In Polen nichts zu holen! – Ein Reisebericht

Mit dem Zug nach Polen, sag warum ALBA?

Da ist es wieder, dieses Gefühl, diese Frage nach dem Sinn. Was mache ich hier eigentlich gerade und warum tue ich mir das immer wieder an? Normalerweise würde ich jetzt im Büro sitzen, schon ein paar Stunden lang, vertieft in die Arbeit, an der ersten Stulle knabbern oder in einem Meeting neue Projekte abstimmen. Ich würde am späten Nachmittag nach Hause kommen und bei meiner Familie sein. Ein bisschen Internet hier, ein paar Nachrichten dort und überall ein klein wenig Basketball. Das Bett nicht allzu weit entfernt und das Tagesende ziemlich nah – ganz normaler Alltag eben.

Aber heut ist es anders. Heut sitz ich zusammen mit 3 guten Freunden im Zug – lange im Zug – sehr lange – im Zug Richtung Polen mit dem Ziel Gdansk. Oder doch Zoppot oder Gdynia? So ganz klar ist das nicht, schließlich bilden diese 3 Städte einen fließend ineinander übergehenden Stadtgürtel an der polnischen Ostsee. Vielleicht vergleichbar mit den Ostseebädern auf Usedom – Ahlbeck, Heringsdorf, Bansin – nur eben wesentlich größer mit gesamt über 700.000 Einwohnern.

Unser Zug verlässt soeben den Hauptbahnhof in Berlin. Das Ziel ist klar, aber warum in aller Welt sitzen wir an einem unerwartet schönen und sonnigen Donnerstagmorgen hier? Ich glaube es ist die Liebe, ist es nicht immer die Liebe? Aber auf uns wartet in Gdansk keine Frau, kein Kind, keine Familie. Es ist die Liebe zu unserem gemeinsamen Hobby, zu unserem Sport, unserer Stadt und unserem gemeinsamen Verein – ALBA Berlin.

Ich verfolge ALBA seit nun mehr als 15 Jahren, seit den erfolgreichen Endneunziger. Meine Mitfahrer sind teils schon länger dabei. Aber irgendwie merkt man, dass es diese Saison was anderes ist. Sicherlich, die Meisterjahre waren toll und auch dort war die Aufbruchstimmung zu spüren. Besonders im internationalen Wettbewerb wurden legendäre Schlachten geschlagen. Man hatte sich über die Jahre aber irgendwie ans Siegen und den stetigen Erfolg gewöhnt. Doch die Zeiten haben sich geändert. Basketballdeutschland hat sich
verändert, ALBA hat sich verändert. Die Hallen sind größer geworden, der Eventcharakter steht in Vordergrund, mehr Kapital steckt in den Mannschaften und Vereinen. Das Familiäre und Persönliche zwischen dem Verein und den Fans aber auch zwischen den Spielern und den Fans ist gewichen oder muss aufgrund der Wachstumsbestrebungen zurückstehen. Der deutsche Basketball ist zumindest in seiner Spitze finanziell und sportlich zusammengerückt und ausgeglichener geworden, Siegen auf nationaler Ebene ist keine Selbstverständlichkeit mehr wie noch in den Meisterjahren. ALBA und seine Fans mussten in den letzten Jahren Demut lernen – sie haben Demut gelernt!

Zu viele Enttäuschungen gab es zuletzt. Nicht unbedingt weil die selbstgesteckten hohen Ziele nicht erreicht wurden, das kann immer mal passieren, wie z.B. 2006 aufgrund unglücklicher Verletzungen in der entscheidenden Saisonphase. Vielmehr hat es oftmals mit einzelnen Spielern nicht gepasst oder das Zusammenspiel zwischen den Akteuren lahmte zum Ende der Saison. Keiner wollte bzw. konnte in den wichtigen Phasen Verantwortung übernehmen. Die Trainer haben es nicht geschafft der Mannschaft Kampfgeist, Aufopferungsbereitschaft und den puren Siegeswillen einzuimpfen. Man verließ sich stets auf die besseren individuellen spielerischen Fähigkeiten und konnte den Schalter gegen kampfstarke Gesamtteams nicht mehr umlegen. Die aktuelle Saison ist zwar noch jung und man soll bekanntlich den Tag nicht vor dem Abend loben aber man spürt schon irgendwie einen Unterschied zu den Vorjahren. Es herrscht Aufbruchstimmung in Berlin. Ein neuer alter Bekannter an der Seitenlinie, der defensiv orientierten Basketball spielen lässt, der aber im Gegensatz zum Bauermann-Stil auch sehr ansehnlich sein kann. Das zugeschnittene System, Aggressivität, Biss, Wille, Kampf, Aufopferung, Spieler mit Traute und vor allem viel viel Herz, diese Mischung begeistert zurzeit uns Fans in Berlin. Ein Team das bisher nie aufgesteckt sondern sich zurückgekämpft und stets Siegeswillen gezeigt hat. Eine Mischung, die wir die letzten Jahre vermisst hatten, die uns vielleicht nicht hätte scheitern lassen. Viele kleine Zahnräder die ineinandergreifen und erst im Zusammenspiel, in perfekter Harmonie ihre volle Wirkung erreichen und das Flagschiff ALBA zu voller Fahrt voraus antreiben. Herauszuheben sicherlich der Steuermann des Schiffes, Sasa Obradovic, der die Zahnräder lenkt und im Gleichschritt laufen lässt, der den Kurs kennt und nicht nur nach Kompass sondern ebenso auch nach Sicht fährt um unvorhergesehene Hürden zu umschiffen. Aber wehe, wenn nur ein einziges kleines Zahnrädchen ausfällt, dann kann das Schiff auch ganz schnell zum Stillstand kommen, wenn man es nicht schafft neue Ideen zu entwickeln um genau dieses Zahnrad zu überbrücken. Dieser Gefahr ist aber wohl jedes Team, zumindest in Deutschland, ausgesetzt und es liegt nun auch an unserem Steuermann aber sicherlich auch ein wenig am Glück, diese Gefahr zu umgehen. Und genau diese Aufbruchstimmung, dieses Gefühl der Fans zusammen mit ihrer Mannschaft etwas aufzubauen, an den Aufgaben zu wachsen und als Einheit mit Willen, Kampf, Idealismus und vor allem Herz, mit Liebe und Stolz zum Verein erfolgreich zu sein, dieses Gefühl gemeinsam mit dem Team in die Schlacht zu ziehen, das ist ausschlaggebend für eine solche Fahrt wie heute.

