Niels Giffeys Weg vom Nachwuchstalent zum Profi

Niels Giffey im Interview
Niels Giffey im Interview

Die Geschichte von Niels Giffey als Sportler ist kurz, gerade, erfolgreich. NBBL-Vizemeister, NBBL-Meister, zweifacher NCAA-Collegemeister (zweitgrößtes Sportereignis in den USA nach dem super bowl), Profi-Vertag bei Alba Berlin inklusive Euroleague-Teilnahme – da ist bisher nicht viel schief gelaufen! Mit alba-inside sprach der vielseitig einsetzbare Forward (über dessen Wechsel wir schon vor Monaten, im April, spekulierten) über die erfolgreiche Vergangenheit, Nachwuchs-Basketball in den USA und Deutschland und natürlich auch über seine Hoffnungen und Erwartungen für die Zukunft.

Hallo Niels Giffey, wir von alba-inside haben deinen Weg verfolgt, seitdem du zu Albas NBBL-Team gewechselt bist und freuen uns für dich, daß dein Weg über NBBL und College zum Profi voll aufgegangen ist. Dazu erst mal Herzlichen Glückwunsch. Bevor wir auf deine aktuelle Situation zu sprechen kommen, möchten wir noch einmal einen Schritt zurück in den Jugenbereich machen. Spätestens nach dem Ende der Nachwuchs-Bundesliga NBBL kommt man als Spieler mit Talent und Willen, ernsthaft den Lebensweg als Basketballer weiter zu gehen, an einen Punkt, wo man sich die Frage stellt, ob man zunächst ans College geht oder es gleich als Profi in z.B. der ProA oder BBL versucht. Du hast dich fürs College entschieden und der Plan ist perfekt für dich aufgegangen, aber mal ganz generell, welche Fragen sollten sich junge Spieler in der Situation stellen, um für sich die richtige Entscheidung für oder gegen das College, für oder gegen den direkten Weg zum Profi, zu treffen?

Niels Giffey: Als erstes sollte man einen Blick auf das aktuelle Programm werfen, in dem man sich gerade befindet und sich fragen, kann ich den Weg zu Hause gehen, möchte ich das, wie gut sind meine Chancen, dass ich mal realistische Aussichten habe, es in den Kader schaffe? Habe ich Leute, die an mich glauben und mich pushen wollen? In meiner Situation was das College einfach interessanter. Ich hatte schon immer das Bewusstsein, dass ich noch etwas neben dem Sport machen muss. Ich kann nicht 24 Stunden am Tag Basketball machen, 18 Stunden reichen, ich muss noch ein, zwei Stunden etwas anderes machen. Da hat sich das College einfach angeboten. In Deutschland gibt es keinen Weg, parallel Schule und Sport auf dem level miteinander zu verbinden. Das wird in Deutschland einfach nicht angeboten. Neben der grundsätzlichen Frage ob College oder BBL ist es genauso wichtig, sich für das richtige College zu entscheiden bzw. für das richtige erste Profiteam. Es ist nicht einfach, in den USA Fuß zu fassen, es ist ein steiniger Weg, aber ich habe relativ viel Glück gehabt bei meiner Wahl bzw. mich vorher auch intensiv erkundigt. Es war für mich am Ende des Tages absolut die richtige Entscheidung.

Es sind aus deiner Sicht also nie nur die rein sportlichen Fragen, die man sich stellen sollte?

Niels Giffey, Blick immer nach oben; Foto: Alba Berlin
Niels Giffey, Blick immer nach oben; Foto: Alba Berlin

Es war für mich immer wichtig, dass ich in einem sozialen Umfeld bin, wo ich mich wohl fühle. Ich kann nur optimale Leistungen bringen, hart arbeiten und ein Teamplayer sein, wenn die Leute in meinem Umfeld mir wichtig sind und ich mich wohl fühle. Wenn ich mich nicht wohl fühle, kann ich für die Leute auf dem Feld nicht gerade stehen und so tun, als ob ich der top Teamspieler bin, wenn ich die Leute gar nicht mag. Deshalb ist es wichtig, eine Situation zu finden, wo man sich wohl fühlt, gefördert und letztendlich auch heraus gefordert wird. Ich wollte schon immer mal aus Berlin raus, mehr von der Welt sehen, als den Prenzlauer Berg und die Max-Schmeling-Halle. Das College war auch diesbezüglich eine perfekte Situation für mich.

