Meisterschaft mit Mut

Nachdem am heutigen (19.05.) Dienstag die Politik die Ampel auf grün geschaltet hat, steht fest dass die easycredit Basketball Bundesliga die Anfang März aufgrund der Beschränkungen im Zuge der Sars Cov2 Pandemie abgebrochenen Saison Anfang Juni fortsetzen wird. Dabei bewegt sie sich in vielerlei Hinsicht – aus der Not heraus – auf unbekanntes Terrain.

Alba Berlin, EWE Basket Oldenburg, Pokal, easycredit Basketball Bundesliga
Der Pokalsieg von ALBA Berlin aus dem Februar wird nicht der einzige Titel der easycredit BBL Saison 2019-20 bleiben.

Viele hielten es für unmöglich, viele haben die Idee belächelt, einige laut gelacht und andere die Macher der BBL schlichtweg für verrückt erklärt, aber sie haben geschafft, was von Albanien bis Zypern nahezu kein Land in keiner Mannschaftssportart jenseits des allmächtigen Fußballs geschafft hat, nämlich die Meisterschaft zu Ende zu führen (Ausnahme Weißrussland, wo aber generell die bloße Existenz der Pandemie bestritten wird). Da kann man auch mal dezent den Hut lüften, das war alles andere als erwartbar.

Warum macht die BBL das überhaupt? Lt. Alba Berlins Manager Marco Baldi lässt sich mit dem geplanten Meisterschaftsturnier kein Geld verdienen, es kostet sogar welches, nach Meldungen in der Presse bis zu eine Million Euro. Den Grund, es trotzdem zu versuchen findet man in Aussagen („Das kleinere Übel„) von Rasta Vechtas Geschäftsführer Stefan Niemeyer. Dieser machte klar, dass die Entscheidung seines Vereins, an dem Meisterturnier teilzunehmen, weniger emotional als rational erfolgte. Die bei einem Abbruch der Saison entstehenden Regressforderungen der Partner der Liga und Vereine dermaßen hoch gewesen wären, dass sie wohl einigen Vereinen sprichwörtlich „das Genick“ hätten brechen können. In wirtschaftsdeutsch Insolvenz. Somit war der durchaus nicht risikoarme Versuch der Weiterführung für ihn und Rasta Vechta das kleinere Übel. Zu dieser Bewertung kamen insgesamt die zehn Vereine Brose Bamberg, ALBA Berlin, Crailsheim Merlins, Fraport Skyliners, BG Göttingen, MHP Riesen Ludwigsburg, FC Bayern München Basketball, EWE Baskets Oldenburg, ratiopharm Ulm und RASTA Vechta. Sieben Vereine kamen zu einer anderen Risikobewertung und beenden die Saison. Bei jedem Verein ist die individuelle Lage ein wenig anders. 

Besondere Situationen erfordern besondere Konzepte und auch ein gewisses Maß an Kreativität. Für alle war es Neuland, es gab und gibt keinerlei Erfahrungswerte, wie man in einer Pandemie so ein Turnier organisieren kann. Ein wenig konnte man sich in manchen Bereichen jedoch an König Fußball orientieren, bei denen ja bekanntlich schon wieder gespielt wird. Es galt, ein Konzept zu entwickeln, dass gleichzeitig Kontaktsport ermöglicht als auch eine Infektionsgefahr für alle Beteiligten minimiert. Heraus kam eine Turnierform, bei der alle Beteiligten an einem Ort abgeschottet werden und der Kontakt zur „Aussenwelt“ so gering wie möglich gehalten wird. In dieses geschlossene System dürfen nur nachweislich nicht infizierte Personen, die sich dann, so die Überlegung, auch nicht untereinander infizieren können. Als Ausrichter hat sich München durchgesetzt, die ein Komplettpaket aus Spielhalle, einem Hotel exklusiv für die am Turnier Beteiligten, einer Trainingshalle und kurzen Wegen anbieten konnten. Ein ganz wesentlicher Teil des Konzepts war der Punkt der Hygiene, der großen Raum einnimmt und eben ein Infektionsrisiko weitgehend mimimieren soll – bei allen Unwägbarkeiten, die die sich dynamisch entwickelnde Erkenntnislage zu Sars-Cov2 so mit sich bringen. Auch verbunden mit der Unwägbarkeit, dass von allen Beteiligten ein hohes Maß an Selbstdisziplin verlangt wird … beim Fußball gab es da durchaus negative Ausreißer nach unten. Das komplette, auf 48 Seiten zusammengefasste Fortführungskonzept kann an dieser Stelle nachgelesen werden.

Auch beim Spielmodus musste man kreativ werden. Den zehn Teams musste eine gewisse Anzahl an Spielen geboten werden, damit es sich für diese und deren Sponsoren lohnt. Das Gleiche gilt für die Sponsoren der Liga und den TV Partner magenta Sport. Auf der anderen Seite muss die Saison bis Ende Juni abgeschlossen sein, sodaß sich ein Zeitfenster von nur etwa drei Wochen auftat, indem man das Turnier über die Bühne bringen muss. So wird nun zunächst in zwei Fünfergruppen gespielt Jeder gegen Jeden. Dies dient der Ermittlung der Playoff-Duelle, die sich daran anschließen. Zwar mit Viertelfinale, Halbfinale und Finale, aber leider ohne den typischen Playoffmodus mit Best-of-Serien. Stattdessen Hin- und Rückspiel, was an einem neutralen Standort eigentlich nicht viel Sinn ergibt, sondern eher ein 80-Minuten-Spiel auf 2 Tage verteilt ist. Das klingt nicht besonders spannend, da hätte man auf einen besseren Modus gehofft. Vielleicht Viertelfinalspiele „best of 1“, Halbfinale und Finale „best of 3“. Eventuell waren das für die Teams, die nicht potentielle Halbfinalisten sind, zu wenig Spiele. Für die wird selbst der 9. Platz ausgespielt, was sportlich sehr fragwürdig ist. Aber auch diese Teams haben Interessen. 

