Im Gespräch mit Himar Ojeda (pt 2) … über Vergangenes

verantwortlich: Marco Baldi und Himar Ojeda
verantwortlich für Vergangenes und Zukünftiges: Marco Baldi (li) und Himar Ojeda

Nachdem es im ersten Teil unserer Interview-Reihe mit Alba Berlins Sportdirektor Himar Ojeda eher darum ging, ihn persönlich etwas vorzustellen, wollen wir uns nun mit der gerade abgelaufenen Saison befassen. Für einen erfolgreichen Neustart bedarf es einer Aufarbeitung der Dinge, die in der Vergangenheit nicht so funktioniert haben, wie sie sollten. Das haben wir mit Himar getan … 

Du hast jetzt eine komplette Saison hinter dir, wie gut hast du dich unter beruflichen Gesichtspunkten akklimatisiert? Wofür steht die BBL? Was hat dich überrascht?

Obwohl ich die Liga kannte, habe ich etwas gebraucht, um mich einzugewöhnen. Ich war als Vertreter einer Agentur schon in Deutschland unterwegs, trotzdem gab es auch für mich eine Periode der Anpassung. Was unerwartet war bzw. mich am meisten überraschte war, dass die Spieler die Programme der Vereine nicht als zentralen Punkt wahrnehmen. Leute im deutschen Basketball legen oft Wert auf eine einzelne bestimmte Sache, zum Beispiel den Coach. „Wer ist der Coach?“ „Ich mag diesen Coach, ich mag jenen Coach nicht.“ Oft fehlt der Blick für das große Ganze, für das Programm des Vereins. Ich weiß nicht, ob der Verein in der Vergangenheit etwas falsch gemacht hat oder nicht, aber das ist schade für Alba. Alba ist einer der wenigen Vereine, die eine Tradition und Konstanz in Bezug auf ein konkretes Programm, beim Aufbau einer Struktur und bei der Arbeitsweise haben.

Natürlich gibt es verschiedene Wege Basketball zu spielen. Das hier ist kein College Basketball, wo ein Coach 20 Jahre dort ist und seit zwanzig Jahren Zonenverteidigung spielt und jeder weiß das. Das ist im Profibasketball anders. Trotzdem haben wir einen ganz klaren Weg, unabhängig von kurzfristigen Trends. Es ist schade, dass es dauert, bis die Leute das verstehen. Trainer mit ihren unterschiedlichen Ideen kommen und gehen, so läuft das Geschäft nun mal, unser Programm bleibt. Trainer sind einen Tag hier, am anderen weg.

Ich denke, wir sollten ein größeres Augenmerk auf die Institutionen als auf die Individuen legen. Das mit dem Coach ist nur ein Beispiel, ich will nichts gegen irgend einen Coach sagen, man könnte genauso gut den Sportdirektor als Beispiel nehmen. Der Sportdirektor kann sich ändern, die Philosophie des Vereins bleibt. Es gibt nicht so viele Vereine in Deutschland mit so einem klaren Ansatz und daran könnte es liegen, dass sich diese Denkweise noch nicht so durchgesetzt hat. Spieler sprechen mehr über spezifische Dinge wie Spielzeit usw. statt über grundsätzliche.

Würdest du das als größtes Problem ansehen?

Ja. Das war die größte Herausforderung, die größte Anpassung für mich.

Es geht also mehr um kurzfristiges Denken statt langfristige Planung?

Ja, exakt. Und es gibt unzählige Leute, die den Spielern gut gemeinte Ratschläge geben, Vereins- und Verbandstrainer, Freunde, Agenten, andere Spieler und jeder sagt etwas anderes und der Spieler ist dann zwischen diesen vielen Meinungen ein bisschen verloren. Sie sollten die Struktur und das Programm sehen und einen strategischen Plan für sich haben. Eine Organisation wie Alba Berlin hat jede Menge top ausgebildete Profis in allen Bereichen. Es ist eine Herausforderung, Spieler von diesem strategischen Denkansatz zu überzeugen.