Du hast beide Welten erlebt, sowohl den College-Basketball in den USA als auch das Nachwuchs-System in Deutschland. Siehst du Dinge, die der deutsche Basketball in diesem Bereich vom amerikanischen System übernehmen, adaptieren, implementieren könnte?

Wenn du als junger Spieler nach irgend jemandem suchst, den du Fragen kannst, wenn du zum Beispiel deinen Wurf verbessern willst, findest du überall jemanden, der schon mal auf dem College gespielt hat oder Coach war und Ahnung vom Spiel hat. Es gibt immer eine Halle, in die du gehen kannst. Du findest immer Leute, gegen die du 5 gegen 5 spielen kannst. Es ist so ähnlich wie in Deutschland, wenn du auf den Bolzplatz gehst, da wirst du auch zu fast jeder Zeit jemanden finden, der Fussball spielen kann. Aber probier mal im Sommer ein vernünftiges Basketball-Spiel auf die Reihe zu kriegen; in der Hauptstadt! In Berlin! Das ist manchmal ein Problem. Es ist in den USA ganz einfach eine andere Kultur, in Deutschland ist Basketball nun mal eine Randsportart. Ich konnte in den USA ganz einfach nachts um ein Uhr in die Halle gehen, ich fand immer einen Weg in die Halle und ich hatte Leute, die ich nachts um Eins anrufen konnte um ihnen zu sagen ‚Ich brauche dich um 1:30 Uhr in der Halle, um an meinem Wurf zu arbeiten. Ich habe heute nicht getroffen, ich muss an meinem Wurf arbeiten‘ und dann sind die gekommen. Diese Kultur und Professionalität fehlt in Deutschland noch.

auch das Hochschulsystem ist in den USA und Deutschland sehr unterschiedlich, in Deutschland zu 100 % auf die Ausbildung ausgerichtet, in den USA findet man mehr Möglichkeiten für Sport oder Kunst dank Stipendien …

Ja, man findet durch „nicht-akademische“ Talente den Zugang zu den Universitäten. Ganz ehrlich, meine Familie und ich hätten uns das ohne Stipendium auch nicht leisten können. Keiner von meinem Team hätte sich das wahrscheinlich leisten können. In Deutschland helfen basketballerische Fähigkeiten an der Uni gar nicht, stören noch eher.

Die College-Karriere ist großartig gelaufen und hat zwei Titel gebracht, für die NBA hat es trotzdem nicht gereicht. Woran lag es?

Ich wurde auf dem NBA-level von den Entscheidern als absoluter Spezialist eingeschätzt, der Dreier wirft und verteidigt, die Amis nennen das „Three and D“. Es hängt von Kleinigkeiten ab, man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Für mich hat das nicht gepasst. Ich hatte zu den Utah Jazz ein gutes Verhältnis, die hatten auch an mir Interesse und mir auch letztendlich ein Vertragsangebot gemacht, das aber nur wenig Garantien enthielt. Das zeigte mir, das sie nicht das absolute Vertrauen in mich hatten. Sie waren zwar generell bereit, in mich zu investieren, jedoch nicht mit der allerletzten Konsequenz. Die Chancen, im November wirklich im NBA-Kader zu stehen, habe ich nicht hoch genug eingeschätzt.

Wenn du die Wahl hättest zwischen einer definierten Spezialrolle wie z.B. Three and D in der NBA oder einer größeren Rolle in einem europäischen Team mit mehr Spielraum und Freiheiten, würde sich dann die Frage überhaupt stellen oder hätte immer die NBA die Priorität?

(überlegt kurz) … wenn ich eine wirklich realistische Chance hätte, dann NBA! Das ist einfach ein Kindheitstraum eines jeden Basketballers … und es gibt ja auch „Three and D“-Spezialisten, die in der NBA Karriere gemacht haben … wie z.B. Bruce Bowen.

