Interview mit Yassin Idbihi über Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, Dies und Das und vieles mehr.

Yassin IdbihiHallo Yassin, wie geht es dir? Was macht das Aussenband?

Hallo, Ja, es geht besser ich kann jetzt beim Laufen mitmachen, wie ihr beim Training gesehen habt. Ich kann halt noch keinen Kontakt machen. Also noch nicht richtig Kontakt, aber 5 gegen 0, Systeme durchlaufen, und so ganz normal laufen geht jetzt seit ein paar Tagen wieder, gottseidank.

Wann kannst du wieder voll ins Training einsteigen, ins Kontakttraining?

Das entscheidet sich danach, wie der Fuss reagiert, frühestens in zwei, drei Tagen, spätestens in einer Woche, ich gucke da von Tag zu Tag.

War es heute das erste Mal, dass du mit den anderen Jungs zusammen trainiert hast?

Ja heute war tatsächlich das erste Mal, wo ich was mit den anderen zusammen gemacht habe.

Und die letzten Tage waren nur Aufbautraining…

 … ja, genau, bisher war es nur Aufbautraining.

Die deutsche Basketball-Nationalmannschaft und du, ihr werdet keine Freunde mehr, oder? Das ist ja wie verhext … ihr versucht da jedes Jahr zusammen zu kommen aber es klappt einfach nicht.

 (lacht) … Das ist unglaublich! Das habe ich schon öfter gesagt, mit der Nationalmannschaft habe ich einfach kein Glück … vielleicht hätte ich statt für mein Mutterland für mein Vaterland spielen sollen … (lacht) … vielleicht hätte es dann besser geklappt. Aber es hilft ja nichts, dem hinterher zu trauern.

Wie hast du generell den Sommer bisher verbracht?

 Ich war richtig motiviert für die Nationalmannschaft, ich war richtig gut vorbereitet, gut vorbereitet auf die Nationalmannschaft, war gut in Form und dann habe ich mich verletzt und die letzten vier Wochen Reha gemacht, was natürlich richtig ätzend war.

Du bist jetzt der dienstälteste Spieler bei Alba?

 Ja? Das ist schön…

Ja! Zusammen mit Sven Schultze. Siehst du dich als eine Art Leader, Anführer, nimmst du mal die Spieler zusammen, redest du mit ihnen auf dem Feld?

Ich sehe es erst mal so: Die Mannschaft ist ja komplett neu und die Leader Rollen, das wird sich alles mit der Zeit entwickeln. Im Moment bin ich viel zu sehr damit beschäftigt von meiner Verletzung zurückzukommen aufs Feld, als dass ich mal die Mannschaft zusammen hole. Mein erstes Ziel ist es jetzt erstmal fit, einigermassen fit, in die Saison zu starten und dann wird sich das von selbst entwickeln, wer dann leader ist und wer nicht.

Nicht böse gemeint: Aber du erinnerst ein wenig an „Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ – offcourt der „Kumpel von nebenan“, liebenswerter Familienmensch, freundlich, höflich, eloquent … und auf dem Feld lässt du dann das „Biest“ raus, pushst dich, bist emotional, positiv aggressiv. Baust du dich da speziell vor dem Spiel auf, hast du da irgendwelche speziellen Sachen, wie du dich auf ein Spiel heiß machst, dass du da diese Aggressivität mit ins Spiel bringst?

 Nein, das kommt automatisch, auf jeden Fall. Wenn ich vor einem Spiel fit bin dann kommt diese Aggressivität automatisch, auf jeden Fall. Ich habe auch gemerkt, wenn ich emotionaler gespielt habe, mit mehr Emotionen, dann habe ich auch besser gespielt. Das habe ich innerhalb der letzten 5, 6 Jahre gemerkt und ich versuche dann auch immer emotionaler zu spielen und dann auch immer über die Emotionen ins Spiel reinzufinden. Glücklicherweise bin ich nicht so bei meiner Familie, das wäre eine Katastrophe, wenn ich diese Aggressivität auch zu Hause bei meinen Kindern bringen würde (lacht). Zum Glück schaffe ich das zu trennen. Das schaffe ich auch, indem ich eine sehr klare Trennlinie zwischen Privatleben und Basketball ziehe. Wenn ich zu Hause mit meiner Frau bin, reden wir fast nie über Basketball. Das trenne ich strikt, meine Frau hat das auch begriffen und fragt mich z.B. auch nicht „Wie war das Training heute?“. Das sind für mich zwei komplett verschiedene Welten.