Mittlerweile haben wir unsere erste Umsteigestation, das brandenburgische Angermünde, hinter uns gelassen. Hier erinnert nichts mehr an die Großstadt – Felder, Wiesen und immer mehr zerfallene Bahnhöfe. Das Wetter ist mittlerweile auch trister geworden. Kurz vor 11 Uhr hat uns dann auch das erste Kaltgetränk angelächelt, ein paar süße Sachen wandern auch reihum. Die Zugfahrt bis Szczecin vergeht auch relativ flott, vielleicht ahnt die Deutsche Bahn ja auf welcher Mission wir uns befinden und hat uns deshalb auf das schnellere Gleis geschickt.

Eilzug nach Polen
Eilzug nach Polen

Wir sind tatsächlich überpünktlich an unserem nächsten Zwischenziel angekommen, wann gibt es das schon mal bei der DB? In Szczecin müssen wir nun 2,5 Stunden überbrücken – ein wenig Sightseeing in Laufweite des Hauptbahnhofes ist somit drin und was kleines warmes Essen ist unser Ziel. Doch erst einmal bauen sich 3 polnische Polizisten freundlich aber bestimmt vor uns auf und fordern in fließendem Polnisch unsere „Passports“. Englisch oder Deutsch verstehen sie nicht, aber nach 10 Minuten intensiver elektronischer Prüfung unserer Ausweise dürfen wir passieren und uns auf die Szczeciner Altstadt stürzen.

Naja, so richtig toll wars dann doch nicht, im Zweiten Weltkrieg wurde wohl sehr viel zerstört und danach nicht wieder aufgebaut oder wir waren einfach nur an den falschen Stellen. Eine handvoll Kirchen, etwas Neugotik und keinerlei typisch polnische Restaurants. So irren wir etwas umher und landen letztendlich doch wieder am Bahnhof in einer polnischen Dönerstube direkt an den Gleisen worüber neben uns die Züge donnern. Satt geworden sind wir jedenfalls auch wenn wir später noch ein wesentlich einladenderes Lokal im Untergeschoss des Bahnhofes entdeckt haben, welches wir uns für die Rückfahrt merkten. Nun noch schnell ein zweites Bierchen für jeden für die letzten 5 Stunden Fahrt organisiert und weiter kann es gehen. Aber Moment einmal, an polnischen Bahnhöfen gibt es nirgendwo Alkohol zu kaufen. Keine Chance, in Polen gibt es wohl ein Gesetz, das Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit verbietet – na toll. Am Ende hat es Dank der charmanten Art und Weise von dio dann doch noch irgendwie für eins für jeden von uns gereicht. Unter der Ladentheke eines kleinen Kiosks, versteckt in einer Media Markt Tüte mit der Aufschrift „Nie dla idiotów“ („Nicht für Idioten“), heimlich zugeschoben haben wir uns irgendwie an alte Zeiten zurückerinnert gefühlt. Genauso dann auch in unserem „Schnellzug“ vom Modell aufgehübschte DDR-Resterampe, der uns nun abschließend von Szczecin bis zu unserem Endbahnhof Gdansk Oliwa bringen sollte. Ich persönlich mag ja diese alten Züge. Ein Hauch von Nostalgie gepaart mit einer irgendwie entspannenden Entschleunigung des Lebens. Viele manuelle Hebel im Abteil, die an die Kindheit erinnern, bequeme etwas durchgesessene Sitze (nicht wie auch schon in der Tschechei erlebt die Holzklasse), Klapptische und eine Heizung, die endlos unerträglich heiße Luft in den Raum pumpt und somit neben dem Bier auch die Stimmung zum überkochen bringt. Erste zaghafte Versuche des Warmsingens starten, die mit der Zeit intensiver werden. Unsere polnische Mitfahrerin im engen 8er-Abteil ist mittlerweile ausgestiegen, wahrscheinlich wird sie am Abend ihrer Familie von den „komischen Deutschen“ erzählen, die sie im Zug ertragen musste.

