Faszination Amateure

(Dio/Smarvwoods) Amateure“… im Basketball ein eher selten benutztes Wort um die zweite Mannschaft des Profivereins zu nennen. Was sich auf den ersten Blick nicht besonders attraktiv liest, ist bei näherer Betrachtung ein sehr interessantes Thema.

Max Schmeling Halle ; Foto:Tocker
Max Schmeling Halle ; Foto:Tocker

Nicht nur vom sportlichen Aspekt her, sondern auch aus Supporter-Sicht sollte es sich mal lohnen einen Blick in den Nebenhallen der Max-Schmeling-Halle zu werfen.

Ein Kurzer Exkurs zum Fußball: Hier ist es durchaus gang und gäbe, dass die jeweiligen Ultra-Gruppierungen, die sonst in den Kurven der gigantischen und modernen Fußballarenen stehen, auch zu den Spielen der zweiten Mannschaft aufkreuzen. Die besonders aktiven Fanszenen bringen auch gerne mal mehrere hundert Fans zu Auswärtsspielen der zweiten Mannschaft mit. Doch wieso, wenn man aus sportlicher Sicht in der 1. Liga hochklassigen Fußball zu sehen kriegt?

Der Reiz ergibt sich nicht erstrangig aus dem sportlichen Wert sondern aus Direktheit, Nähe, Nachhaltigkeit. Aus dem guten Gefühl zu sehen, wie Spieler sich entwickeln und im Laufe einer Saison oder über Jahre hinweg immer besser werden. Das gibt es bei Profi-Teams nicht oder nur in sehr geringem Maße, da dort eben in der Regel weitgehend „fertige“ Spieler verpflichtet werden (müssen?).

Die Möglichkeit, die Entwicklung eines Spielers wie z.B. Niels Giffey vom 16jährigen (mit damals schon sehr klar erkennbarem Talent) bis zum NCAA Champion über Jahre beobachten zu können und zu sehen wo und wie sich was in welche Richtung bewegt, möchte ich nicht missen und das kann ein Profi-Team mit hochvolatilem Kader nicht bieten.

Andere Spieler könnte man ebenso als Beispiele nennen.

Das ProB-Team ist die Spitze eines riesigen Unterbaus, eines Nachwuchsprogramms, in das Alba viel Engagement und Zeit steckt, das am Ende einer logischen Kette von den Minis über JBBL und NBBL steht. In der Regel ist das ProB-Team für viele Spieler der letzte Schritt vor einem Profi-Engagement oder dem Gang ans College. Das ProB-Team läuft in Berlin ganz klar unter „Nachwuchsprogramm“ und unterscheidet sich teilweise sehr deutlich von anderen Teams in der ProB an anderen Standorten.

Andernorts ist das ProB-Team das einzige oder zumindest das höchstklassige Basketball-Team am Ort. Das spiegelt sich dann in der Kaderzusammenstellung mit ausländischen Profis, in der medialen, lokalen Aufmerksamkeit und im Zuschauerzuspruch wider – eher lokales Sport-Entertainment-Unternehmen als ausgewiesenes Nachwuchsprogramm (welche es allerdings teilweise auch an anderen Standorten gibt).

Die Strahlkraft der Marke „ALBA BERLIN“ ist Fluch und Segen zugleich. Im Schatten des Profi-Teams fällt es der ProB-Mannschaft zwangsläufig schwer, wahrgenommen zu werden, obwohl die durchaus mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. In Berlin gibt es – anders als an anderen Standorten – eben die Möglichkeit auch deutlich höherklassigen Basketball zu sehen.

Rückspiegel. Zur Charakterisierung der strikten Nachwuchsausrichtung hilft vielleicht ein Blick zurück, hier mal als Beispiel auf den NBBL-Meister 2009 und was daraus geworden ist:

„10.05.2009, ca. 15:30 Uhr, Coach Hendrik Rödl und „Käpt’n“ Monse recken das NBBL-Meisterschild vor über 2.000 begeisterten Fans in der Sömmeringhalle in die Höhe. Niels Giffey ist der unumstrittene MVP und hat mit 32 Punkten maßgeblichen Anteil daran, dass Paderborn „nur“ 38 Minuten führte …

Was ist aus diesem Team geworden, wo hat es die hin verschlagen? Niels Giffey wurde im Frühjahr NCAA Champion (das zweitgrößte Sportereignis der USA nach dem Super Bowl), Gordito Wenzel spielt in dieser Saison BBL in Braunschweig, Nico Adamczak (BBL in Göttingen), Käpt’n Monse BBL in Bamberg (musste das wirklich sein?), Joshiko Saibou (BBL in Trier). Wenn man die letzten Jahre betrachtet kann man auch noch Ändie Seiferth, Ossi Faßler (beide BBL, Trier), Olli Clay (BBL, Würzburg), Max Rockmann (BBL, Hagen), Kulle (BBL, Braunschweig), Joey Ney (BBL, Alba) und andere (nicht vollständig) dazu rechnen. Soooo schlecht ist die Ausbildung in Berlin nicht, nirgendwo sonst kommen so viele aktuelle BBL-Spieler her wie aus der „Berliner Schule“.

