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ALBA Berlin hat auf die Verletzung von Center Dennis Clifford reagiert und sich für zwei Monate mit dem us-amerikanischen Center Clint Chapman verstärkt. Der 29-jährige ist trotz bereits einigen Jahren im Profi-Basketball für viele bisher noch ein unbeschriebenes Blatt, da die größeren europäischen Ligen einen Bogen um ihn gemacht haben … oder er um sie.
Die Situation war bescheiden: Dennis Clifford war mit einer Knieverletzung ausgefallen und lt Coach Aíto kann man nicht einschätzen, ob dieser in einem Monat oder in eine Vierteljahr zurück kehrt. Völlig ungewiss. Dass Ersatz für die Zeit her muss, diese Entscheidung war schnell getroffen, die Umsetzung jedoch alles andere als einfach, da mehrere Variablen aufeinander trafen, die sich schwer in Einklang bringen lassen. Zum einen ist nicht jeder Center für den Spielstil von Coach Aíto „gemacht“, der muss über sehr gute Fußarbeit verfügen, schnell und beweglich sein und gerne hätte es der Coach auf dieser Position auch richtig groß. Da muss man nur mal die Liste der Center von Aíto bei seinen bisherigen Stationen durchblättern. Zum anderen war der Zeitpunkt auch alles andere als ideal. So spät, dass viele Spieler bereits unter Vertrag standen, aber auch noch nicht so spät, dass die meisten freien Spieler die Hoffnung noch nicht aufgegeben hatten, noch irgendwo einen Vertrag für die komplette Saison zu bekommen, statt sich mit 2-Monats-Verträgen durchzuhangeln. Auch die Doppellizenzler waren keine echte Option, da diese mit Saisonbeginn in der ProB bei Lok Bernau gebraucht wurden und eh nur jedes zweite Training bei Alba mitmachen können. Da hieß es, auch mal abseits gewöhnlicher Wege zu schauen und das hat das Team um Himar Ojeda mit der Verpflichtung von Clint Chapman getan.
Clint who? Auch ausgewiesenen Kennern der internationalen Basketballszene dürfte dieser Name nicht viel sagen. Schließlich „flog“ Albas Kurz-Arbeiter weitgehend „unter dem Radar“. Fünf stat der üblichen vier Jahre am College verbrachte er bei den Texas Longhorns der University Texas at Austin, einem NCAA I College in der Big 12 Conference, das es aber im Tournament selten über die erste Runde hinaus schaffte. 2010-11 musste er ein komplettes Jahr (red shirt year) wegen Verletzung aussetzen. Bei 7,4 Punkten und 5,7 Rebounds und immerhin 1,6 Blocks war das zu wenig, um damit eine realistische Chance zu haben, in die Nähe des NBA Drafts zu kommen.
Somit ging er den Weg, den viele amerikanische Basketballer gehen, nämlich nach Europa. Nach dem Motto „Lieber ein großer Fisch im kleinen Teich“ zunächst in die europäisch gesehen eher drittklassige schweizerische Liga zu SAM Basket Massagno. Dort war er einer von gleich acht Ausländern, von denen einer Dan Fitzgerald war, der auch mal zwei Jahre für ratiopharm Ulm in der BBL gespielt hatte. Das Team schaffte in der Saison nur vier Siege, aber Chapman war Tospcorer (19,0) und bester Rebounder (8,5). Diese Werte waren gut genug, um ihm im folgenden Jahr eine Anstellung bei einem schweizerischen Top-Team, Fribourg Olympic, einzubringen. Auch bei diesem stärkerem Team konnte Chapman seine Werte halten (17,6 Punkte; 7,8 Rebounds), wurde wiederum Topscorer und Top-Rebounder und konnte mit Fribourg die schweizerische Vize-Meisterschaft holen.