Eins, zwei, drei ... ALBA!
Eins, zwei, drei … ALBA!

Heute ist unsere erste Auswärtsfahrt in dieser Saison. In Deutschland haben wir die meisten BBL-Standorte mittlerweile schon mehrfach gesehen, da reizt abseits von der Unterstützung für unser Team nicht mehr viel für Reisen. Allgemein finde ich Mehrtagesfahrten spannender, denn neben der Passion für ALBA hat man die Möglichkeit einiges an Kultur mitzunehmen sowie Land und Leute, aber genauso auch seine Reisebegleiter näher kennenzulernen. Sowieso sind die Mitfahrer ein weiterer wichtiger Motivationsschub für solche Fahrten. Freundschaften vertiefen sich durch gemeinsam Erlebtes, Charaktere und Macken offenbaren sich. Wenn man so viele Stunden aufeinander hockt, muss man sich fast blind verstehen, sonst funktioniert es nicht.

In Erinnerung bleiben diese Fahrten ewig – die Unterkunft bei Freunden von Freundenvon Freunden in einer WG in Madrid, die sonnige Piazza und die Turmbesteigung in Siena sowie die Jugendherbergsabende in Florenz, Charleroi als hässlichste Stadt Europas, die Rausschmeißermusik von den Skorpions in einem Klub in Nymburk, der zerstörte Auspuff in Wroclawek, Gaudi der Loser, der in Barcelona alles angefangen und nichts zu Ende gebracht hat, die russischen Nachbarn in Riga und die verglasten Toiletten in Šiauliai sowie natürlich die Aschewolken-Odyssee nach Bilbao und Vitoria.

Wir haben uns vorgenommen mindestens eine europäische Auswärtsfahrt pro Saison zu machen und warten somit bereits schon im Juli immer sehnsüchtig auf die Auslosung. ALBA hat das Privileg in dieser Saison in der Euroleague zu spielen, für uns Fans ein Traum, denn dort sind die Gegner und auch die Standorte zumeist wesentlich attraktiver. Dieses Mal ist unsere Entscheidung auf Malaga gefallen. Südspanien mit 20°C im November, maurische Kultur-Einflüsse – die Auswahl war leicht. Siena hatten wir schon gesehen, Tel Aviv ist sehr kostenintensiv und immer etwas heikel, Chalon erschien uns nicht als interessant genug und Gdynia, ja Gdynia wollten wir irgendwie im Hinterkopf behalten.

Und so kam es, dass diese vage Idee vor etwa 2 Wochen Konturen annahm, eine günstige Zugfahrt recherchiert wurde, mögliche Mitfahrer angesprochen wurden und kurzfristig Urlaub eingereicht wurde sowie sich um eine Unterkunft und die Eintrittskarten gekümmert wurde.

Und nun sitzen wir hier im mittlerweile strömenden Regen irgendwo im dunklen polnischen Hinterland bei gefühlten 50°C in unserem Zug durch Polen. Die Fahrt zieht sich nun doch ziemlich, naja, wir stehen fast mehr als wir fahren. 370 Kilometer in 5 Stunden, ich fang langsam an über die Entschleunigung des Lebens nachzudenken. Unser Zeitplan ist straff, Verspätungen können wir uns nicht leisten – 19:18 Uhr Ankunft in Gdynia Oliwa, 10 Minuten bis zur Unterkunft, einchecken, Sachen ablegen und 20 Minuten Fußweg bis zur ERGO Arena, Karten abholen, Halle dekorieren und dann nur noch bedingungsloser Support. Zugverspätungen passen da nicht rein und hoffentlich hört dieser Regen auf.

home away from home: Villa "Albatros" Gdansk
home away from home: Villa „Albatros“ Gdansk

Wir sind da. Am Ende waren es dann doch nur wenige Minuten, die uns verloren gingen. Der Regen, ein fieser sprühender Landregen, bleibt uns erhalten. Aber wir müssen zunächst nicht weit, einmal links, dann noch mal rechts, auf die rücksichtslosen Autofahrer aufpassen, etwa 800 Meter geradeaus und abschließend wieder links und da ist sie – die „Willa Albatros“ – unser Quartier für die Nacht. Nun noch kurz bei der netten Pensionsfamilie gemeldet, sie hatten uns schon erwartet. Die Suite begutachtet, alles da – der versprochene Jacuzzi, 4 Einzelbetten (2 im grünen und 2 im rosa Zimmer), ein großer Südostbalkon – lange werden wir uns hier aber wohl nicht aufhalten, dafür ist der Zeitplan zu straff gesteckt. Wir sortieren kurz unsere sieben Sachen zusammen, klären den Zugang zum W-LAN ab und schon geht es weiter, wieder hinaus in den Regen. Zunächst durch ein kleines Viertel mit Einfamilienhäusern und Gärten, über einen kleinen Fluss, vorbei an neuen Architekten-Hochhäusern und schließlich durch sanierte Plattenbauten, in denen sich unser Freund Ändi sicher wohlgefühlt hätte. Nach 20 Minuten haben wir die „Ergo Arena“ erreicht, ein schickes kreisrundes Gebäude mit viel Glasfassaden und einem unentwegtem treppauf treppab geprägten äußeren Umlauf. Mit unseren vorbestellten Karten klappt auch alles.

