Eurocup-Auftakt ohne viel Druck

Viel Arbeit kommt auf Dennis Clifford (hier gegen die Rockets) auf Gran Canaria zu, um gegen deren bärenstarken Frontcourt bestehen zu können.
Viel Arbeit kommt auf Dennis Clifford (hier gegen die Rockets) auf Gran Canaria zu, um gegen deren bärenstarken Frontcourt bestehen zu können.

Wenn Alba Berlin am zweiten Tag des neuen Jahres 2018 zu nachtschlafener Zeit (Sprungball: 21:00 Uhr!) zum ersten Spiel der Zwischenrunde im Eurocup bei Herbalife Gran Canaria antritt, können sie mit wenig Druck dort auflaufen. In der 11.500 Zuschauer fassenden Gran Canaria Arena in der Kanaren Hauptstadt Las Palmas – deutlich dichter am Äquator als an Europa gelegen – sind die Hausherren klarer Favorit. Während sich die Berliner weiterhin mit Verletzungen herum plagen, