Mitchell Watt soll in den nächsten zwei Jahren für Alba unter dem Korb aufräumen. Der Bigman wagte in diese Sommer eine Luftveränderung und wechselte nach mehreren Jahren in der israelischen Liga an die Spree. In Berlin hofft der US-Amerikaner von Coach Sasa Obradovic aus seiner Komfort-Zone gedrängt zu werden, Watt mag es eigentlich eher gemütlich. Zu Beginn seiner Karriere erwischte ihn das Guillain-Barré-Syndrom. Die Erkrankung der Nervenbahnen hätte mindestens das Karriereende bedeuten können, für Watt gab es jedoch nur ein Ziel: die Rückkehr auf dem Court. Mit uns sprach er über die damalige Zeit, seine Entscheidung über mehrere Jahre in Israel zu bleiben und seine Ziele für die Zukunft.

Mitchell, du kennst schon einen Teil deiner Mitspieler (zum Zeitpunkt des Interviews war Ivan Aska noch mit an Bord) aus den letzten Spielzeiten in Israel. Erleichtert dir das die Anpassung in Berlin?
Ja es hilft, auch weil wir durch ähnliche Situationen schon im vergangen Jahr gegangen sind. Alles was für mich neu ist, ist für die anderen Jungs auch neu. Es hilft also irgendwie, wenn man nicht alleine alles durchmachen muss. Basketballerisch ist es auch wertvoll, schon öfter gegeneinander gespielt zu haben. Wir wissen, wie der andere spielt, das hilft besonders in der Anfangsphase der Saison, wenn es darum geht eine Chemie zu finden.
Waren die Anpassungsschwierigkeiten in Israel größer oder vielleicht doch eher jetzt in Berlin?
Wenn man in ein neues Land kommt, ist die größte Hürde zunächst die Sprache. Israel und Berlin ähneln sich in einem Punkt: jeder spricht Englisch. Das macht es im Vergleich zu anderen Ländern viel einfacher. Das Wetter war in Berlin bis jetzt auch sehr gut …
…Erwarte da lieber nicht zu viel!
(schmunzelt) Ja, ich weiß, dass es kälter wird. Aber alles in allem läuft die Anpassungsphase gut, das Team, Staff und der komplette Verein helfen ungemein.
Du hast deine komplette Profi-Karriere bisher in Israel verbracht. Gab es dafür einen bestimmten Grund?
Die Angebote die ich bekommen habe, hatten sich immer sehr geähnelt. Das betrifft die Situation und die Ambitionen des Vereins oder auch das Finanzielle. Ich wollte eine ordentliche, solide Saison spielen, von daher hat sich der Verbleib immer angeboten. Man braucht ja auch immer eine gewisse Anpassungszeit, wenn man die Liga wechselt. Die Entscheidung, nach Deutschland zu wechseln, war ja nicht nur eine Entscheidung für die BBL, sondern vor allem für Alba. Ich denke ich kann mich hier weiterentwickeln und den nächsten Schritt als Spieler machen.
Ich nehme an der nächste Schritt wäre die NBA?
Ich verfolge immer die beste Situation für mich und meine Familie. Die NBA wäre natürlich toll, da könnte ich im eigenen Land spielen, finanziell wäre es gut und außerdem würde damit ein Lebenstraum in Erfüllung gehen. Wer als Kind in den Staaten aufwächst träumt natürlich von der NBA. Was natürlich nicht heißt, dass ich z.B. nicht auch gerne auf hohem Niveau wie in der Euroleague spielen wollen würde. Ich denke ich bin eine recht besonnene Person; ich wäge immer alle Optionen ab. Angenommen der finanzielle Unterschied ist nicht allzu groß, aber meine sportliche Rolle wäre in der NBA wesentlich schlechter, würde ich nicht zögern die Option Basketball in Europa in Betracht zu ziehen. Aber wie gesagt, das ist immer situationsabhängig.
Dein Zweijahres-Vertrag mit Alba passt also gut in die NBA-Planung?
Aktuell versuche ich mehr im Hier und Jetzt zu bleiben, was in Zukunft passiert, lasse ich auf mich zukommen. Egal ob es NBA, Euroleague oder Eurocup ist. Ich denke Alba und ganz besonders Coach Sasa [Obradovic] sind derzeit das Beste für mich. Er pusht mich aus meiner Komfortzone, streckt mich als Spieler und Mensch in verschiedene Richtungen. Ein Wechsel war für mich besonders notwendig, weil ich eben so lange in einer Liga gespielt habe.
Sasa ist ja bekannt dafür, seine Spieler zu pushen, das passt also gerade ganz gut?
(schmunzelt) Ja. Ich bin eine ganz andere Person als Coach Sasa. Er hält seinen Fuß auf dem Gaspedal – und zwar die ganze Zeit. Er ist natürlich auch nett und abseits des Feldes eine andere Person. Ich dagegen mag es etwas ruhiger, bequemer. Das ist natürlich nicht immer gut, besonders, wenn man weiter wachsen will. Er fordert mich jeden einzelnen Tag heraus, mich weiter zu verbessern. Ich denke, das ist genau das, was ich gebraucht habe.
Während deiner College-Zeit warst du eher für deine Defense – insbesondere Blocks und Rebounds – bekannt. Hat sich das über die Zeit groß verändert oder ist das immer noch deine besondere Stärke?
Dafür war ich auch in Israel hauptsächlich bekannt. Meine Rolle dort war natürlich eine andere als am College. Hier in Berlin habe ich jetzt quasi alles was ich gelernt habe aus dem Fenster geschmissen, unter Sasa erlerne ich Basketball komplett neu. Wen ich auf dem Feld verteidige, wo ich auf dem Feld stehen werde, all das wird anders als in der letzten Saison sein. Mein Beitrag wird vielleicht ein anderer sein, jetzt wo ich mich an die neuen Defensiv-Schemen gewöhne, aber ich freue mich schon auf diese Änderungen.
Will Cherry sagte uns, er hätte zwei Monate gebraucht, um sich in Litauen auf dem Feld anzupassen. Erwartest du auch eine Eingewöhnungsphase von dieser Länge?
Abseits des Feldes komme ich schon gut zurecht. Basketball wird in Europa natürlich ganz anders gespielt als in Amerika, die israelische Liga hat vom Spielstil aber viele Ähnlichkeiten mit Amerika. Ich hatte hier zuletzt einige Foul-Probleme (lacht). Ich muss hier also noch lernen anders physisch zu spielen, da ist der Unterschied groß.
Die BBL galt lange als „untypische“ europäische Liga, weil hier auch viele Amerikaner spielen. So gravierend wie noch vor ein paar Jahren ist es jetzt nicht mehr, aber von der Anpassung her sollte es nicht allzu schwer werden…
Ja ein wenig ist mir das aufgefallen. In Israel durften wir mit drei Amerikanern auf dem Feld spielen, was wahrscheinlich immer noch mehr ist als in anderen Ligen. In Deutschland darf man aufstellen wen man will, vermute ich?
Jein. Auf dem Spielberichtsbogen dürfen nicht mehr als 6 Spieler mit ausländischem Pass stehen, bei den fünf Spielern auf dem Feld gibt es allerdings keine Beschränkungen…
Also kann es auch mal passieren, dass 10 Amerikaner auf dem Feld stehen. Oder auch 10 Europäer. Das hört sich nach einer interessanten Mischung an. Wenn ich z.B. gegen einen Amerikaner mit einem ähnlichen Spielstil wie meinem spiele, muss ich dann vielleicht anders an die Sache rangehen als wenn ich gegen einen Europäer verteidige.

