… oder neue Männer braucht das Land!
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Fast dreissig Jahre nach dem die sog. Neue Deutsche Welle (NDW) auf dem Höhepunkt der Bewegung war, scheint sie nun zu Alba Berlin geschwappt zu sein; gut drei Jahrzehnte nachdem Ina Deter neue Männer für das Land brauchte, braucht sie Alba Berlin in vermehrtem Maße für das neue Team.
Der x-te Umbruch scheint sich nahtlos in die mehr oder weniger starken Teamveränderungen in der offseason der letzten Jahre einzufügen und doch wirkt er dieses Mal anders als in den offseasons zuvor. Unter dem Motto „Erfolgreiche Teams bleiben zusammen, nicht erfolgreiche nicht“ wurden seit 2010 mit wechselnden Coaches auch die Teams immer wieder nahezu komplett ausgetauscht. Vom letzten Team, das noch von Luka Pavicevic zusammen gestellt wurde, konnte oder wollte der neue Coach Gordon Herbert aus der Rotation nur Heiko Schaffartzik, Yassin Idbhihi, Derrick Allen und Sven Schultze behalten. Mit dem Wechsel von Gordon Herbert, der eine berufliche Auszeit von einem Jahr einlegte, zu Sasa Obradovic kam wiederum ein großer Umbruch, nur Schaffartzik, Idbihi und Schultze blieben aus der Rotation.
Einen neuen Coach – der einen Komplettumbruch erklären könnte – gibt es zur kommenden Saison nicht, den Umbruch gibts trotzdem. Warum? Diese Frage stellen sich aktuell viele, auch wir. Einige Spieler wollen nicht mehr, weil sie andernorts mehr verdienen können oder die Karriereleiter hinauf steigen wollen. Wieder andere, hauptsächlich die Nachverpflichtungen, haben sich nicht unbedingt durch ihre Leistungen für einen neuen Vertrag aufgedrängt und bei noch anderen hat man den Eindruck, daß Alba nicht alles daran setzt, diese mit allen Mitteln halten zu wollen, obwohl die Leistungen der abgelaufenen Saison aus vordergründiger Sicht durchaus für eine weitere Verpflichtung sprechen würden. Woran liegt das? Was könnte es für einen Erlärungsansatz geben?
Neues Konzept = Neuer Kader?
Es scheint offensichtlich, daß Kontinuität bzgl. des Kaders von Seiten des Coaches und des Managements gar nicht großer Konsequenz angestrebt wird. Offensichtlich ist ebenfalls, daß es bei der Ausrichtung des Kaders einen Wandel zu mehr Tiefe gibt. Eine Erkenntnis aus der vergangenen Saison mit über 60 Spielen, die gezeigt hat, daß eine Rotation mit 9 Spielern (wobei Sven Schultze oft nicht über Kurzeinsätze hinaus kam) für die Spieler bei dem angedachten aggressiven Spielstil deutlich zu kräftezehrend war und zum Ende der Saison die notwendige Energie fehlte. Darauf wird nun reagiert. Begonnen wird damit bei den deutschen Spielern. Aus dem ganz praktischen Grund, daß es von denen nur wenige gibt, die auf dem spielerischen level für die BBL sind und die Konkurrenz um diese wenigen Spieler groß ist. Erst wenn man weiß, welche deutschen Spieler man verpflichten kann, kann man die ausländischen Spieler dazu verpflichten. Da die Anzahl der Ausländer, die in der BBL auf dem Feld stehen dürfen begrenzt ist, geht mehr Tiefe nur über mehr einsatzfähige deutsche Spieler.
Ist überhaupt mit einem grundlegend neuen Konzept zu rechnen? Oder geht es nur um eine erfolgreichere Umsetzung des bereits bestehenden Konzepts? Dafür lohnt ein Blick zurück. Im Trainingslager hat alba-inside mit Headcoach Sasa Obradovic ein längeres Interview geführt. Darin äussert er sich auch zu seiner Spielidee, Arbeitsmoral und intellektuelle Fähigkeiten seiner Wunschspieler:
Wir haben […] mit Vule [Avdalovic] darüber gesprochen, was wir dieses Jahr auf dem Spielfeld erwarten können. Er hat gesagt, du magst aggressive Defense und eine kontrollierte Offensive. Was können wir erwarten? Wenn ich aggressive Defense höre, denke ich auch an viele Fastbreaks. Aber was ist mit kontrollierter Offense gemeint?