Du hast im Sommer bei der Nationalmannschaft ausgesetzt, weil du dich physisch und mental ausgelaugt gefühlt hast. Wie geht es dir diesbezüglich jetzt, ist alles wieder behoben, sind die Akkus wieder aufgeladen?

Ja, das ist alles wieder in Ordnung. Ich hatte im Sommer absolut keine Pause gehabt. Ich hatte am Montag das letzte Spiel mit Uconn (Anm.: University of Conneticut) gehabt und am folgenden Sonntag bereits schon wieder ein Vorbereitungsturnier in Vorbereitung auf den draft für die NBA spielen. Ich hatte mal drei Tage Pause, mal vier, aber eine wirklich längere Pause hatte ich den ganzen Sommer über nicht. Dann kamen noch familiäre Geschichten dazu, für die ich mir Zeit nehmen musste. Ich habe das mit den Trainern der Nationalmannschaft entsprechend besprochen und wir haben dann gemeinsam diese Entscheidung getroffen. Ich wäre an dem Punkt, wo ich für die Nationalmannschaft hätte fit sein müssen, einfach nicht fit gewesen. Das hätte alles keinen Sinn ergeben. Da muss eh jeder in sich selbst hinein hören, was der Körper sagt und dann seine individuelle Entscheidung treffen.

Nun steht die erste Profi-Saison vor der Tür … drei Jahre bei Alba Berlin. Am College spielt man ja gegen ungefähr Gleichaltrige, in der BBL oder Euroleague trifft man auf deutlich erfahrene Gegner. Was sind so generell die größten Unterschiede zwischen Collegesport und dem Profisport für dich?

Das Spiel am College ist athletischer. Generell wird im amerikanischen Basketball mehr über Athletik und individuelle Fähigkeiten versucht zum Erfolg zu kommen. In Europa wird mehr auf taktische Dinge, Teamtaktik wert gelegt, es kommt auch mehr auf Teamchemie an. 30Jährige sind vielleicht nicht mehr die Schnellsten, können aber die Spielsituation und das pick & roll perfekt lesen und analysieren. Solche Spielertypen haben im europäischen Basketball absolut die Nase vorn, solche Veteranen können durch Erfahrung das Spiel Stück für Stück auseinander nehmen.

konzentriert beim warm up
konzentriert beim warm up

Du hast inzwischen deine Mitspieler bei Alba kennengelernt und auch die taktische Ausrichtung. Was ist die generelle Spielidee?

Wir sind ja ein relativ junges Team, coole Typen, die das Ganze nicht zu ernst nehmen und auch mal einen Spaß einstreuen. Aber ernsthaft genug und interessiert an Detailfragen, an allem, was die Coaches vermitteln wollen. Wir wollen Teambasketball und aggressive Defense spielen. Wir wollen schnell spielen und in der Offense einen guten Mix, eine gute Balance, aus inside game und dem Spiel von aussen finden.

Sasa Obradovic ist ein sehr emotionaler, expressiver Typ, der auch mal „explodiert“ und aus der Ferne betrachtet manchmal fast schon aggressiv wirkt, du hingegen wirkst eher zurückhaltend und introvertiert. Wie passt das zusammen, habt ihr einen Weg gefunden, miteinander klar zu kommen?

Ich komme eigentlich recht gut mit ihm klar. Er ist sehr fordern, ein Perfektionist, ein absoluter Perfektionist! Mit einer jungen Truppe wird nicht immer alles perfekt laufen, sich dann von der Emotionalität nicht anstecken zu lassen, nicht hektisch zu werden, sich auf die Basics zu konzentrieren, ist glaub ich die Kunst, um gut mit dem Coach klar zu kommen. Man muss sich bemühen, zu verstehen und umzusetzen, was er von einem will. Und hinter aller Emotionalität steckt auch jede Menge Herzblut. Er ist, wie gesagt, sehr fordernd, sehr nach aussen gehend, aber man bekommt von ihm auch jede Menge positive Motivation.