Multifunktionsarena ERGO Arena Dansk / Sopot

Multifunktionsarena ERGO Arena Dansk / Sopot

Meine Konzentration gilt nun unseren Materialien, die wir seit dem Morgen mitgeschleppt haben. Ich richte mich auf Diskussionen besonders wegen der 8 Plastestangen ein, die ich für Doppelhalter eingepackt habe. Der polnische Ordner verlangt mir Respekt ab. Eigentlich sieht er so aus, wie ich mir einen typischen polnischen Hooligan vorstelle. Relativ groß, jedenfalls im Verhältnis zu meiner doch bescheidenen Körperhöhe, ein von vielen Jahren im Fitnessstudio gestähltes Kreuz gepaart mit einem vom vielen Bier geprägten Körpermittelpunkt und einer furchteinflößenden Gesichtsmimik, die seinen kahlgeschorenen Kopf noch mehr zur Geltung bringt. Sein Blick bleibt gleich auf den Stangen stehen – jetzt wird’s lustig, denke ich mir. Ich versuche ihm in Englisch zu erklären, wofür ich die Stangen benötige. Nach so vielen Auswärtsfahrten, wie wir sie schon mitgemacht haben, ist man diese Diskussionen schon gewohnt und hat sich seine Standardantworten schon zurecht gelegt. Er scheint mich nicht zu verstehen und somit gehe ich zu Stufe 2 über und hole ein Stück Stoff aus meinem Rucksack um es ihm zu demonstrieren. Ich deute ihm an, dass der Stab nur zum Hochhalten dienen soll. Er versteht mich nun und nickt es ab. Puh, geschafft. Als nächstes werden noch die Motive auf den Stoffen begutachtet. Auf dem ersten steht „Support deluxe“ begleitet von einer griesgrämig schauenden Comicfigur. Ich habe den Eindruck, dass der Ordner sich in irgendeiner Weise wiedererkennt. Die anderen Motive will er daraufhin nicht mehr sehen. Polnische Ordner sind doch nett, anders als der erste Anschein erweckt.

Wir begeben uns nun ins Halleninnere auf unsere Plätze. Meiner ist in der 7. Reihe genau auf Höhe der Mittellinie, nahezu der beste Ort um ein Basketballspiel zu verfolgen. Wir orientieren uns in der Halle, es sind noch 40 Minuten bis Spielbeginn. Die Arena ist neu, sie ist groß und sie ist schön und durchaus gelungen, aber anders als die O 2-World. Knapp 11.500 Zuschauen sollen auf den mit rotem Samtstoff bezogenen Sitzen Platz finden. Die ausziehbaren Tribünen an den Schmalseiten der Halle hinter den Körben sind zusammengeschoben. Es wird wohl mit nicht mehr als 3.000 Leuten gerechnet. In den 4 Ecken der Halle, wenn man davon in einer kreisrunden Halle überhaupt reden kann, sind anders als in der O2-World keine Sitzplätze integriert sondern wird das Hallendach von imposanten Betonsäulen getragen. Der massige Videowürfel über dem Spielfeld wird weiterhin durch 2 Anzeigetafeln hinter den Körben ergänzt. Die Arena wirkt zerstückelter als die heimische, das Catering ist minimalistisch und hat sich wohl den wenigen Zuschauern angepasst.

Panorama-Ansicht der ERGO Arena Gdansk / Sopot

Panorama-Ansicht der ERGO Arena Gdansk / Sopot

Die Fans von Asseco Prokom Gdynia, zumindest der harte Kern, sind in der Ecke hinter der Mannschaftsbank untergebracht. Sie haben etwa 10 große Fahnen dabei, die sie während des Spiels durchgängig einsetzen werden. Vor ihrem Block haben sie 4 große Halbkugel-Trommeln mit Ständern aufgestellt, eine weitere Pauke befindet sich 2 Reihen weiter hinten. Die Fans der Polen sind eigens mit einem Bus die etwa 15 Kilometer bis zum Stadtrand von Gdansk angereist. Asseco Prokom spielt sonst in einer kleineren Halle direkt in Gdynia, speziell für die Euroleague müssen sie jedoch aufgrund ihrer A-Lizenz, welche keine sportliche Qualifikation für diesen Wettbewerb erfordert, in die größere Ergo Arena umziehen. Der Fanblock umfasst nicht mehr als 100 Personen, richtig aktiv dabei beim Anfeuern, Fahnen schwenken und trommeln sind aber auch nur 20-30.

Die (wenigen) Fans von Asseco Prokom Gdynia
Die (wenigen) Fans von Asseco Prokom Gdynia

Die Halle füllt sich nun gemächlich, aber schon jetzt ist abzuschätzen, dass es wirklich nicht allzu viele werden. Weitere 13 ALBA-Supporter haben wir auch ausfindig gemacht. Da wir etwas über die Blöcke auf der Geraden verteilt sitzen, beschließen wir geschlossen hinter die Bank unserer Mannschaft zu ziehen. Wir sind nicht viele und einige vertraute Gesichter sieht man immer wieder auf europäischen Auswärtsfahrten, aber wir werden das Beste geben um unser Team jeder auf seine Weise zu unterstützen. Wir sind bereit – die Fahnen an die Betonwand hinter unseren Block geklebt, die Doppelhalter aufgezogen, die Tröte bereit gelegt und die Stimme geölt. Ich setze meine gelbe Perücke auf, als verrückter Auswärtsfahrer braucht man sein Markenzeichen. Und nun: „Let’s get ready to rumble!“.

