„Man muss immer schuften!“ Will Cherry im Interview

Will Cherry
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Will Cherry soll, gemeinsam mit Jordan Taylor, in der kommenden Saison das Spiel von Alba Berlin lenken. Für den US-Amerikaner ist Berlin gerade mal die zweite Station in Europa, nachdem er letztes Jahr sein Übersee-Debüt bei Zalgiris Kaunas feierte. Zuvor hatte Cherry einen kurzen Auftritt bei den Cleveland Cavaliers und somit an der Seite von Lebron James. Der sympathische 24-Jährige nahm sich noch um 23:30 Uhr abends ausreichend Zeit, um unsere Fragen zu beantworten…

Will, du bist vor zwei Wochen in Berlin gelandet. Wie oft wurdest du seit dem wegen Lebron James angesprochen?

(lacht) Ein paar Mal, aber noch nicht so oft. Jedes Mal wenn ich ein Interview gegeben habe, wurde nach Lebron nachgefragt. Allerdings habe ich bisher erst ein oder zwei Interviews gegeben. Mit ihm zusammen zu spielen war aber eine coole Erfahrung. Ich habe gelernt, wie die NBA-Spieler auf und abseits des Spielfeldes auf ihren Körper achten und wie Lebron sich vorbereitet. Es war ja nicht nur er, sondern auch Leute wie Kyrie Irving, Kevin Love oder Veteranen wie Shawn Marion, Brendan Haywood, Mike Miller. Lebron ist natürlich eine absolute Ausnahmeerscheinung. Es war mir eine Ehre, mit solchen Spielern zusammenzuspielen.

Eine der Überraschungen der Cavaliers war ja der unspektakuläre, bissige Verteidiger Matthew Dellavedova. Was war dein Eindruck von ihm?

Es war toll, einen Spieler wie „Delli“ zu sehen, der seine Würfe nimmt und teilweise sogar startet. Er hat wirklich tolle Playoffs gespielt, seinen Job erledigt. Er wurde ja in den Finals für seine Leistungen kritisiert, aber wenn du gegen Steph Curry verteidigen musst, kannst du nicht eine komplette Serie defensiv stark spielen. Er war einfach erschöpft, sie hatten ja auch keine Möglichkeiten mehr, ihm Pausen zu geben. Für seine Möglichkeiten hat sich Dellavedova sehr gut positioniert, seine harte Arbeit hat sich ausgezahlt.

Bevor du zu den Cleveland Cavaliers gekommen bist, hast du dich durch die D-League gekämpft. Kannst du uns vielleicht erklären wie hart, insbesondere mental, das sein kann?

Meine Situation war speziell, weil ich ja nur zwei Monate in der D-League gespielt habe. Ich musste also nicht durch all die schwierigen Phasen wie die anderen, die dort das ganze Jahr über spielen. Ich kam damals von einer Fuß-Verletzung, es war meine einzige Möglichkeit wieder schnell Spielpraxis zu sammeln. Es ist in jedem Fall eine Schufterei. Es geht da weniger ums Geld, dort wird ja nicht so viel gezahlt. Vielmehr muss man sich jeden Tag verbessern, an seinen Fähigkeiten arbeiten. Die NBA-Trainer schauen schließlich zu. Mir ging es nach dem College darum, zu spielen, an meinen Schwächen zu arbeiten. Das muss, vor allem in der D-League, immer dein Ziel sein, immer an dir arbeiten, dich verbessern und an das große Ziel denken. Es wird immer schlechte oder gute Tage geben, man darf sich weder zu sehr runterziehen lassen, noch zu sehr abheben. Man muss immer schuften.

Nach dem dein Vertrag mit den Cavaliers aufgelöst wurde, bist du zum ersten Mal nach Europa gekommen. Abgesehen von finanziellen Gründen, weshalb hast du dich für Europa entschieden und gegen einen erneuten Versuch in der D-League und der NBA?

Natürlich spielen die finanziellen Gründe immer die Hauptrolle. Aber abgesehen davon will ich unbedingt spielen und mein damaliger Trainer James Posey (Anm.: War Cherrys Trainer in der D-League, später Co-Trainer bei den Cleveland Cavaliers) hat mir eher davon abgeraten, weil das Niveau des D-League Teams im Verlauf der Zeit eher abgenommen hatte. Da dachte ich mir ‚Geh nach Europa, dort kannst du viel mehr Erfahrung sammeln und spielst auch mit / gegen die besten Spieler der Welt‘. Ich wollte also auf einem höheren Level spielen als in der D-League. Das hat perfekt geklappt.

Du erwähnst gerade die Euroleague. Wie schwer war es als Amerikaner, sich an den europäischen Basketball zu gewöhnen und sofort in der Euroleague zu spielen?

Es war sehr schwer. Ich habe fast zwei Monate gebraucht um einen Rhythmus zu finden. Die Regeln waren ja auch gewöhnungsbedürftig; keine „defensive 3 seconds“, mir wurden unzählige Schrittfehler abgepfiffen. Hier wurde auch wesentlich physischer gespielt, als ich es erwartet hätte. Ich merkte „Die lassen dich hier echt spielen“. Um ehrlich zu sein, war ich mental noch auf die NBA eingestellt, als ich angekommen bin. Ein bisschen war ich deswegen auch verbittert. Als ich das aus meinem Kopf bekommen habe, lief es gleich viel besser aber das hat halt gedauert.

Auch die kulturelle Umstellung?

