Giffey und Alba: Wie die Faust aufs Auge?

Niels Giffey, Blick immer nach oben; Foto: Alba Berlin
Niels Giffey, Blick immer nach oben; Foto: Alba Berlin

Niels Giffeys Karriere, so könnte man behaupten, hat gerade ihren Höhepunkt erreicht. Der gebürtige Berliner ist zum zweiten Mal College-Meister geworden, vor über 80.000 Zuschauer in einem der meistverfolgten Sportveranstaltungen im Mutterland des Basketballs. Und das nicht nur als Reservist, sondern als wichtiger Bestandteil der Mannschaft. In einigen Tagen und Wochen wird er die Hand von US-Präsident Obama schütteln und sein Studium in „Economic Geography“ an der University of Connecticut abschließen.

Die wenigsten Basketballer am College schaffen es überhaupt ein mal das NCAA Final Four zu erreichen; Giffey hat nun sogar zwei Mal den Titel  geholt. Mehr geht kaum. Könnte man meinen.

Doch Giffey ist im Juni 23 Jahre alt geworden. Er hat noch kein einziges Profi-Spiel in seiner Laufbahn absolviert. Die Karriere des Flügelspielers fängt gerade erst an. Nach March Madness, ist vor dem Profi-Alltag.flashback: Giffey und Alba 1.0

Es ist im Frühherbst 2007. In der leider sehr kleinen Fanszene für den Alba-Nachwuchsbasketball hat sich herum gesprochen, daß dieser Giffey zu Alba wechseln würde, weil er dort NBBL spielen und mit renommierten Coaches trainieren kann. Dieser Giffey, der mit 16 schon über 10 Minuten im Schnitt  in der zweiten Bundesliga (Männer) bei TusLi spielen würde und ein großes Talent sein soll. Da stand er also im Frühherbst 2007 in der Nebenhalle der Max-Schmeling-Halle und es ging ein Geraune durchs Rund. „Hmmh!“, jemand murmelte etwas von „halbes Hemd“. Blond, blass, körperlich schwach. Ein Kind. Der sollte dieses große Talent sein? Der Eindruck änderte sich, sobald er auf dem Feld stand. Das erste, was auffiel, war: Mut! Selten hat man einen Spieler gesehen, der trotz großer körperlicher Nachteile mit so viel Mut zum Korb zog. Das war aussergewöhnlich. Immer wieder hat er seine Schnelligkeit genutzt, selbst später im Männerteam in der Regionalliga, wo die physischen Defizite noch größer waren. Dazu kamen damals schon gut erkennbare technische Fähigkeiten und ein sicherer Wurf von aussen. Defensiv fehlte noch Einiges, aber  das sollte sich durch die Arbeit mit Marius Huth und eine Saison später auch Henrik Rödl, verbessern. Spätestens in der folgenden Saison 2008/09 kristallisierten sich auch Führungsqualitäten heraus. Wer der offizielle Kapitän des NBBL-Teams war, entzieht sich der Erinnerung, der emotionale Anführer war in jedem Fall Steven Monse, aber auf dem Feld vertrauten alle – auch die älteren Jahrgänge – auf die Entscheidungen des „Jungspunds“ Giffey. Und dieser führte „sein“ Team sehr erfolgreich …

… womit wir beim Thema Gewinnermentalität bzw. Siegergen und einem aussergewöhnlichen NBBL-Finale wären. Niels Giffey hasst es, zu verlieren und entwickelte enorme Willensstärke, um sich gegen Niederlagen zu stemmen und den Rest des Teams mitzureissen. So auch an jenem 10. Mai 2009 in der mit 2.100 Zuschauern gut gefüllten Sömmering-Halle Berlin. NBBL-Finale, Alba Berlin gegen die Paderborn Baskets. Alba hatte im Halbfinale dem Bamberger Kooperationspartner Breitengüssbach das Nachsehen gegeben, Paderborn sich gegen den großen Favoriten Urspring durchgesetzt. Somit war alles bereitet für den großen Showdown der seinerzeit besten deutschen Basketball-Nachwuchsmannschaften. Paderborn war nicht deutlich besser als Alba, hatte aber doch über drei Viertel des Spiels mehr oder weniger deutlich die Nase vorn – vor allem dank eines herausragenden Lars Wendt, der den jungen Albatrossen einen Dreier nach dem anderen einschenkte. Niels Giffey hatte in diesen ersten drei Vierteln eine gute, aber nicht herausragende Partie gespielt und 16 Punkte erzielt, wurde auch gut verteidigt. Paderborn traf besser und holte sich die Rebounds und führte folgerichtig mit 9 Punkten Vorsprung. Was dann im letzten Viertel folgte, kann man mit Recht als aussergewöhnlich bezeichnen. Durch Giffey ging noch mal ein Ruck und das  riss die gesamte Mannschaft mit. Alle Energiereserven wurden aktiviert und defensiv noch mal der Einsatz hoch geschaltet. Seinen 16 Punkten aus den ersten drei Vierteln liess Giffey im letzten nochmals weitere 16 folgen, darunter die letzten – und letztlich entscheidenden – fünf Punkte der Partie. Mit weniger als einer halben Minute auf der Uhr war die Partie augeglichen, Alba hatte den Ball, Giffey kriegt den Ball, hat einen ganz kurzen Moment Platz und nimmt und trifft den entscheidenden Dreier, als hätte er die letzten 20 Jahre nichts anderes gemacht. Mit zwei sicher verwandelten Freiwürfen erzielt er dann auch noch die letzten Punkte der Partie und krönt damit seine individuelle Leistung. In Zahlen waren das 32 Punkte bei einer Quote von über 63 %, 100 % Freiwurf-Quote, 6 Rebounds (davon 5 offensiv mit viel Einsatz geholt), ein Block, ein Assist, ein steal. Nicht in Zahlen messen lässt sich natürlich der Wert als Organisator, Anführer und Antreiber.

