: Auf jeden Fall, auf jeden Fall! Ich war tierisch aufgeregt vor dem Serbien-Spiel, da habe ich am Fernseher mitgefiebert. Ich habe die Jungs auch im Hotel besucht. Es war schön die alten Kollegen mal wieder zu sehen und zu erleben, aber die Stimmung war bei dem einen oder anderen nach dem Spiel gegen die Türkei nicht so dolle. Manchmal wünscht man, man könnte noch mal schnell die Schuhe überstreifen. Das Kribbeln ist absolut noch voll da. Gerade wenn man denkt, man könnte helfen oder glaubt, die bräuchten jemanden für eine harte Defenseaktion, der mal einen stoppt, denkt man schon ab und an mal, „das wäre jetzt dein Moment“.

Spielst du selbst noch hobbymäßg Basketball, Kreisklasse Pankow oder so?

Sven Schultze: Nein, im Moment gar nicht.

Was waren bei der Nationalmannschaft – immerhin 12 Jahre und 121 Spiele – deine persönlichen Highlight?

Schultze_NatioSven Schultze: Auf jeden Fall war eines der highlights der Gewinn der Silbermedaille bei der Europameisterschaft 2005 und dann natürlich wie wohl für fast jeden Sportler die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2008 in Peking. Das waren so die beiden Highlights, aber ganz allgemein war es immer so, dass sich im Sommer jeder auf die Nationalmannschaft gefreut hat. Das war wie „Kindergarten“, da haben wir uns alle getroffen um miteinander Spaß zu haben. Und natürlich für Deutschland spielen zu können, das war das Wichtigste.

Den Eindruck, dass die Nationalmannschaft das Wichtigste ist, hat man diesen Sommer leider nicht zu 100 % bei allen Leuten. Kannst du nachvollziehen, dass Spieler sich sagen ‚Okay, die Nationalmannschaft lasse ich diesen Sommer mal sausen‘?

Sven Schultze: Manchmal kann man es nicht so richtig nachvollziehen. Klar, die werden alle ihre Gründe gehabt haben, wie z.B. die Chance auf die Summerleague im letzten Jahr oder Verletzungsgründe in diesem Sommer. Aber anscheinend sind die Prioritäten jetzt teilweise andere, ich finde es schade, dass manche so denken und nicht der Nationalmannschaft den Vorzug geben, aber so ändern sich die Zeiten. Vielleicht schafft man es ja in Zukunft wieder, dass alle stolz darauf sind, für ihr Land zu spielen. Aber die die hier sind, sind mit 100 % und ganzem Herzen dabei.

Du bist jetzt an einem riesigen Einschnitt in deinem Leben. Als Basketballer hat man einen klar definierten und stark vorgeschriebenen Lebensrhythmus, wo genau durchgeplant ist, wann man wo sein und was tun soll. Das hat sich nun dramatisch geändert. Wie kommt man mental mit dieser völlig ungewohnten Situation klar?

Sven Schultze: So völlig überraschend kommt das ja nicht. Mit zunehmendem Alter beschäftigt man sich ja schon mal mit dem Karriereende und dem Danach. In den letzten anderhalb Jahren habe ich schon bei IST [IST-Studieninstitut GmbH] eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesstrainer gemacht, um darauf hinzuarbeiten, was da kommen könnte. Ich habe jetzt auch meinen B-Schein als Trainer gemacht. Dass da natürlich ein „cut“ da ist, man seit dem 30.04. keinen Leistungssport mehr macht, es keine strikten Pläne gibt, man nicht zum Training, da hin, dort hin usw. muss, ist trotzdem ungewohnt, aber ich genieße es im Moment. Ich genieße die Zeit mit meinen Kindern und meiner Familie und es ist ganz, ganz wichtig für mich. Das letzte Jahr in Bremerhaven, wo die Familie nicht da war, war hart für mich, aber auch da muss man durch, um sich auf die Karriere nach der Karriere vorzubereiten.