ALBA Berlin wird vorgestellt und wir rasten das erste Mal positiv aus. Ich fühle grad so richtig „devotion“. Tommy Thorwart reicht uns den Stapel gelbe Wimpel, jeder ALBA-Spieler hat einen solchen bei der Begrüßung erhalten. Wir verteilen sie unter den Mitgereisten – ein schönes Andenken an die Fahrt.

Erinnerungsstück an eine erlebnisreiche Auswärtsfahrt

Erinnerungsstück an eine erlebnisreiche Auswärtsfahrt

Sprungball – wir haben den ersten Angriff. Das Spiel beginnt fahrig, bleibt aber eng. Wir merken schnell, dass wir uns in dieser Halle gut Gehör verschaffen können und stimmen die ersten Gesänge an. Optisch fallen wir in unseren gelben Shirts nicht sonderlich auf, die gegnerischen Fans tragen auch ihre gelben Farben. Aber akustisch wird uns die Mannschaft gut wahrnehmen können, das motiviert. Wir werden vom polnischen Ordner aufgefordert uns hinzusetzen. Ist es derselbe vom Eingang? Wohl nicht, aber sie sehen alle gleich furchteinflößend aus. Hinsetzen geht gar nicht! Anfeuern im Sitzen ist für uns wie politische Einflussnahme auf die freie Pressearbeit, wahre Idealisten machen so etwas nicht. Wir setzen uns durch und bleiben stehen, hinter uns sitzt eh niemand, dem wir die Sicht versperren könnten. Außer vielleicht Marko Baldi und der kurzfristig mit einer Fußverletzung ausgefallene Brian Randle, aber beide rücken weiter in Richtung Mittellinie. Das erste Viertel ist spielerisch nicht gut, aber beide Mannschaften bleiben auf Augenhöhe – ALBA liegt knapp vorn. Meine Stimme ist schon arg angeschlagen. Unser zweites Viertel beginnt mies, 6 Minuten lang kein einziger Korb. Die Polen ziehen an uns vorbei und deren Fanblock taut etwas auf. Das Fahnenschwenken gefällt, das Trommeln hingegen ist oftmals mehr auf lärmende Zerstörung als auf Unterstützung ausgelegt. Unsere Mannschaft findet sich wieder und kämpft sich in das Spiel zurück. Zur Halbzeit liegen wir mit 3 Punkten hinten, alles noch im Lot. Wir muntern die Spieler beim Gang in die Kabine auf. Wenn wir konzentriert bleiben und endlich diese Nervosität abgelegt bekommen, dann können wir das heute schaffen. Aber die Mannschaft wird unsere Unterstützung brauchen, da sind wir uns sicher.

Wir recherchieren kurz im Internet. Es wird geschrieben, dass wir gut zu hören sind – jawohl – das puscht auch uns noch einmal. Ansonsten zeigt unsere kurze Spielanalyse, dass unsere 3er-Quote mit 0/7 fürchterlich ist und dringend der Verbesserung bedarf. Weiterhin sind unsere Vorteile unter dem Korb wohl doch nicht so groß wie wir gedacht hatten. Yassin Idbihi merkt man noch seine Verletzung der letzten Woche an, Deon Thompson kann sich auch noch nicht so recht durchsetzen und Albert Miralles muss mit seinen Fouls aufpassen. Ansonsten dient die Halbzeit auch uns der Erholung. Das Kratzen im Hals wird immer stärker, aber 20 Spielminuten muss die Stimme noch durchhalten – da gibt es kein Erbarmen.

Unsere Mannschaft kommt gut zurück aus der Kabine. Schnell übernehmen wir wieder die Führung und können uns sogar bis Mitte des 3. Viertels einen 6-Punkte Vorsprung herausarbeiten. Thompson trifft nun aus der Mitteldistanz und Heiko Schaffartzik endlich den ersten Dreier. Aber das ständige Auf und Ab bleibt bestehen, wir bekommen das Spiel einfach nicht in den Griff und liegen zur Viertelpause wieder mit 1 Punkt hinten. Sasa Obradovics Ansagen werden lauter. Auf dem Feld tanzen die Cheerleader und versuchen bei lauter Musik wenigstens ein wenig die Zuschauer zu animieren. Sie haben sich jetzt bestimmt schon zum 8. Mal umgezogen, jedes Mal haben sie ein anderes Dress an. Sie rennen wieder vom Feld, einige humpeln angeschlagen hinterher. Aber auch sie beißen sich durch und schwups wird Garderobe Nummer 9 in einer abgeschiedenen Ecke der Halle übergeworfen.