In Ländern wie Spanien oder Italien ist es etwas anders. Dort sind die Leute eher Fan der Organisation. Das bedeutet nicht, dass sie unkritisch wären, aber sie stehen in der Regel ein Leben lang ohne Wenn und Aber hinter dem Verein, der Organisation. In der Türkei ist es noch etwas extremer, es ist unvorstellbar, dass ein Fan von Galatasaray jemals Fan von Fenerbahce wird und umgekehrt ebenso wenig. In Deutschland ist die Kultur etwas anders, hier sind die Leute eher auf einzelne Personen, Spieler, fixiert. Wenn ein Spieler geht, wird gleich der ganze Verein pauschal kritisiert. Vielleicht ist das ein Einfluss der NBA. Die Leute sind Fans von LeBron [James] und wenn der den Verein wechselt, wechseln die Fans mit.

Zumindest in Berlin ist es so, dass die Fans nach Spielern suchen, mit denen sie sich identifizieren können. Wenn ein Spieler länger als zwei Jahre bleibt ist er der Held, wenn er geht, ist er ein Gegner…

Das ist ganz normal, so soll es sein. Die Frage ist, warum ein Spieler geht. Manchmal kann man als Verein nichts tun. Wenn der Spieler die Chance auf Euroleague hat oder woanders sehr viel mehr Geld verdienen kann, kann man nichts tun. Anders ist es, wenn sich der Spieler nicht wirklich bedeutend verbessert, dafür fehlt das Verständnis.

Man muss nicht groß darum herum reden: Alba Berlin hat seine eigenen Ziele in der Saison 2016/17 nicht erreicht. In gewissem Maße war es Pech, Verletzungen, Vertragsprobleme, aber hat Alba Berlin als Organisation auch selbst Fehler gemacht? Gab es Fehleinschätzungen in bestimmten Situationen?

Ja, das ist so, wir haben uns klare Ziele gestellt und haben diese größtenteils nicht erreicht. In der vorigen Saison hatten wir mit dem Pokalsieg in München gegen München einen sehr großen Erfolg, dort zu gewinnen ist alles andere als einfach. In den Playoffs sind wir jedoch glatt mit 0-3 ausgeschieden, ohne dass wir eine realistische Chance hatten. Auch in dieser Saison hatten wir eine sehr gute Phase, als wir 10 Spiele in Folge gewonnen haben und fast gegen die beiden Eurocup-Finalisten Malaga und Valencia gewinnen konnten. Danach haben wir dann – neben diversen anderen Verletzungen – Peyton Siva und dadurch auch unser Momentum verloren. Wir verloren zu Hause gegen Valencia, zu Hause gegen München, zu Hause gegen Jena und am Pokalwochenende gegen Bayern München. In den Playoffs haben wir dann jedoch eine gute Leistung gegen einen starken Gegner abgeliefert. Wir waren da konkurrenzfähig und auf Augenhöhe, anders als im Jahr zuvor gegen Frankfurt.

Aber um es noch einmal klar zu sagen: Wir haben unsere Ziele nicht erreicht und können damit nicht zufrieden sein. Es gab Gründe dafür, einige habt ihr bereits genannt. Ja, wir hatten auch Pech. So etwas wie mit Brandon Ashley ist mir in meiner ganzen Laufbahn im Basketball noch nie passiert. Damit konnten wir nicht rechnen und es hat uns ziemlich weh getan. Wir hatten die gesamte Saison über Probleme bei den Rebounds. Ashley war ein sehr guter Rebounder, das hat er in der vorletzten Saison bewiesen. Zudem fiel mit Malcolm Miller ein Vierer mit sehr guter Athletik aus.

Eigene Fehler, Pech, Verletzungen, unvorhersehbare Dinge – es war ein Mischung aus all diesen Sachen. Die zeitgleiche Verletzung von Kikanovic und Boggy [Bogdan Radosavljevic] als wir ohne Center spielen mussten, die Verletzung von Dragan Milosavljevic in den Playoffs oder der lange Ausfall von Peyton Siva waren Faktoren, die uns Probleme gemacht haben.

Ja, wir hatten Verletzungen, gegen die kann man nichts machen oder gar damit planen. Wir müssen uns auf die Dinge konzentrieren, die wir selbst in der Hand haben. Wir haben auch selbst Fehler gemacht und Situationen falsch eingeschätzt. Wir dachten wir würden mit diesen Verletzungen besser klar kommen, diese besser kompensieren können. Wir haben versucht, uns den Fehlern zu stellen und auf die jeweiligen Probleme zu reagieren, wenn sie auftraten und Anpassungen vorzunehmen, wo sie möglich waren. Auf die Situation mit Ahmet [Caki] haben wir konsequent reagiert.