Lass uns mal auf deine Vergangenheit eingehen. Ich hoffe ich spreche das jetzt richtig aus…
(lacht) Guillain-Barré-Syndrom!
Wenn du auf die Zeit damals zurückblickst, inwiefern hat es dich, abgesehen von den Symptomen, beeinflusst?
Damals hatte ich gerade mein Freshman-Jahr am College beendet, meine Saison war ok. Im Sommer trainiert man dann ja immer hart und hat hohe Erwartungen an die nächste Spielzeit. Die Krankheit kam dann am Ende des Sommers, kurz vor meinem Sophomore-Jahr, und hat mir komplett den Wind aus den Segeln genommen, den Moment komplett zerstört. Zum Glück hatte ich gute Leute um mich herum, die mich ermutigt haben. Die Ärzte kamen ja mit Neuigkeiten wie „Du wirst vielleicht nicht mehr spielen können“ oder „du wirst dich davon vielleicht nicht komplett erholen können“. Aber die Menschen um mich herum, haben mich glücklicherweise positiv beeinflusst. In dieser Zeit habe ich auch viel über mich und meinen Charakter gelernt. Das waren positive Erfahrungen die ich aus der Situation gezogen habe. Da ich mich ja glücklicherweise davon komplett erholt habe, war es insgesamt durchaus auch eine positive Erfahrung.
Geht es in dem Moment wirklich darum, wieder Basketball spielen zu können? Oder kommt das vielleicht erst als zweiter oder dritter Gedanke?
Als ich im Krankenhaus war, habe ich viele Fragen gestellt. Viele Antworten die ich bekommen habe, haben mir nicht unbedingt gefallen. Ich hatte aber immer im Kopf, dass ich zurück aufs Feld wollte. In welchem Zustand auch immer: ich wusste ich werde zurückkehren. Ich habe immer darauf hingearbeitet, für mich gab es keine andere Option.
Das wäre die nächste Frage gewesen, hätte es einen Plan B gegeben? Oder nur Plan A, Basketball?
Ich wusste, dass ich aufs Feld zurückkehren werde. Es war ein langer und auch anstrengender Prozess. Dein Nerven-System ist ja nicht wie deine Knochen, die einfach so heilen. Es war eine sehr ungewöhnliche „Verletzung“ weil die Reha auch etwas völlig Neues für mich war. Die Liebe zum Basketball habe ich jedoch immer im Herzen getragen.
Mitch, für freuen uns dich jetzt hier zu haben! Danke für das Gespräch

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