
Seit vergangenem Donnerstag ist die Saison für Alba Berlin sportlich beendet, nach der Abschiedsparty am Sonntag auch emotional. Nach verdautem Schock, beginnt nun auch für die Fans die Offseason, jene langweilige Zeit im Sommer ohne Profi-Basketball. Und damit die Zeit der Spekulationen. Viele Personalien muss der Verein nun bearbeiten, eine scheint aber – auch bei den Anhängern – die wichtigste zu sein. „Bleibt er oder geht er?“ dürfte wohl die passende Frage sein, die für den Fortgang der Sommerpause eminent wichtig ist.
In einem Raum, irgendwo in den Katakomben der O2 World zeigte sich Guy Goodes, Coach von Maccabi Tel Aviv, nicht nur als fairer Gewinner, sondern auch zutiefst beeindruckt. Statt sich über den so wichtigen Sieg und den Einzug in das Euroleague-Viertelfinale zu freuen, überhäufte der Israeli die Verlierer-Mannschaft an diesem Aprilabend mit Komplimenten. Besonders eine Bemerkung machte die Wertschätzung für sein Pendant an der Seitenlinie bemerkbar; vom „unique style of play“ schien Maccabis Trainer besonders beeindruckt.
Der Heilsbringer in Berlin, der Gegenspieler von Guy Goodes an jenem Abend, ist 1,96 Meter groß, hat einen kahl rasierten Schädel, der bei Aufregung schnell einen ungesunden roten Ton annimmt, und ein Stimmorgan, das seinesgleichen sucht. Es geht natürlich um Sasa Obradovic, der seine dritte Spielzeit als Cheftrainer von Alba gerade beendet hat. In dieser Zeit hat der 46-Jährige dem Verein und seiner Mannschaft seinen Stempel aufgedrückt. Besonders bemerkbar macht sich das seit dem vorletzten Sommer, die Mannschaft trat stets hungrig auf, verteidigte knallhart und wich vor keinem Gegner zurück.
Die Arbeitsweise des Trainers hat nicht nur dem Team auf dem Feld eine Identität gegeben, sondern auch dem ganzen Verein geholfen, den Resetknopf erfolgreich drücken zu können. Denn Alba hatte vor der Ankunft Obradovics Probleme, seine Rolle zu definieren. Der Sprung vom ehemaligen Liga-Krösus mit hohen internationalen Ansprüchen zum hungrigen Underdog wäre ohne Obradovic wohl nur schwer gelungen.
Auch der Cheftrainer hat die Zeit dieser Orientierungslosigkeit ein Jahr lang mitgemacht. Die erste Spielzeit unter Obradovic begann gut und endete katastrophal. Nach zwischenzeitlicher Tabellenführung, Euroleague Top 16 und Pokalgewinn folgte die Bruchlandung mit internen Streitereien und dem erneuten Aus im Viertelfinale der BBL-Playoffs. Auch der Serbe blieb nicht frei von Kritik, seine cholerische Art an der Seitenlinie und die blutleeren Vorstellungen des Teams in der entscheidenden Saisonphase blieben selbstverständlich nicht unbemerkt. Doch der Verein hielt am Trainer fest und schaffte mit ihm den Neustart. Alba positionierte sich als Jäger mit vergleichsweise beschränkten finanziellen Mitteln und Obradovic konnte ein Team nach seinen Vorstellungen aufbauen. Ergebnis bekannt! Junges Team, begeisterndes Spiel, Pokalsieg, Eurocup-Viertelfinale und Vizemeisterschaft.
Der Kern des Teams erhielt langfristige Verträge und spielte auch in der abgelaufenen Saison erfolgreich weiter. Allerdings enden viele Kontrakte nun, viele Spieler haben sich mittlerweile auch für Höheres empfohlen. Der Verein befindet sich allerdings in einer kniffligen Situation. Die sportliche Situation wird nicht einfacher, finanziell werden die meisten Leistungsträger nicht gehalten werden können. Die direkte Qualifikation für die Euroleague ist erneut misslungen, Alba kann (noch?) nicht mit der Aussicht auf die höchste europäische Spielklasse locken.
Auch Obradovics Leistungen haben für Aufsehen gesorgt, bei einer Umfrage unter den Managern der Euroleague-Teams wurde Obradovic zu einem der besten Trainer gewählt. Wohlgemerkt als Chefcoach eines Vereins, dessen finanzielle Möglichkeiten im Vergleich zu den Topteams deutlich beschränkter sind. Es verwundert also nicht, dass bereits jetzt zahlreiche Wechselgerüchte um den Headcoach existieren. Die Plätze bei absoluten Spitzenklubs sind rar und größtenteils bereits besetzt. Aber auch in der Riege dahinter befinden sich einige Teams mit gehobenem Etat, die für Obradovic interessant sein könnten.
Sasa Obradovic scheint mittlerweile Alba entwachsen zu sein. Zu Beginn war das noch anders: Als er zum Verein stieß hatte der Serbe Köln, Kiew, Zgorzelec und Donezk trainiert. Keine völlig unbekannten Namen, aber auch keine großen Nummern im europäischen Basketball. Zudem erhielt Obradovic für seine erste Spielzeit, wie bereits erwähnt, viel Kritik. Doch nun scheint es so, als ob Alba mehr bieten müsse, als nur die Rolle als sympathischer Underdog hinter Bamberg und Bayern. Das geht nur mit mehr finanziellen Möglichkeiten.
Es wäre schade, wenn Sasa Obradovic den Verein in diesem Sommer verlassen sollte. Die Entwicklung der letzten zwei Jahre würde auf der Kippe stehen, zumal Obradovics Profil genau zum Team und zum neuen Selbstverständnis von Alba Berlin perfekt passt; vergleichsweise jung, hungrig und mit noch Raum für Entwicklung. Auch ein vergleichsweise junger Coach wie Obradovic lernt noch dazu. Drei Mal scheiterte der Headcoach an seinem alten Meister, Svetislav Pesic. Immer knapper wurden zuletzt die Niederlagen in den Playoffs. Abgeschlossen kann das Kapitel Alba eigentlich noch nicht sein. Es fehlt noch das Happy-End. Sasa Obradovic könnte es persönlich schreiben. Wenn er bleibt …