Deine Kindheit und Jugend hast du in Marokko verbracht. Das ist ein ganz anderer Kulturkreis als Mitteleuropa. Welche Erfahrungen hast du gemacht, die dich geprägt haben und die du nicht missen möchtest?

 Dadurch dass ich in Marokko aufgewachsen bin habe ich Dinge kennengelernt, die ich sonst nicht kennengelernt hätte. Das ist schon ein sehr armes Land. Meine Eltern gehören zwar zur Mittelschicht, die waren nicht arm, aber ich kannte viele Leute, die sehr arm waren. Und die armen Leute, die eigentlich nichts haben, die teilen noch viel mehr als wir Leute, die eigentlich ein bisschen mehr haben. Die teilen alles dort. Und das ist etwas, was ich von dort so ein bisschen mitgenommen habe, was ich nicht mitgekriegt hätte, wenn ich in Europa aufgewachsen wäre. Dadurch, dass ich in Marokko aufgewachsen bin. Meine Mutter ist schon sehr „deutsch“, dadurch, dass ich in Marokko aufgewachsen bin, bin ich, glaub ich, halb Deutscher, halb Marokkaner geworden. Wenn ich nur in Deutschland aufgewachsen wäre, wäre das nicht so gewesen. Mein Vater ist wie so eine Art Chamäleon, der kann sich überall gut integrieren. Ich finde es positiv, dass ich in Marokko aufgewachsen bin.

Man könnte also sagen, dass man eine gewisse Demut lernt? Und das zu schätzen, was man hier hat?

Ja, ja, auf jeden Fall!

Gerade wenn man wie du seinen Traumberuf ausüben kann lernt man das nicht als Selbstverständlicheit wahrzunehmen, wenn man die Erfahrung gemacht hat, dass es auch anders im Leben laufen kann …

Ja, man sieht schon sehr viel Elend, Elend, das man sich hier in Deutschland glaub ich gar nicht vorstellen kann.

Hast du heute noch Kontakt nach Marokko? Verbringst du regelmäßig Zeit dort bei deiner Familie?

Ich versuche jeden Sommer dort zu sein, meine Eltern leben ja noch dort im Norden von Marokko. Ausserdem hatte ich immer sehr viel Kontakt mit meiner Familie väterlicherseits. Gehabt. Ich hatte viele Cousins und Cousinen in meinem Alter gehabt, als ich dort gelebt habe. Mit denen bin ich aufgewachsen. Ich versuche jeden Sommer dort hinzufahren. Ich war auch diesen Sommer wieder 3,5 Wochen da, vor der Nationalmannschaft. Das Jahr davor konnte ich ja nicht, weil meine Frau ein Kind bekommen hat. Ich versuche ansonsten wenigstens ein mal im Jahr nach Hause, d.h. dahin wo ich aufgewachsen bin, zu fahren.

Du gehst jetzt in deine dritte Saison mit Alba, deine Familie lebt in Berlin, Ist Berlin für dich so eine Art zweite Heimat für dich geworden? Könntest du dir vorstellen, noch länger hier zu leben?

Berlin ist für mich die ERSTE Heimat geworden! Meine Kinder wohnen hier, mein zweiter Sohn ist hier geboren worden, meine Frau liebt die Stadt. Ich glaube, in Deutschland gibt es keine Stadt, in der sich meine Familie wohler fühlen würde. Meine Frau ist Kanadierin, spricht zwar sehr gut deutsch, aber Berlin ist schon sehr international und das gefällt ihr auch, dass sie halt internationalen Flair hat, den andere Kleinstädte in Deutschland ja nicht haben. Auf jeden Fall, wir fühlen uns extrem wohl in der Stadt Berlin. Uns würde es sehr gefallen, wenn es weiterhin klappt, aber da spielen ja immer ganz viele Details eine Rolle. Erst mal muss ICH natürlich gut spielen. Wenn ich schlecht spiele – so läuft es nun mal im Leistungssport – wird man schnell ausgetauscht, das ist nun mal so. Erst mal eine gute Saison spielen, dann gucken wir weiter.

Marokko, USA, Frankreich, Rheinland, Deutschland … du bist viel rumgekommen in deinem Leben … Entspricht das generell deinem Naturell? Verreist du privat auch gerne? Gehört das zu deinem Leben, dass du gerne fremde Länder kennen lernst, andere Menschen kennenlernst in anderen Teilen der Welt?