Ich bin natürlich ein defensiv ausgerichteter Coach. Wir haben natürlich einige individuell talentierte Spieler, aber jeder einzelne muss zu allererst gute Arbeit in der Verteidigung verrichten. Aus einer guten Verteidigung heraus, kann man viele einfache Punkte durch Fastbreaks erzielen. Das ist eine Sache. Wenn dies nicht funktioniert müssen wir eine Spielidee haben. Das bedeutet Kontrolle. Wir müssen wissen, wen wir angreifen, wieso wir ihn angreifen. Wir müssen die Missmatches auf dem Feld erkennen. Wenn man jemand mit Foulproblemen sieht, kann man Vorteile daraus auf den jeweiligen Positionen ziehen. Das bedeutet also, man hat eine Idee davon wen man attackiert. Das ist auch kontrollierte Offense. Für mich bedeutet es nicht, dass z.B. zuerst mindestens fünf Pässe gespielt werden müssen, bevor man den Abschluss sucht. Man muss zuerst eine Idee haben wen man attackiert und weshalb man das tut. Außerdem ist es für mich auch wichtig, dass wir mehrere Scorer haben und die Punkte gleichmäßig verteilt sind. Wir dürfen nicht von einem einzelnen abhängig sein. Wir brauchen viele verschiedene Waffen. Das geht auch durch eine kontrollierte Offensive: jeder Spieler ist involviert, kriegt den Ball und hat ein Gefühl für das Spiel. Das macht es wesentlich schwerer für den Gegner uns zu scouten.
Wir haben uns neulich nach dem Training kurz über die gute Intensität im Training unterhalten. Wenn du Spieler scoutest, spielt Arbeitsmoral für dich persönlich eine sehr große Rolle? Würdest du lieber einen Spieler mit einer sehr guten Arbeitsmoral und einigen spielerischen Schwächen verpflichten, als jemand der stärker ist und sich dafür nicht so reinhängt?
In diesem Sommer hab ich ein Buch eines berühmten Trainers gelesen. (John) Wooden. Er hat genau darüber geschrieben. Es gibt einen Satz, den man oft hört: Trainiere so wie du spielst. Wir werden immer so trainieren, wie wir auch spielen. Intensives Training gibt eine Reflektion des Spiels ab. Ich bin dafür da, dies zu gewährleisten und eine gewisse Philosophie einzubringen. Die Spieler müssen nur folgen. Ja, du hast Recht. Es gilt auch, die richtigen Spieler auszusuchen, die auch tun, was ich vorgebe. Die Spieler müssen mich zur Kenntnis nehmen. Wir haben einen Job den wir gemeinsam erledigen müssen. Harte Zeiten, die kommen werden, durch die wir gemeinsam durch müssen.
Wir haben über Fähigkeiten gesprochen. Welche intellektuellen Fähigkeiten schätzt du an Menschen generell und spezifisch an Spielern? Welche Schwächen akzeptierst du an Personen und Spielern am ehesten?
Mangelndes Talent werde ich an einem harten Arbeiter am ehesten übersehen. Wenn du mehrere gute Arbeiter hast, kommt immer etwas Positives raus. Die talentiertesten Spieler haben oft keine gute Arbeitsmoral, finde ich. Wir versuchen auch, danach unsere Spieler auszuwählen. Was die Intelligenz betrifft: es ist auch ein Talent, wie schnell ein Spieler Informationen aufnehmen kann und die Dinge dann auch übernimmt. Wir haben ein Team und Spieler mit gutem Basketball-IQ. Natürlich braucht alles Wiederholung: es gibt verschiedene Methoden, Trainingseinheiten, Systeme. Man kann nicht erwarten, dass alles einfach funktioniert. Wenn Spieler müde sind, machen sie Fehler, was normal ist. Wir arbeiten diesbezüglich auch daran, dass der Fokus und die Konzentration erhalten bleiben, selbst wenn die Spieler müde sind. Das ist besonders für die spielentscheidenden Momente im dritten oder vierten Viertel wichtig.
Die Umsetzung hat in der abgelaufenen Saison nicht so geklappt, wie erwartet und erhofft, aber ist deshalb zu erwarten, daß der Coach sein Konzept über den Haufen wirft? Eher nicht, er wird es wohl nur leicht adaptieren. Eine mögliche Anpassung kann die Verpflichtung von mehr Spielern für eine tiefere Rotation sein. Das scheint jetzt schon durch die aktuellen Verpflichtungen gelungen zu sein. Zudem scheinen die Spieler zu den Ideen und Aussagen von Obradovic vom letzten Sommer zu passen.
Neue Deutsche Welle
Einen Bogen zum Anfang geschlagen. Die deutsche Welle bei Alba Berlin wirkt tatsächlich neu.
Neu ist die Verpflichtung von jungen deutschen Spielern.
Neu ist die Verpflichtung von Spielern der zweiten Reihe.