Haare in der Suppe?

Wer Haare in der Suppe sucht, wird da mit Leichtigkeit fündig und dermaßen viele Haare finden können, dass Jimi Hendrix vor Neid erblassen würde. Besonders die, die auf dem Standpunkt stehen, dass alles, was nicht wie immer ist, einfach Mist ist. Ernst nehmen muss man natürlich die Bedenken, die bezüglich der Gefahr einer Infektion bestehen. Das Wissen über Sars CoV2 ist noch relativ gering und dessen Auswirkungen auch nicht komplett erforscht. Das gehört derzeit leider zum allgemeinen Lebensrisiko und kann für keinen Lebensbereich komplett ausgeschlossen werden. Da stehen natürlich in erster Linie die Spieler im Wind und es ist verständlich, dass sie sich Gedanken machen. Dass Spieler lieber vor Publikum als vor leeren Rängen spielen, ist da fast schon ein Luxusproblem. Da müssen die halt durch, jeder würde lieber in einer vollen, lauten Halle spielen, aber die außergewöhnliche Situation erfordert von allen Abstriche und die Rettung der Vereine (Arbeitgeber) sichert letztlich auch die Jobs der Spieler (Arbeitnehmer). Die gesamte Organisation besteht aus mehr, als nur den Spielern, hinter einem Spieler stehen ein Vielfaches an „normalen“ Arbeitnehmern wie Angestellten in der Verwaltung, Jugendtrainern usw. die auch gerne ihre Jobs gerettet sehen möchten. Für die trägt ein Spieler auch mittelbar Verantwortung. Im weiteren Sinne auch für die 10.000 Kinder, die bei Alba Berlin Woche für Woche trainiert werden. Medizinische Bedenken sind verständlich, aber für „macht ohne Zuschauer nicht so viel Spaß“ ist die Verantwortung der Spieler zu groß.

Auch Fans fremdeln mit dem Turnier. Die Playoffs sind verkürzt und vor allem fehlen sie, also die Fans, selbst und wenn sie nicht dabei sind, ist das alles nichts. Und sowieso sind die Teams teilweise nicht mehr komplett und auch in ganz anderer Form als Anfang März. Ja, die Playoffs sind verkürzt, notgedrungen, aber neun der zehn besten Teams der im März abgebrochenen Saison sind beim Turnier dabei. Es ist recht wahrscheinlich, dass auch bei regulärer Fortführung der Saison alle Playoffteams aus dieser Gruppe gekommen wären. Die Besetzung kann man nun wahrlich nicht als sportlich minderwertig bezeichnen. Der Punkt der Form ist so richtig, wie er alle Teams gleichermaßen betrifft. Einen Vorteil hat durch diesen Fakt niemand. Ja, es werden nicht alle Teams komplett sein, bei manchen werden ein, zwei Spieler fehlen, aber das kann einem in einer ganz normal verlaufenden Saison ebenso passieren. Gab es bis zum Abbruch Anfang März überhaupt ein einziges Spiel von ALBA, in dem sie wirklich alle Mann an Bord hatten? Ja, es fehlt die Wechselwirkung zwischen Teams und Fans! Beiden Seiten und beiden Seiten sehr. Die Bedeutung der Fans darf man nicht zu gering schätzen. Es geht aber zu weit, zu sagen, ohne Zuschauer wäre das kein Sport. Viele Randsportarten, die noch weiter am Rand stattfinden, als Basketball, haben dieses Problem immer. Die grundsätzliche Idee von Sport ist und bleibt, sich zu messen und den Besten zu ermitteln. Dass Sport heutzutage auch Teil der Unterhaltungsindustrie ist, ist nachgeordnet, nicht das Wesentliche. Auch beim Geister-Turnier ist das Spielfeld keinen Zentimeter kleiner, der Korb hängt kein Stück niedriger und es wird Fünf gegen Fünf gespielt. Um Spitzensportler zu werden braucht man eine gewisse Mentalität: Siegeswille! Wer es ganz nach oben schafft, bringt diesen mit. Wer auch immer zu einem Spiel aufläuft, auch wenn es komplett vor leeren Rängen stattfindet, will gewinnen und sich auch entsprechend reinhängen. Es wird keinen schlechteren Basketball zu sehen geben, mal abgesehen davon, dass die Spieler am Anfang noch ein wenig „eingerostet“ sein werden. Und es wird sich lohnen, die Spiele auch aus der Distanz anzusehen. Auch die, die jetzt noch fremdeln, werden es tun. Denn als Fan kann man ja auch nicht aus seiner Haut und wenn der eigene Verein spielt, wird man fast automatisch auch mitfiebern.

Also, Auf in das Abenteuer mit vielen Unwägbarkeiten! Lasset die Spiele beginnen!  

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