Du wirst selbst ja auch noch an dir arbeiten müssen und wollen. In welchem Bereich bzw. welchen Bereichen siehst du noch Nachholbedarf für dich?

Wie vorhin gesagt, von den „Veteranen“ kann ich noch eine Menge lernen, z.B. wie das europäische Spiel so tickt, mein pick & roll muss ich auch noch verbessern. Das Spiel auf der weak side, Bewegung ohne Ball, da gibt es noch viel zu tun … Mit Cliff [Anm.: Clifford Hammonds], Reggie [Anm.: Reggie Redding] und John [Anm.: Johnathan Tabu] haben wir da sehr erfahrene guards im Team, die das Spiel gut analysieren und von denen man im taktischen Bereich eine Menge lernen kann.

Über deine positionstechnische Rolle im Team wird viel diskutiert, der Coach meinte auch, er sieht deine Rolle auch ab und an mal auf der großen Flügelposition. Kannst du dir das selbst auch vorstellen? Gegenüber power forwards wie Jamel McLean hättest du ja physisch ein paar Nachteile …

ja, aber Jamel ist eher ein Vierer der inside spielt. Gerade im europäischen Basketball werden auch „stretch four“ gebraucht, Vierer, die auch von aussen werfen können, mit denen man pick and pop spielen kann. Wir werden in der Situation sein, viele pick and rolls switchen zu können. Gerade gegen kleinere Teams, die etwas beweglicher sind, die mobiler auf der Vier und Fünf aufgestellt sind, werde ich auch in der Defense helfen können. Wir werden auch Situationen haben, wo wir pick and pop spielen und mismatches kreieren können. So kann ich dem Team auch gut auf der Vier helfen.

Du wirst von den Medien selbst, aber auch von Alba, „medial“ oft nach vorne gestellt. Ist das „Lust“, in dem Sinne, daß es dir zeigt, daß du wichtig für das Team und die ganze Organisation bist, oder „Last“, da das ja auch Zeit und Energie kostet?

Ich glaube beides. Natürlich ist durch die Erwartungshaltung ein gewisser Druck da, aber den meisten Druck mache ich mir selbst. Als deutscher Nationalspieler bin ich mir meiner Rolle schon bewusst und stehe da natürlich in den Medien ein bisschen vorne. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch eine schöne Story für den Verein. Ich habe drei Jahre hier in der Jugend in der NBBL gespielt und es zeigt einfach auch, daß da gute Arbeit gemacht wurde. Ich hoffe einfach, daß das einige junge Leute motivieren kann, die sehen, daß ein „Berliner Junge“ das Programm von Alba durchlaufen ist und es geschafft hat. Mit Coach Obradovic haben wir hier auch einen Trainer, der die jungen Spieler fördert und fordert. Vielleicht kann ich als gutes Beispiel – auch über die Presse vermittelt – dienen, dass junge Spieler sehen, daß man es aus der Alba Jugend bis zum Profi schaffen kann. Das sehe ich positiv in Bezug auf die Presse.

Würdest du sagen, daß die Situation für junge Spieler wie Moritz Wagner, der mit 17 Jahren die Vorbereitung immerhin mitmacht oder Ismet Akpinar besser ist, als zu deinen Zeiten?

Absolut, auf jeden Fall! (murmelt) … wie hiess der noch mal … Pavicevic, hat mich zwei, drei Mal zum Training eingeladen. Das wars! Mehr nicht. Natürlich hat sich durch die Quotenregelung für deutsche Spieler etwas zum Positiven bewegt. Das macht Druck auf die Vereine, die Ausbildung und vor allem Einbindung deutscher Spieler ernsthafter anzugehen. Die Chancen, wirklich nach vorne zu kommen und sich zu verbessern, sind für junge, deutsche Spieler heutzutage sehr viel besser, als vor vier, fünf Jahren.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Glück für bevorstehende, hoffentlich lange und erfolgreiche Saison in der deutschen Basketball Bundesliga sowie auf internationalem Parkett in der Euroleague.

hier geht es zu einer kurzen video-message von Niels Giffey.

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