Es ist leicht, Entscheidungen hinterher zu beurteilen, da finden sich jede Menge „Thekentrainer“, die es schon immer gewusst haben. Aber war es im Nachhinein ein Fehler, noch einen Guard zu verpflichten, obwohl die Probleme bei den Rebounds und der Big Men Defense deutlich wahrnehmbar waren? Hätte man da besser einen Big Man holen sollen?

Nein, nein, nein, in dieser Situation nicht. Durch den Ausfall von Peyton Siva fehlte uns dringend ein Guard und auch Kreativität. Ein großer Spieler hätte mit Rebounds und Blocks auch helfen können, aber in dieser speziellen Situation mit der langfristigen Verletzung von Siva war die Verpflichtung eines Guards dringender und wichtiger. Carl English kam in einer sehr schwierigen Situation und hat uns mit seiner Erfahrung in einigen Spielen sehr geholfen. Manch andere hätten uns da nicht so gut helfen können.

Mit Elmedin Kikanovic und Bogdan Radosavljevic hattet ihr zwei Center verpflichtet, die beide nicht besonders reboundstark und nicht besonders schnell in der Defensivrotation sind. Was war die Idee hinter dieser Kombination?

Bei der Zusammenstellung darf man nicht nur die einzelnen Positionen betrachten. Vordergründig könnte man sagen „Wir haben einen Center, der nicht besonders athletisch ist, lasst uns einen anderen besonders athletischen Center dazu verpflichten.“ Das klingt nach einer guten Idee. Aber dann kommt ein Haken: Einer dieser beiden Center muss ein Deutscher sein! Nicht irgendein Deutscher, sondern ein guter Deutscher. Und nicht einer, sondern sechs. Wenn einer von diesen ein nicht besonders athletischer Center ist, dann muss man Wege finden, um das anderweitig zu kompensieren. Wir haben auch andere athletische Deutsche gesucht, aber – wie jedes andere Team – nicht jeden Spieler, den wir verpflichten möchten, können wir auch verpflichten.

Zu Kikanovic und Radosavljevic, die beide über eine ähnliche Athletik verfügen, hatten wir ja – vermeintlich – mit Brandon Ashley noch einen Hyper-Athleten, Rebounder, Shotblocker und Malcolm Miller ist auch ein sehr athletischer Spieler. Der Plan war, die fehlende Athletik auf der Centerposition durch Athletik auf der großen Flügelposition zu kompensieren. Das hat dann aus den bekannten Gründen nicht funktioniert.

Es ist nicht so einfach, da man mehrere Punkte berücksichtigen muss, wie die teilweise Einschränkung durch die Nationalität, durch den Etat-Rahmen, durch das Angebot auf dem Markt zum jeweiligen Zeitpunkt und auch dadurch, dass alles auch innerhalb des Teamgefüges zusammen passen muss.

Hat der Vorfall mit Brandon Ashley zu einem Umdenken geführt, wie man an die Verpflichtung von Spielern heran geht?

Nein, das war ein sehr spezieller, einmaliger Fall, daran kann man sein grundsätzliches Vorgehen bei der Arbeit nicht ausrichten. Für viele Leute aus dem Basketball Business war es völlig unverständlich, warum sich diese Angelegenheit so entwickelt hat. Der Spieler hatte einen guten Vertrag bei einem guten Team, eine gute Möglichkeit, sich als junger Spieler zu präsentieren. Ich mache vor einer Verpflichtung sehr tiefgehende und intensive Recherchen, versuche, so viel wie möglich über den neuen Spieler herauszufinden, auch über seine Persönlichkeit, aber so etwas kann man mit der allerbesten Recherche nicht heraus finden. Der Spieler hatte seinen Agenten gewechselt und plötzlich war es eine komplett andere Situation. Das ist schade für Ashley, er hat jetzt ein Jahr lang keinen Basketball mehr gespielt, ein Rückschritt in seiner Karriere.

Damit nun genug über Vergangenes, im nächsten Teil geht der Blick nach vorn. Wir schauen gemeinsam voraus auf die Dinge, die uns in einer langen Off-Season und vor allem in der kommenden Saison erwarten werden.

Stay tuned!

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