It’s money time! Das letzte Viertel beginnt. Wir stehen weiter und versuchen unser Team nach vorne zu brüllen. Singen ist nun kaum noch möglich, wir holen das letzte aus unseren Stimmen heraus. ALBA trifft vorne wieder schlechter, die Polen sind nun in ihrem Rhythmus. Zu den 20-30 anfeuernden Fans aus Gdynia gesellt sich nun auch langsam der Rest der Halle. Für uns wird es damit schwieriger. Nun haben wir 9 Punkte Rückstand und es sind noch 6 Minuten zu spielen. Nichts ist unmöglich, hat uns das Spiel eine Woche zuvor zu Hause gegen Chalon gelehrt. Dort ist es uns gelungen peu à peu einen hohen Rückstand zu drehen und das Spiel schlussendlich noch zu gewinnen. Ich weiß noch wie ich nach dem Schlusspfiff ungläubig auf die Anzeigetafel blickte und mir dachte: „Wir haben ein Team“. Eines das kämpft, eines mit Herz, eines mit Eiern! In den letzten Jahren hätten wir dieses Spiel hoch verloren, wir hätten uns aufgegeben. Dieses Jahr haben wir eine Mannschaft, eine Einheit. Dieses Jahr haben wir ein Team, das unseren Support verdient, das es sich lohnt mit voller Kraft zu unterstützen.“

Doch heute wird es ungleich schwerer. Heute steht nicht das lautstarke Berliner Publikum an der Seite der Mannschaft, heute müssen 17 tapfere mitgereiste Hauptstädter reichen. Der Rückstand wird zunächst höher, aber wir kommen noch einmal auf 6 Punkte heran. Nun treffen die Polen nahezu jeden Dreier, ihr Spielmacher überrennt unsere Verteidigung ein ums andere Mal oder sie sichern sich die wichtigen Rebounds. Bei uns fällt weiterhin nichts. Das Spiel ist entschieden, der Rückstand zweistellig. Der direkte Vergleich, entscheidend bei einer eventuellen Punktgleichheit in der Abschlusstabelle, wird auch im Rückspiel nur sehr schwer zu holen sein.

Wir sind enttäuscht. Wir konnten uns zu wenig unter dem Korb durchsetzen, haben von außen nahezu nichts getroffen. Die Reboundarbeit, oftmals ein Zeichen für Einsatz und Willen, haben wir ebenso deutlich verloren. Man hat gemerkt, dass die Spieler zum Ende hin müde wirkten. Mit Randle hat uns entscheidende Entlastung gefehlt und Idbihi konnte nach seiner Verletzung auch noch nicht wieder voll eingreifen. Die Polen waren nicht wirklich besser, aber heute hat es einfach nicht gereicht. Wir versuchen die Spieler beim Gang in die Kabine wieder etwas aufzubauen, sie sind deutlich geknickt. Danach räumen wir wieder unsere Sachen zusammen, die Fahnen, die Doppelhalter, die Tröten, unsere Wimpel. Es dauert länger als den Ordnern lieb ist. Draußen regnet es in Strömen. Wir müssen um die halbe Halle laufen, zum Presseeingang, denn wir wollen noch unsere Spieler auf ihrem Weg zum Bus verabschieden. Wir finden ein trockenes Plätzchen, eine handvoll der anderen ALBA-Fans sowie etwa 20 polnische Fans sind auch da. Die Spieler und Verantwortlichen kommen alle einzeln raus. Die polnischen Fans sind freundlich und klatschen unsere Spieler ebenso ab. Brian Randle ist sichtlich deprimiert. Er humpelt zum Bus und ich habe den Eindruck als ob er weiß, dass er der Mannschaft länger nicht wird helfen können. Hoffen wir das Beste, wir werden ihn noch brauchen! Gesprächig sind die Spieler alle nicht – verständlich nach einer solchen Niederlage – wir klatschen sie nur ab. Marco Baldi, Mithat Demirel und Sasa Obradovic bedanken sich bei uns für unsere Unterstützung.

Wir machen uns wieder auf den Heimweg in Richtung Willa Albatros, die andere Gruppe Berliner Fans muss mit der S-Bahn noch nach Gdynia fahren. Der Regen hat etwas nachgelassen, das Laufen tut nach dieser Aufregung gut und lässt mich wieder etwas „runter“ kommen. Wir suchen noch eine kleine Lokalität, um noch etwas zu trinken. Doch es hat alles schon zu oder erscheint uns etwas zwiespältig. Vorne, auf der anderen Seite der Kreuzung brennt noch Licht. Dort hat noch ein kleiner Kiosk offen, dort bekommen wir noch etwas zumindest zum Mitnehmen. Ich warte draußen und beobachte die Ampeln auf der großen dunklen verlassenen Kreuzung. Die Grünphasen werden immer von lauten Tönen begleitet, welche aus den Boxen unterhalb der Ampeln erklingen. Sie hören sich an, als wenn in der Berliner U-Bahn gerade die Türen schließen. Die letzten Sekunden werden die Töne schneller, die Ampel blinkt und das rote Männchen leuchtet wieder. Die Jungs kommen raus, wir haben nur noch wenige Meter bis zur Unterkunft. In unserer Suite treffen wir uns im rosa Zimmer. Wir trinken noch was, vertilgen ein paar Süßigkeiten und fachsimpeln über das Spiel, über die anderen Spiele an diesem Abend und über Basketball allgemein. Wir lesen etwas im Internet quer und gegen 2 Uhr ist auch unser Tag dann endlich zu Ende.

