
In der langjährigen Vereinsgeschichte von Alba Berlin gab es immer mal wieder durchwachsene oder turbulente Saisonvorbereitungen. Neuer Trainer, verletzte Leistungsträger, späte Nachverpflichtungen, strapaziöse Reisen oder einfach neu verpflichtete Spieler die, kaum in Berlin aus dem Flugzeug gestiegen, plötzlich einige Zentimeter kleiner als erwartet waren und direkt wieder den Heimflug antreten konnten, sind nichts Neues.
In diesem Sommer ist aber, mit Ausnahme der geschrumpften Spieler, alles auf einmal zusammengekommen. Nach vier Jahren unter Sasa Obradovic, wurde mit Ahmet Caki ein neuer Trainer verpflichtet, hinzu kamen zahlreiche Neuverpflichtungen, die schwere Verletzung von Malcolm Miller und eine kurzweilige Reise nach China, die der Mannschaft mehrere Tage Vorbereitung gekostet haben dürfte. Unruhe verursachten auch die Vertragsstreitigkeiten mit Brandon Ashley, daraus resultierend die späte Ankunft der neu akquirierten Tony Gaffney und Paul Carter. Ebenfalls sehr spät zur Mannschaft stießen die Nationalspieler Elmedin Kikanovic, Niels Giffey und Akeem Vargas. Wohin man auch blickte: Unruhe. „So wünscht man sich keine Vorbereitung“, fasste Marco Baldi die Situation treffend zusammen. Insofern sind die durchwachsenen Ergebnisse (4 Siege / 4 Niederlagen) der Testspiele nicht wirklich aussagekräftig.
Trotz mehr als einem Monat Saisonvorbereitung, dürfte der Start gegen Bonn also noch zu früh für dieses Team kommen. Den Kopf in den Sand zu stecken bringt aber nichts, die Mannschaft wird Teamchemie und Zusammenspiel nun halt im Verlaufe des Saisonauftakts entwickeln müssen. Lieber ein Kaltstart, als ein unrühmliches Saisonende. Abgesehen davon, darf man extrem gespannt sein, in welche Richtung der Weg gehen wird.
Neuer Trainer, neue Ideen, alte Philosophien
Viele Blicke werden sich auf Ahmet Caki richten. Oder auch nicht. An der Stelle, an der Sasa Obradovic vier Jahre lang rumbrüllend und mit hochrotem Kopf die Aufmerksamkeit auf sich zog, dirigiert nun der junge türkische Trainer. Caki kann zwar auch mal laut werden, ist aber insgesamt in der Außenwirkung wesentlich ruhiger und auch aufmunternder zu seinen Spielern. Nicht nur in der Außenwirkung unterscheiden sich die beiden Trainer, sondern auch bei der Spielphilosophie. Bei Obradovic ging der Ball meist in Brettnähe, die Offensive wirkte kontrolliert, oft aber auch sehr statisch. In den Testspielen war mit Caki eine stärkere Fokussierung auf die Guards zu erkennen, der Ball wurde phasenweise gut bewegt, jedoch spielte das Team meistens ohne die fehlenden Ashley bzw. Gaffney und Kikanovic. Mit den später eingetroffenen Spielern bieten sich nun mehr Optionen. Auch ohne Obradovic wird, natürlich, weiterhin Wert auf aggressive Defense gelegt. Die Teams von Cakis Vorgänger agierten sehr oft physisch bis destruktiv, ob der Türke eine ähnlich Verbissenheit erwünscht, bleibt abzuwarten. Geändert hat sich nicht der Ansatz, Spieler weiter zu entwickeln und zu verbessern. „Fertige“ Spieler wie z.B. ein Johnson oder Gaffney werden bei Albas finanziellen Mitteln wohl eher die Ausnahme bleiben.