NBBL-Finale 2009 - Giffey, Monse, Saibou vereint gegen Lars Wendt, Foto (c) camera4
NBBL-Finale 2009 – Giffey, Monse, Saibou vereint gegen Lars Wendt, Foto (c) camera4

Mit Niels Giffey verbunden ist auch eine im deutschen Nachwuchsbasketball so einmalige wie tragische endende Erfolgsgeschichte. Mit Niels Giffey in seinem ersten Jahr im Alba-NBBL-Team, hatte dieses im Juni 2008 im NBBL-Finale in Langen gegen Urspring das letzte Mal ein Spiel verloren. Dann stiessen neben Niels Giffey weitere gute Talente zu dem eh schon gut von Henrik Rödl zusammen gestellten Team. Vielleicht das beste Alba-Nachwuchsteam aller Zeiten, aus dem es mit Konstantin Klein, Brian Wenzel, Steven Monse, Joshiku Saibou, Sebastian Fülle, Nico Adamczak und anderen gleich mehr als nur eine handvoll zu mindestens borderline-BBL-Spielern schafften. Da passte einfach alles zusammen. Auf diesem Boden wuchs etwas Großes, es folgte Sieg, auf Sieg, auf Sieg, auf Sieg … eine Saison ohne eine einzige Niederlage mit dem krönenden Abschluss des NBBL-Titels im Frühjahr 2009. Zur Saison 2009/10 wurde das Team mit u.a. Joey Ney, Malte Ziegenhagen, David Herwig, Leon Tolksdorf und Dennis Sasse noch einmal verstärkt und machte dort weiter, wo es in der Saison 2008/2009 aufgehört hatte. Angeführt von Giffey gab es wieder einen Sieg nach dem anderen, eine Saison mit weisser Weste. Fast! Nach saisonübergreifend 39 Siegen in Folge (das dürfte ein Rekord für die Ewigkeit sein), standen sie im 40. Spiel wie schon 2008 im NBBL-Finale dem Team der Urspringschule Schelkingen gegenüber. Diverse Verletzungen gerade auf den großen Positionen sorgten dafür, daß Giffey im Frontcourt spielen musste und sich dort nicht so wie auf dem Flügel gewohnt effektiv einbringen konnte. Das und auch ein sehr starker Gegner verhinderten eine weitere perfekte Saison, Urspring behielt klar die Oberhand. Für Niels Giffey war das in seinem letzten Spiel für Alba nach zwei Jahren mit ausschließlich Siegen zum Abschluss eine Niederlage. SO kann die Geschichte Alba – Giffey doch nicht zu Ende sein, das wirkt unvollendet, da fehlt noch ein Kapitel … !

Highlights, hauptsächlich aus jungen Jahren:
[youtube https://www.youtube.com/watch?v=cEVEpp-nwfI&w=640&h=480]

back to the future: Giffey und Alba 2.0? Das muss doch klappen!?

Mit seinen 22 Jahren hat Giffey, wie bereits erwähnt, schon einiges erlebt. Vermutlich schon mehr als viele Basketballer in ihrer gesamten Karriere. NBBL-Meister 2009, zweimaliger College-Meister. Dazu war er im vergangenen Jahr bei einer insgesamt völlig verkorksten Europameisterschaft einer der wenigen Lichtblicke der Nationalmannschaft.