Ich stehe um 8 Uhr wieder auf, eine halbe Stunde eher als die anderen. Ich möchte den Jacuzzi ausprobieren, schließlich haben wir diesen ja bezahlt. Die 30 Minuten tun richtig gut, die Entspannung war nötig. Das anschließende Frühstück ist gut, kontinental mit osteuropäischem Touch. Warme Eierkuchen mit Apfelmus, Müsli, Joghurt, Brot, Käse, Fleisch und Wurst, Salat, Obst, Kuchen – der Tee ist aber das Wichtigste um die Stimme wieder auf Vordermann zu bringen. An alte Kindheitstage erinnert mich der Saft, rotes Bonbonwasser mit viel Süße.

Ein paar Stunden haben wir noch Zeit, bis unser Zug gen Heimat startet. Wir lassen die Willa Albatros und deren nette Gastfamilie hinter uns und fahren mit der S-Bahn noch zur Altstadt von Gdansk, der Rechtsstadt.

Danzinger S-Bahn mit 70er Jahre Charme (pt I)
Danzinger S-Bahn mit 70er Jahre Charme (pt I)
Danzinger S-Bahn mit 70er Jahre Charme (pt II)
Danzinger S-Bahn mit 70er Jahre Charme (pt II)

Dort haben wir noch etwa 2 ½ Stunden Zeit für etwas Kultur und die Schönheit der Stadt. Das Altstadtbild der ehemaligen reichsten Hansestadt Gdansk ist heute immer noch stark durch die mittelalterlichen Bauten geprägt, welche nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg, anders als in Szczecin, größtenteils wieder aufgebaut wurden.

Panorama-Blick über die Altstadt von Danzig
Panorama-Blick über die Altstadt von Danzig

Unser kurzer Rundgang führt uns vom Stockturm, einem Teil der alten Befestigungsanlagen welcher später als Gefängnis und jetzt als Bernsteinmuseum dient, vorbei am Grossen Zeughaus, dem Langgassertor die Prachtstraße Langgasse hinab bis hin zum niederländisch geprägten Langen Markt. Dort befinden sich das Rechtstädtische Rathaus, der Artushof und der berühmte Neptunbrunnen.

Das berühmte Rathaus von Danzig
Das berühmte Rathaus von Danzig

Durch das Grüne Tor vorbei am Wahrzeichen der Stadt, dem Krantor, die mit vielen kleinen Lädchen gesäumte Frauengasse entlang bis hin zur Marienkirche, einer der größten Gotteshäuser Europas mit über 100 Meter länge. Dort erklimmen wir die über 400 teils sehr engen Stufen des Turms hinauf bis zum Wetterhahn, wo uns bei strahlend blauem Himmel ein phantastischer Blick über die gesamte Stadt hin bis zur nahen Ostsee geboten wurde. Und wieder einmal hatten wir den höchsten Turm bestiegen, so wie es bei uns schon langsam Brauch auf Auswärtsfahrten ist.

Stockturm
Stockturm
Neptunbrunnen
Neptunbrunnen
Das Krantor - Danzigs Tor zum Meer und zur Welt
Das Krantor – Danzigs Tor zum Meer und zur Welt

Wieder festen Boden unter den Füßen habend machen wir noch einen kurzen Abstecher in eine große Markthalle und schließlich warten wir, wieder am Bahnhof angekommen, auf unseren Zug, der uns mit rund halbstündiger Verspätung wieder einsammelt.

Im Zug ist es voll, sehr voll. Zwei von uns bekommen noch einen Sitzplatz im engen 8er-Abteil, wir beiden anderen lassen uns auf dem Gang nieder. So verbringen wir etwa die ersten 45 Minuten der Fahrt eingepfercht zwischen Koffern und Menschen. Aber hat man erst einmal die richtige Sitzposition auf dem Rucksack oder dem Boden gefunden, so geht es eigentlich. Es dauert nur leider wenige Minuten, bis wieder jemand auf der Suche nach dem letzten freien Sitzplatz vorbei will und uns wieder aufscheucht. Ich nehme mir meine Kopfhörer, um mich etwas vom Lärm der vielen Leute abzuschirmen. Auf meiner Playlist bleibe ich bei den „Sternen“ stehen. „Wir rühren uns nicht vom Fleck“ und „Solangehierunterwegs“, das passt! Ich fange etwas an zu träumen und denke noch einmal über das Spiel vom Vortag nach.