Den Ausbildungscharakter erkennt man auch im aktuellen Kader wieder; Abgänge von wichtigen Spielern der letzten Saison müssen durch den neuen Coach Milan Pesic, als Ersatz für den zu den Alba-Profis aufgestiegenen Alan Ibrahimagic von der IBBA gekommen, idR durch junge Talente ersetzt werden. Einige Leistungsträger der letzten Saison haben die Profi-Karriere eingeschlagen oder sind ans College gegangen (Seiferth, Saibou, Ziegenhagen) oder haben in Richtung Konkurrenz das Team verlassen.

Ersetzt werden sollen diese hauptsächlich durch vielversprechende Nachwuchsspieler. Der neue Coach Milan Pesic hat einige seiner Ex-Spieler von der IBBA mitgebracht, u.a. den gerade 18jährigen letztjährigen NBBL Rookie of the year, Mauricio Marin.

Das Team ist das jüngste von allen ProB-Teams und noch jünger als das Team in der letzten Saison. Nur 2 Spieler sind 20 Jahre oder älter, 5 Spieler spielen parallel noch im NBBL-Team, 7 Spieler haben letzte Saison noch NBBL gespielt. Gerade die letzteren werden in der aktuellen Saison schon viel Verantwortung übernehmen müssen (Fülle, Ney, Kleiner, Schumann …), „Opa“ Tobias Grauel (25) muss die jungen Wilden anführen.

Das Alba-Team tritt als einziges Team ohne ausländische Profis an. In der Crunchtime kann niemand einem dominanten Ami den Ball in die Hand drücken, junge Spieler müssen zwangsläufig Verantwortung übernehmen. Das kann mangels Erfahrung zu Fehlern und sogar verlorenen Spielen führen, bringt auf der anderen Seite aber auch Erfahrungen, die man nicht trainieren kann. Leider ist das Team vermutlich auch eines der kleinsten der ProB. Im Frontcourt ist der Kader quantitativ dünn besetzt, nur 4 Spieler teilen sich den Job, unter denen mit Cem Dinc ein erfahrener Spieler mit einer bewegten Vergangenheit als Basketballer mit vielen Ups and Downs steht.

Wozu dieser Kader reicht, ist jetzt noch schlecht einzuschätzen. Es geht in erster Linie um Entwicklung und darum, so viele Spiele zu gewinnen, um den Abstieg zu vermeiden.

Eines halte ich aber für nahezu sicher: Das Team und die meisten Spieler werden zum Saisonende stärker sein, als am Anfang. Das zu beobachten ist spannend und es lohnt sich, sich das anzusehen. Unterstützung kann das junge Team gut gebrauchen.

 Auch für Basketball-Puristen lohnt sich der Weg zur Max-Schmeling-Halle: Anders als beim allwöchentlichen Zirkus in der o2-World, wird dem Besucher der Spiele der zweiten Mannschaft schlicht und einfach Sport geboten. Weg von Lichtshow, B-Promis und überteuerten Cateringpreisen kann man sich einfach mal ein Basketballspiel ansehen. Ein Spiel, mit echten Lokalhelden die für wenig oder gar kein Geld spielen und die Bedeutung des Vereins besser einschätzen können als so mancher Söldner der das Trikot in den letzten Jahren bei den Profis überstreifen durfte.

Für Fans, wie die Jungs von Block 212 (die übrigens teilweise auch anwesend sein werden), bietet sich außerdem mal die Möglichkeit in Ruhe, sprich fern von Eventfans, zu supporten. Desweiteren lockt die ProB Alba-Fans mit echten Derbys (gegen Bernau und Stahnsdorf).

Für Nostalgiker bietet sich, neben dem Besuch der alten Heimspielstätte, am Ende des Monats, die Möglichkeit beim Heimspiel gegen Bayer Leverkusen an alte Zeiten zu denken.

Alba Berlin 2 vs. Herzöge Wölfenbüttel

8.10.2011, 15 Uhr – Max-Schmeling-Halle B

Be there or be square

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