(lacht) Auch das hat gedauert, am Anfang war ich schon mit den Steckdosen völlig überfordert und wusste erst mal nicht, wie ich mein Handy aufladen kann. Ich musste mir dann einen Adapter am Flughafen kaufen, das war verwirrend. Auch die Betten und die Hotels fand ich merkwürdig. Generell fand ich vieles eigenartig, aber das muss ja wohl so sein, ich war nicht in meinem Element.

Das bringt mich zu meiner nächsten Frage. In einem Artikel hast du vor Jahren mal gesagt „Ich brauche eine Stadt um mich herum, um mich heimisch zu fühlen“. Ist es jetzt in Berlin einfacher für dich?

(lacht) Gewaltig einfacher! Aber sowas von! Mein erster Gedanke war „Das ist ja wie in den Staaten. Das ist wie zu Hause.“ Man hat in Berlin alles was man braucht. Ich war noch nie ein Mensch der Heimweh hatte. Auch nicht, als ich z.B. ans College nach Montana gegangen bin. Aber Litauen war hart, Kaunas ist eine kleine Stadt. Eine coole Stadt, aber es war immer dasselbe. Zu Hause sitzen, zum Training fahren, Essen und mit meinem Teamkollegen James Anderson abhängen. Berlin ist eine große Stadt, ich bin noch nicht groß dazu gekommen, sie zu erkunden. Auch wenn ich nicht dort esse, Läden wie KFC, McDonalds oder Burger King verbindest du mit deiner Heimat. Das fühlt sich an wie ein sicherer Heimathafen. Abgesehen davon hat Berlin eine große kulturelle Vielfalt und ich bin gespannt in die Geschichte der Stadt einzutauchen. Bis jetzt konnte ich alles nur oberflächlich sehen aber ich habe ja noch 10 Monate vor mir.

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Will Cherry

Mal abgesehen von der Kultur, ist es richtig , dass du kein Fast-Food magst?

Nicht wirklich. Ab und zu hole ich mir vielleicht was aber insgesamt ist das nicht so mein Ding. Mal dort zu essen ist ok, aber mehr nicht.

Berlin hat ja auch kulinarisch etwas zu bieten.

Definitiv. Als ich hier frisch gelandet bin, haben mich Mithat [Demirel] und Thommy [Thorwart] in ein Restaurant gebracht. Ich weiß nicht mehr genau was genau es war, ich denke nicht türkisch. Es gab Reis und Hähnchen, das war extrem gut.

Wir stellen eigentlich jedem neuen Spieler diese Frage: Sasa Obradovic ist ein sehr spezieller, fordernder Coach. Ist das neu für dich? Wie kommt ihr miteinander aus?

Alles gut! Ich vergleiche Sasa wegen seiner Lautstärke gerne mit einem College-Coach. Um ehrlich zu sein erinnert er mich an meinen Trainer aus meiner letzten High-School-Saison. Der war auch sehr fordernd aber am Ende des Tages wollte er nur das Beste für mich und kümmert sich um einen. Das erkennt man auch in Sasa. Er will dich zum bestmöglichen Spieler machen und dass du auf dem Feld immer alles gibst. Sein Slogan ist: gib 101%. Nicht 100%! Sondern 101%! Das erwartet er von dir an jedem Tag. Er weiß, dass es auch mal schlechte Tage gibt, aber solange du alles gibst, kann er darüber auch hinwegsehen. Und er hat auch Recht so fordernd zu sein. Er macht das ja nicht nur, weil das sein Ding ist. Er zeigt einem wie man wirklich Basketball spielt und wie man sich erfolgreich weiterentwickelt. (lacht) Ich hab noch nie einen Coach erlebt, der so sehr von seinen Spielern will, dass sie aggressiv auftreten. Also, wir sollen punkten wollen, die richtigen Entscheidungen treffen. Und in der Defense soll man immer alles geben. Wie gesagt, er ist ein sehr fordernder Coach aber sein Herz ist am rechten Fleck. Am Ende des Tages ist er glücklich, wenn du alles gegeben hast.

Dein Kumpel Damian Lillard (NBA-Spieler), hat dich mal als „Straßenköter“ beschrieben, weil du hart spielst, aggressiv und furchtlos auftrittst. Das hört sich sehr nach Sasas Anforderungen an …

Ja so spiele ich, mit ganzem Herz! Letztes Jahr in Kaunas bin ich etwas davon abgekommen, vielleicht weil sie dort auch zu viel Kontrolle verlangt haben. Ich mag es mich aufzupushen, etwas zu provozieren, emotional zu spielen. Dann bin ich in meinem Element. Dann bin ich auch am besten fokussiert. Sasa mag das, er will dass du in den Kopf deines Gegners kommst und gleichzeitig fokussiert bleibst. So bin ich nun mal, ich weiche vor niemanden zurück.

Akeem Vargas und du, ihr könntet ziemlich gute Freunde werden … 

Auf jeden Fall! Akeem ist ein „Kettenhund“, ich liebe diese Art von Spieler. Akeem ist großartig.

Letzte Frage: Das große Ziel bleibt die NBA, oder?

Definitiv! Ich muss allerdings auch sagen, dass mir der Schritt nach Europa eine völlig neue Welt eröffnet hat. Wenn es mit der NBA nicht klappt, kann ich auch hier eine tolle Karriere haben. Ich will gewinnen und das höchste wäre dann die Euroleague. Da will ich hin, die Euroleague gewinnen! Natürlich ist die NBA das Hauptziel aber Europa kann man nie ausschließen.

Dann könntest du am besten damit anfangen, mit Berlin den Eurocup zu gewinnen!

Genau! Lasst uns den Eurocup gewinnen (lacht)!

Will, Danke für das Gespräch!

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