Der Kader: Neue und alte Gesichter

Kader-Übersicht (in Klammern Vertragsende), fett markierte Namen besitzen keinen deutschen Pass:
Guards:
– Peyton Siva (2018) / Ismet Akpinar (2017)
– Dominique Johnson (2018) / Engin Atsür (2017) / Akeem Vargas (2017)
Forwards:
– Dragan Milosavljevic (2017) / Niels Giffey (2017) / Malcolm Miller (2018)
– Tony Gaffney (2017) / Paul Carter (2016) / Jonathan Malu (2017)
Center:
– Elmedin Kikanovic (2017) / Bogdan Radosavljevic (2019)
Die wichtigsten Änderungen am Kader wurden auf der Point Guard Position vorgenommen. Während Jordan Taylor und Will Cherry es nicht schafften, das Spiel zu lenken und die richtigen Entscheidungen zu treffen, hat nun Alba mit Peyton Siva wieder einen richtigen „Kopf“ der Mannschaft. Siva kann seine Mitspieler in Szene setzen, besitzt auf der anderen Seite auch die Fähigkeit, selber zum Korb zu ziehen. Körperlich dürfte der Guard auch defensiv den Takt vorgeben. Unterstützt wird Siva von einem jungen und einem erfahrenen Deutsch-Türken: Ismet Akpinar geht in sein letztes Vertragsjahr und soll noch einen weiteren Schritt machen. Der 21-Jährige war einer der wenigen Lichtblicke der vergangen Spielzeit und kann sich immer mehr zu einem spielgestaltenden Aufbauspieler entwickeln. Dabei helfen kann ihm sicherlich Engin Atsür, der ebenfalls als combo-guard eingesetzt werden kann. Trotz seiner 32 Jahre zeigte sich Atsür in der Vorbereitung öfters mal als Heißsporn, der viel mit den Schiedsrichtern diskutiert.
Ein großes Manko der Vorsaison, nämlich ein fehlender Distanzschütze, wurde mit der Verpflichtung von Dominique Johnson behoben. Alba hat endlich wieder einen Spieler, der die Distanzwürfe regelmäßig treffen kann und den die gegnerische Verteidigung wirklich respektieren muss. Dadurch öffnen sich auch Lücken für Spieler wie Siva oder Milosavljevic, aber auch für die Center. So konnte z.B. Frankfurt im vergangenen Jahr Albas einzige verlässliche Scoring-Option, Elmedin Kikanovic, aus dem Spiel nehmen, weil seine Mitspieler die Distanzwürfe einfach nicht trafen. Gespannt sein darf man auch Malcolm Miller, sobald er wieder fit ist. Der Flügelspieler bringt unglaubliche Athletik mit. Ob er aber auch genug Masse mitbringt, um als Power Forward auszuhelfen, darf bezweifelt werden. Erfahrung und Distanzwürfe zeichnen auch Tony Gaffney aus, der trotz seiner 32 Jahre immer noch ziemlich athletisch ist. Damit passt er gut zum diesjährigen Kader, der ansonsten ziemlich guardlastig ausfällt. Da fallen Elmedin Kikanovic und Bogdan Radosavljevic eher aus dem Raster. Beide Center bringen Masse und gutes Offensiv-Potential, sind dafür etwas langsamer auf den Beinen. Die Rolle des Bigman wird hier immer noch klassisch interpretiert. Ergänzend werden wohl Jonathan Malu, aber vielleicht auch Tim Schneider, zu einigen Minuten Einsatz kommen.
Wo geht die Reise hin?
Auf den ersten Blick wirkt der Kader von Alba recht stimmig. Zwar sind die Bigmen-Positionen recht dünn besetzt, dafür soll das Spiel wohl auch mehr auf die Flügelpositionen verlagert werden. Es gibt mit Siva wieder einen echten Anführer, Spieler die für sich selber einen Wurf kreieren können wie Milosavljevic, Siva und Johnson, viel Athletik, Schützen und verlässliche Offensiv-Optionen am Brett. Bleibt das Problem der fehlenden Vorbereitung und sonstiger Querelen. Der Auftakt könnte holprig werden, ein frühes Aus im Eurocup ist nicht unwahrscheinlich und auch in der Liga dürfte man öfter Lehrgeld zahlen dürfen. Gegner wie Ulm, Frankfurt, München, Bilbao und Moskau dürften für das Team noch zu früh kommen. Wie viel Vertrauensvorschuss wird die Mannschaft und Ahmet Caki erhalten? Immerhin ist der Spielplan in den ersten Wochen nicht allzu eng getaktet, sodass einige freie Trainingstage bleiben. Einen schlechten Saisonstart werden sicherlich alle hinnehmen, sofern diese Saison endlich mal in den Playoffs wieder der beste Basketball gespielt wird. Bis dahin ist es allerdings noch ein sehr weiter Weg.