Ja, also, ich bin sehr offen gegenüber anderen Kulturen, anderen Menschen. Dadurch, dass ich mit der westlichen und der arabischen Kultur aufgewachsen bin, bin ich sehr offen gegenüber allen anderen Kulturen und urteile nicht so schnell über andere Leute weil sie halt anders denken. Ich reise sehr gerne, ich lerne sehr gerne andere Kulturen kennen, aber bis jetzt bin ich genug gereist. Jetzt suche ich nach einem Ort, wo ich sesshaft werden kann. Ich bin froh, dass ich das alles mitgemacht habe, das hat mich innerlich sehr viel reicher gemacht, aber jetzt reicht’s.

Zurück zur Zukunft bzw. Gegenwart. Du wirst in der neuen Saison wieder einige neue Mitspieler im Team haben. Hast du die schon kennengelernt, hast du schon Eindrücke von denen bzw. wie sind diese Eindrücke?

Das sind auf jeden Fall alles nette Leute, alle sehr offen, wir unterhalten uns auch viel. Basketballerisch habe ich noch nicht viel gesehen, wir haben noch nicht fünf gegen fünf gespielt, ausserdem habe ich die ganze Zeit mein Reha-Programm gemacht. Ich habe sie noch nicht viel spielen gesehen. Da bin ich echt gespannt drauf, das ist immer wieder spannend in einer neuen Saison, weil man nie weiss, was auf einen zukommt.

Gerade im Basketball gilt der Spruch, „size DOES matter“! Nun bist du – zusammen mit Sven Schultze – mit 2,08 m der grösste Spieler im Team, dein Center-Kollege Deon Thompson ist irgendwas zwischen 2,02 und 2,04 m gross. In der BBL und gerade in der Euroleague werdet ihr auf Gegner stossen, die deutlich mehr Zentimeter unter dem Korb haben werden. Warum werdet ihr dort trotzdem konkurrenzfähig sein, welche Wege wollt ihr finden, um das auszugleichen?

Deon Thompson ist sehr, sehr kräftig und im modernen Basketball sieht man immer wieder, dass es auch kleinere Center gibt, Neben wir mal Kyle Hines, der letzte Saison die Euroleague gewonnen hat … oder Jeff Gibbs … Ich glaube, so wichtig ist das nicht mehr. Ich glaube, von diesem Gedanken „Center muss gross sein“ muss man sich ein wenig trennen, es gibt auch kleinere Center, die sehr gut sein können. Ich glaube, mit Deon und mir sind wir gut aufgestellt auf der Fünf, da brauchen wir uns hinter niemandem zu verstecken.

Viel Erfolg dabei!

Zum Abschluss noch eine Frage, die uns von einem Fan gestellt wurde und die wir gern weitergeben. Es geht um die Stimmung in der Halle, der O2 world in Berlin. Welche Art von Stimmung „turned“ dich persönlich am meisten an? Es gibt ja verschiedene Arten von Support; rhytmisches Trommeln und Klatschen, Fangesänge über das Team, Fangesänge speziell über dich. Was gefällt dir da am besten?

Ich finde Fangesänge toll, Fangesänge für das Team! Das ist schon etwas Besonderes. Wenn dabei ein bisschen getrommelt wird, das ist schon okay … aber Fangesänge für das Team das pushed einen schon. Das sieht man ja auch was die in Griechenland oder der Türkei machen. Die singen da echt lange, das ist schon etwas Besonderes. Schade ist nur, dass in Berlin so wenige mitmachen. Wenn in Berlin alle singen würden , das wäre noch besser.

Da ist noch Luft nach oben … aber man nimmt es wahr, wenn auf den Rängen gesungen wird, wenn auch – noch – nicht alle?

Ja, man nimmt das wahr … d.h. es kommt darauf an … wenn man einen run hat, 6, 7 Punkte in Folge gemacht hat, zu Hause spielt und die Halle da ist, dann spürt man es schon. Aber auswärts, da muss man so einen Tunnelblick kriegen, sonst wird man unkonzentriert. Aber man guckt auf jeden Fall und als Heimmannschaft lässt man es schon zu, dass einen das beeinflusst, das pushed einen schon.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg in der neuen Saison.

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6 Gedanken zu „Interview mit Yassin Idbihi über Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, Dies und Das und vieles mehr.“

  1. Centerkollege, naja Yassin wurde selbst als PF ausgebildet am College. Sieht man ja an seinem doch recht sicheren Jumper.
    Finde toll das er sagt Berlin ist seine erste Heimat. Kann mich sehr gut damit anfreunden wenn er hier „retired“ und sich vllt dann als Bigmantrainer betätigt in der Jugend.

  2. Btw, vielen Dank für euren Einsatz. Die Blogs der letzten jahre waren ja schon gut. Aber von Fans für Fans ist noch schöner. Dafür auch ein Dank an ALBA.

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