Kinder, Familie, das ist ein gutes Thema. Leistungssport ist die vielleicht direkteste Adaption des Uralt-Themas der Menschheit „Fressen und gefressen werden“. Dazu gehört auch eine gewisse Portion Egoismus, ohne den man es nicht bis ganz an die Spitze schaffen kann. Positiver Egoismus in der Form von absoluter Konsequenz beim Verfolgen der Ziele, der sich auch andere unterordnen müssen. Das traf sicher auch deine Familie, z.B. in der letzten Saison. Es ist ja nicht nur für dich ein großer Einschnitt, sondern auch der Lebensrhythmus der Familie ändert sich ja in gewisser Weise genau so. Der Sportler, Ehemann, Familienvater war während der Karriere nicht so oft zu Hause, das war für die Familie vielleicht ungewohnt, der Ex-Sportler, immer noch Ehemann, immer noch Familienvater ist jetzt ganz oft zu Hause, das ist vielleicht genauso ungewohnt. Wie hat sich deine Familie darauf eingestellt?

Sven Schultze: Ich denke, die freuen sich! Es war ja auch so, dass ich mit meiner Frau jemanden hatte, der immer dabei war, die Kinder waren immer dabei, bis auf die letzte Saison in Bremerhaven, wo sie auch wegen der Schule nicht mit umziehen konnten. Mit dem Privileg Sportler zu sein, habe ich meine Kinder aufwachsen gesehen und viel Zeit mit ihnen verbracht. Andere verlassen früh das Haus, da sind die Kinder noch nicht aufgestanden und kommen abends wieder, da sind die Kinder schon im Bett. Da hatte ich als Sportler eine bessere Situation und meine Kinder ganz anders erlebt, als jemand, der einen Bürojob hat. Ich denke mal, sie genießen es, es ist ungewohnt, dass der Papa so viel da ist, aber trotzdem schön.

Deine Frau hat dir aber noch nicht mal so ganz dezent die DVD von Loriots Klassiker „Pappa ante portas“ hingelegt?

Sven Schultze: Nee, hat sie noch nicht, aber ich kriege immer schöne to-do-Listen, was ich alles machen und erledigen muss. Und die werden dann abgearbeitet.

Aber palettenweise Senf für die nächsten 20 Jahre hast du noch nicht gekauft?

(lacht) Nee, nee, das habe ich noch nicht gemacht.

Wie geht es jetzt beruflich für dich weiter? Mit 37 bist du ja noch viel zu jung, um dich zur Ruhe zu setzen. Was hast du konkret vor, könnte Alba bei den Plänen eine Rolle spielen?

Sven Schultze: Leider wird es in dieser Saison noch nichts direkt bei Alba, aber die Tür ist von beiden Seiten für die Zukunft absolut offen. Nach Gesprächen mit Mithat Demirel (Anm. der Red.: Mithat Demirel ist neben seiner Tätigkeit als ALBA-Sportdirektor auch Vizepräsident des BBV) werde ich jetzt als Assistenztrainer beim Berliner Basketballverband reinschnuppern und dort mit den Jungs trainieren. ALBA und der BBV arbeiten im Rahmen des PULS-Projekts seit einigen Jahren gemeinsam an der Weiterentwicklung des gesamten Berliner Basketballs. Weiterhin werde ich die Ausbildung zum Sport- und Fitnesstrainer weiter verfolgen, Praktika machen, hospitieren, den Reha-Bereich angehen, habe ja meinen B-Schein gemacht. So eine Art Kombination Trainer – Fitness, das ist es, worauf ich hin arbeite. Athletiktrainer in Verbindung mit Basketball, mal schauen, wie das aufgeht. Dem Basketball möchte ich gerne treu bleiben, habe auch schon mal kurz beim DBB bei der U18 reingeschnuppert, aber zu Alba habe ich natürlich auch immer noch Kontakt.

Toi, toi, toi und viel Glück für deine Zukunftspläne.

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