Neu ist die Menge an verpflichteten deutschen Spielern.
Neu ist der vorprommierte Konkurrenzkampf zwischen deutschen Spielern.
Nicht jeder Punkt für sich, aber die Kombination aus diesen. Gewohnt war man in den letzten Jahren von Alba Berlin die Verpflichtung von wenigen hochklassigen, erfahrenen deutschen Spielern, möglichst Nationalspielern, sowie Perspektivspielern für das Ende der Bank, die sich in der Regel nicht gegen die etablierten in- und ausländischen Profis durchsetzen konnten. Nun kommen zu den verbleibenden Nachwuchsspielern Sebastian Fülle (20), David Herwig (20) neu Ismet Akpinar (18), Bar Timor (21), Akeem Vargas (23) und Jonas Wolfarth-Bottermann (23) zur Abteilung „Jugend forscht“ hinzu. Der „letzte Mohikaner“ Heiko Schaffartzik (29) und der aus Würzburg gekommene Neu-Albatros und Neu-Nationalspieler Alex King (28) bilden das deutsche „Oldie“-Duo bei Alba Berlin in der kommenden Saison. Sage und schreibe acht deutsche Spieler (die wir euch bei Gelegenheit im Detail hier vorstellen werden) stehen in der nächsten Saison unter Vertrag! Masse statt Klasse? Das wird die kommende Saison zeigen. Der voraussichtliche Abgang von Yassin Idbihi zu Bayern München wiegt schwer und ist ein tatsächlicher Verlust an Klasse. Darüber hinaus halten sich die „Verluste“ in Grenzen; Sven Schultze – über dessen Zukunft noch nichts bekannt gegeben wurde – wäre, bei einem möglichen Wechsel ein menschlicher Verlust abseits des Feldes, aber sportlich war sein Einfluss auf dem Feld in der letzten Saison doch relativ überschaubar. Das Mehr an Kadertiefe wäre schon erreicht, wenn nur 4 Spieler der deutschen Armada Bundesliga-Tauglichkeit nachweisen können; einige haben es bereits getan. Für den Saisonerfolg wird – neben der Qualität der noch zu verpflichtenden Starter – ausschlaggebend sein, wie gut und schnell sich diese hauptsächlich jungen Spieler über die Saison entwickeln werden.
Rolle zurück nach vorn?
Die sich abzeichende Teamstruktur spricht für eine klare Hierarchie. Im Idealfall hat man starke ausländische Starter und engagierte Backups. Ein Ansatz, mit dem Alba Berlin in den „goldenen Zeiten“ nicht schlecht gefahren ist. Dafür muss man einige Jahre zurück blicken. Nehmen wir das Team der Saison 1998/99, das seinerzeit mit einer klaren Hierarchie überzeugte. Geführt wurde das Team von – klar – Wendell Alexis, Kiwane Garris, Geert Hammink, den etablierten deutschen Spielern wie Henrik Rödl (30) und Patrick Femerling (24) sowie dem aufstrebendem Talent Marko Pesic (22). Dahinter kamen dann aber einige „junge Wilde“ wie Vladi Bogojevic (22), Jörg Lütcke (23), Robert Maras (20), Mithat Demirel (20), Stipo Papic (20), Sven Schultze (20) oder Stefano „Nino“ Garris (19), die gegen die Etablierten, aber auch gegeneinander, um die wenigen Minuten kämpften. Das waren Rollenspieler, deren Rolle hauptsächlich darin bestand, in wenigen Minuten viel Energie aufs Feld zu bringen und mit Defense, Defense, Defense den Gegner zu zermürben. Zu punkten, spielte eine Nebenrolle. Geschadet hat dieser enorme Konkurrenzkampf, viel Defense, wenige Punkte den meisten Nachwuchsspielern nicht, die meisten wurden später Nationalspieler. Geschadet hat es Alba Berlin auch nicht, die wurden mit diesem Konzept und diesem jungen Team mit acht Spielern, die 24 Jahre oder jünger waren, Deutscher Meister und Pokalsieger. Und das nicht nur wegen der unbestrichen hochklassigen ausländischen Profis sondern auch durch den Druck von unten durch den Nachwuchs.
Eine light-Version dieses Ansatzes könnte man in der kommenden Saison bei Alba wieder erleben. Das geht nicht in einem Jahr, aber der Anfang muss gemacht werden, die meisten Spieler haben einen Vertrag über mehr als eine Saison, sodaß sich ein Konzept mit Perspektive über mehrere Jahre entwickeln kann. Dafür bedarf es Geduld. Beim Verein, bei den Spielern und nicht zuletzt bei den Fans.
Wir drücken die Daumen und sind gespannt auf das neue alte „Konzept“!