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Bereit für den nächsten Schritt. Auch wenn die japanische Liga undurchsichtig wirkt, so sollte zumindest dort mehr gezahlt werden, als in der Schweiz. In Japan treten reine Firmenteams an, teilweise in verschiedenen Ligen, die nicht hierarchisch sind; das macht eine Einordnung und einen Vergleich schwierig. Zunächst spielte er für den Tabellen-Achten Hiroshima Dragonflies und wurde dort mit 15,3 Punkten Topscorer und drittbester Rebounder (7,2). Daran schloß sich ein Jahr beim Sechsten Chiba Jets an, für die der Neu-Berliner wieder bester Scorer wurde (16,9 Punkte) und die zweitmeisten Rebounds abgriff (7,8). Mit Brian Cook spielte dort ein 1st round pick mit 9 Jahren und 421 Spielen in der NBA. Mit Rick Rickert hatte er einen Mitspieler, der in der zweiten Runde gedraftet wurde, ab und an das NBA-Umfeld heran schnupperte (Summerleague etc) und auch mal eine Saison bei den MHP Riesen Ludwigsburg in der Basketball Bundesliga verbrachte. Oder DeQuan Jones, der auch schon für Cantu in der italienischen Liga und dem Eurocup als Starter spielte. Chapman war statistisch besser als alle diese Mitspieler. „Neues Jahr, neues Glück“ galt auch für die Saison 2016/17, in der Clint Chapman für Nigata Abirex auf Korbjagd ging und zweitbester Scorer und Rebounder (18,9 / 8,2) wurde, jeweils hinter Davante Gardner, dem MVP des renommierten Portsmouth Invitational Tournaments 2014. In der vergangenen Saison wechselte Chapman erneut. Für die Toyama Grouses erzielte er 14,7 Punkte und 6,7 Rebounds, kam aber – aus für uns nicht zu ermittelnden Gründen – nur 25 Spiele zum Einsatz. Immerhin waren es die letzten 25 Saisonspiele (ab März), sodass man wohl nicht von einer bestehenden Verletzung ausgehen muss. Obwohl das Team mit Dexter Pittman (4 Jahre NBA für Miami, Memphis und Atlanta) oder Drew Viney (Erfahrung in Frankreich, Polen, (kurz) in der ACB oder der Türkei) nicht schlecht besetzt war, reichte es nur für Platz 16 in der Liga. Seine season highs – 33 Punkte bzw. 13 Reboounds – sind trotzdem beachtlich.
Über den Sommer hat er sich unter anderem als Trainingsspieler beim Euroleague-Team Olympiakos Piräus fit gehalten. Bei einem Testspiel gegen Malaga hat er z.B. 17 Punkte mit einer Quote von 100 % und 8 Rebounds erzielt. Bei einem anderen Testspiel gegen Real Madrid allerdings auch bei 11 Punkten und 5 Rebounds 0/8 Dreier geworfen. Vermutlich wird er bei den Testspielen in Spanien auch dem Netzwerk von Aíto und Ojeda aufgefallen sein.
Wenn man sich das highlight video ansieht, fällt auf, dass er sehr beweglich und schnell auf den Beinen ist – sicher die wichtigste Anforderung von Coach Aíto an den Aushilfs-Center. Zudem hat er ganz gute Center und Spin-Moves drauf und einen guten Wurf bis hinter die Dreierlinie. In der letzten Saison hat er von 12,2 Würfen 3,4 aus der Dreierdistanz genommen und diese mit einer für Center ordentlichen Quote von 33 % getroffen. Für ihn spricht auch, dass er kein „Frischling“ ist, sondern schon einige Jahre Erfahrung sammeln konnte, die ja bei Center besonders wichtig ist.
Natürlich stellen sich bei einem Spieler, der mit 29 Jahren noch keinen Fuß in größeren Ligen fassen konnte. Er wird beschrieben als ein Spieler, der aus seinen körperlichen Möglichkeiten zu wenig macht. Zudem sind die Anforderungen des modernen Centers heutzutage ein wenig anders. Flexibel, beweglich, stark und sprungstark soll er sein – in etwa so wie Devin Booker von Bayern München. Chapman ist nur auf die Centerposition beschränkt, er ist zwar beweglich, aber springen tut er selten und wenn, dann passt kein Telefonbuch [für die Jüngeren: etwas aus Papier genannt „Buch“, wo früher mal Telefonnummern standen] drunter durch. Okay, vielleicht das von Klein Posemuckel, aber nicht das von Berlin. Muss er auch nicht unbedingt, denn neben 2,08 m Größe hat er auch noch eine beachtliche Spannweite. Er ist kein Wühler am Brett, geht nicht so oft dahin, „wo es weh tut“, sondern sucht eher den Abschluß aus der Mittel- oder Dreierdistanz. Er ist ein Center, der bei einigen Coaches nicht der Idealvorstellung entsprechen dürfte. Aber Aíto ist nicht jeder und zu dessen Vorstellungen könnte er mit seinen Fähigkeiten gut passen. Zudem wird er sehr bemüht sein, sich mit Leistung für einen guten Vertrag nach seinem Engagement bei ALBA zu empfehlen.