Giffeys Talent, gepaart mit seinen Erfahrungen, wecken natürlich Begehrlichkeiten. In einem immer mehr hart umkämpften Markt um Spieler mit deutschem Pass, ist Giffey Gold wert. Seine Defensive und sein verlässlicher Distanzschuss würden ihn voraussichtlich auf Anhieb in jede Rotation eines BBL-Spitzenklubs katapultieren. „3 and D“, also ein sicherer Dreier in Kombination mit guter Defense, sind zumindest in Europa heiss begehrte Eigenschaften. Verständlich also, dass auch Alba schon seit geraumer Zeit den Kontakt zu Giffey hält. Immer mal wieder war Mithat Demirel zu Besuch in den Vereinigten Staaten. Wieso auch nicht. Der 22-Jährige ist talentiert und zudem gebürtige Berliner. Er hat die Berliner Talentschule (Marzahn, TuSLi, Alba) durchlaufen und kann somit, auch trotz der 4 Jahre am College, als Berliner Eigengewächs bezeichnet werden. Das Verlangen, endlich mal wieder einen Spieler aus dem eigenen Nachwuchs bei den Profis zu sehen, ist in Berlin enorm. Seit Jahren wird in der Hauptstadt von der fleißigen Arbeit beim Nachwuchs und den zahlreichen Investitionen gesprochen, doch einen Spieler in der Rotation mit Berliner Hintergrund suchte man vergeblich. Giffey könnte endlich der Startschuss sein, es könnte „geerntet“ werden, was über viele Jahre gesät wurde. Das nach Identifikation lechzende Alba-Publikum will Spieler sehen, die sich mit dem Verein verbunden fühlen und wissen, welchen Stellenwert es hat, das gelbe Trikot zu tragen. Zudem ein Collegespieler, der frisch als Meister an die Spree wechselt, die Identifikationsassoziationen noch viel mehr verstärkt. Schließlich, gab es da ja mal in der Vergangenheit so eine ähnliche Geschichte…

 In Rödls Fußspuren?

Als Henrik Rödl 1993 nach Berlin wechselte, kam er als College-Meister aus North Carolina. 11 Jahre, 7 Meisterschaften, 4 Pokalsiege, 1 Korac-Cup und 5228 erzielte Punkte später, beendete er seine Karriere bei Alba. Ohne in diesem Zeitraum ein einziges Mal den Klub gewechselt zu haben. Mehr Vereinslegende geht nicht. Seine Nummer hängt völlig verdient unter dem Dach der Arena am Ostbahnhof.

Nicht nur die Gemeinsamkeit als Uni-Champions verbindet Rödl und Giffey. Beide sind in etwa gleich groß, decken dieselben Positionen ab und gelten/ bzw. galten als engagierte Verteidiger. Beide holten 2009 den NBBL Titel nach Berlin, Giffey als Spieler, Rödl als Trainer. Es wäre allerdings vermessen, von Anfang an solche Vergleiche zu ziehen. Daran kann ein solch junger Spieler eigentlich nur scheitern. Einen Rödl gibt es nur einmal, Giffey hat sicherlich das Potenzial, seine eigene Geschichte zu schreiben.
Man könnte also meinen, eine Verpflichtung passt wie die Faust aufs Auge. Nicht nur mit dem ganzen Identifikations-Hintergrund, sondern auch weil die derzeitige Alba-Mannschaft als jung und hungrig auftritt und sich die Zuschauer wieder identifizieren können. Giffeys Einflussbereich im Kader würde irgendwo zwischen den Positionen von Akeem Vargas und Alex King fallen, doch für einen Berliner lässt sich schon eine Position finden.

Ganz so leicht gestaltet sich eine Verpflichtung jedoch auch nicht. Auch wenn die B.Z. im März, scheinbar voreilig, vermeldete, dass Alba den „verlorenen Sohn“ zurückholen wird, gestaltet sich die Realität ganz anders. Als College-Spieler unterliegt Giffey strengen Regelungen, Verhandlungen mit Profi-Teams sind ihm untersagt. Deshalb hat der B.Z.-Artikel auch schon für reichlich Ärger gesorgt. Außerdem ist die Konkurrenz in Deutschland groß. Die Vereine der oberen BBL-Klasse sind bereit, viel zu zahlen, um deutsche Spieler zu holen. Auch ausserhalb seiner Geburtsstadt gibt es einige interessante und gut betuchte Interessenten. Theoretisch könnte es Giffey auch in die NBA schaffen. Große Erfolgsaussichten werden ihm dort aus verschiedenen Gründen zwar nicht attestiert, völlig unmöglich ist es jedoch auch nicht.

Wünschenswert wäre eine Rückholaktion jedoch allemal. Giffey verkörpert die Eigenschaften, die Nachwuchsspieler von Alba (bzw. TusLi) in der erfolgreichen Zeit des Vereins immer mitbrachten: gute Verteidigung und eine ordentliche Portion Selbstbewusstsein. Damit würde er auch zu den Verpflichtungen des letzten Sommers passen. Ein Grundgerüst aus jungen deutschen Spielern um Giffey, WoBo, Vargas und Akpinar könnte den Kader qualitativ und quantitativ aufwerten.

3 Gedanken zu „Giffey und Alba: Wie die Faust aufs Auge?“

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