Wir hatten eine große Chance verpasst. Die Chance, uns fast schon entscheidend in der Euroleague Gruppenphase von unseren direkten Konkurrenten abzusetzen. Es ist schade, dass uns dies nicht gelungen war, besonders weil Gdynia nicht so viel besser war als wir. Aber es ist noch lange nichts verloren. Wir würden nach diesem Spieltag auf Platz 2 der Tabelle stehen, der 4. Rang reicht für die nächste Runde aus. Es ist verdammt schwierig in der höchsten europäischen Spielklasse zu gewinnen, besonders auswärts. Da spielt die fremde Umgebung, die fremden Körbe, die andersartige ungewohnte Atmosphäre, die Reisestrapazen und vieles mehr eine große Rolle. Ausfallende Spieler, so wie gestern, schmerzen besonders. Wir hatten das erste Auswärtsspiel in Siena sensationell gewonnen, das war so nicht wirklich eingeplant. Wir lagen und liegen weiterhin also voll im Soll. Ich überlege leise: „Haben wir je zwei Auswärtsspiele hintereinander in der Euroleague gewonnen? Ich kann mich nicht daran erinnern.“ Es ist noch früh in der Saison, es sind gerade einmal die ersten 4 Wochen um. Wir haben schon mit Nathan Peavy einen Spieler langfristig verloren, um den das neue Team quasi mit aufgebaut wurde. Ein Spieler, der genau die Qualitäten mitbringt, die uns gestern gefehlt haben – der konstante 3er, Durchsetzungskraft unter dem Korb sowie Rebounding. Sein Ersatz war ebenso verletzt. Die Mannschaft wirkte müde, am Ende des Spiels körperlich aber vor allem auch mental. Das Team ist in Teilen noch jung und vorwiegend unerfahren, zumindest auf europäischem Toplevel. Sie brauchen Zeit um zu lernen, um sich hineinzufügen in den Motor, der das Schiff antreibt. Die Systeme des Trainers müssen wachsen, blind funktionieren und Stück für Stück auf die sichtbaren Schwächen des Teams angepasst werden. Dafür braucht es vor allem Zeit, Zeit die wir der Mannschaft geben sollten, Zeit die ich der Mannschaft gebe! Unser Saisonbeginn war gut, vielleicht zu gut. In Berlin wachsen die Träume zu schnell zu hoch. Halten wir es mit Heiko Schaffartzik: „Teppich, Teppich, Teppich!“ – der Boden hat uns wieder. Freuen wir uns über Siege, erfreuen wir uns an tollen Spielen und unterstützen die Mannschaft mit voller Kraft in Situationen wo sie Rückschläge erleidet. Die Verteidigung des gegnerischen Dreiers wird besser werden, das Offensivkonzept wird auch Lösungen finden falls es einmal nicht mit der Dominanz unter den Körben klappt, das Ausboxen und die Reboundarbeit wird zurückkommen. Die Spielfreude, die mentale Stärke, der Siegeswille und das Kämpferherz werden da sein! Vielleicht nicht in jedem Spiel, aber zumindest in den Wichtigen. Wir haben gesehen was das Team kann. Tun auch wir Fans nun unser übriges und offenbaren unser Herz, unseren Willen und unsere Bereitschaft. Über meine Kopfhörer schallen „Die Ärzte“. Sie fragen: „Mit dem Schwert nach Polen, sag warum René?“ Es geht um einen vernachlässigten Jugendlichen, der ohne Plan und Ziel im Leben, ohne Freunde, in seiner eigenen Scheinwelt lebt und irgendwann ein kleinwenig Amok läuft. Ich interpretiere den Song um in „Mit dem Zug nach Polen, sag warum ALBA?“ Warum machen wir solche Reisen immer wieder? Wir leben in keiner Scheinwelt, wir laufen auch kein Amok. Wir sind nur eine kleine Gruppe basketballverrückter Chaoten, die ihrem Herzen folgt, ihrer Liebe zu einem Verein – ALBA Berlin. Es mag etwas kitschig klingen, aber diese Hingabe bringt uns in der Weltgeschichte umher, lässt uns Orte entdecken und Freundschaften vertiefen.

Wir haben nun endlich auch Platz im Abteil gefunden. Einige von uns dösen beim Holpern auf den Gleisen ein. Rückfahrten ziehen sich immer hin, bei Niederlagen im Gepäck noch viel mehr. Die Hitze ist schon wieder unerträglich, das Fenster offen zu lassen ist aber auch nicht die Lösung. In der letzten Stunde vor Szczecin haben wir das Abteil für uns allein. Die letzten Leckereien gehen bei Ska-Musik aus dem Handy umher. In Szczecin haben wir noch Zeit um das Restaurant, welches wir uns auf der Hintour gemerkt hatten, aufzusuchen. Es gibt Schnitzel, Döner bzw. polnische Piroggen. Die letzte Etappe ist wieder mit der Deutschen Bahn, diesmal direkt bis Endbahnhof Berlin Lichtenberg, da in Berlin auf der Stadtbahn gebaut wird. Durch die Lautsprecher im Zug schallt es mit weiblicher Stimme: „Eine Information an den Lokführer: Jib mal dem Chinesen den Beutel!“ Wir gucken uns fragend an. „Wo is’n der?“, entgegnet es. „Da wo dit Scheibenwasser is! – Hast’n jefunden?“ fragt die Zugbegleiterin. Der Lokführer bejaht und die weibliche Stimme sagt glücklich „Na dann is ja alles ok!“. Wir applaudieren begeistert und können uns vor lachen nicht mehr einkriegen. Dieser Dialog hat unser Gemüt wieder erhellt und lässt die letzten fast 2 Stunden Fahrt wie im Flug vergehen. Thank you for travelling with Deutsche Bahn.

Am Bahnhof Berlin Lichtenberg trennen sich nach mehr als 37 gemeinsamen Stunden unsere Wege. Wir ziehen von dannen in dem Wissen, dass wir uns in 5 Tagen schon wieder sehen, dann auf dem Flughafen in Schönefeld mit dem Ziel Malaga.

Endstation Lichtenberg
Endstation Lichtenberg

Wir bedanken uns ganz herzlich bei unserem Gastschreiber „trademarc“ für diesen großartigen Reisebericht.

7 Gedanken zu „In Polen nichts zu holen! – Ein Reisebericht“

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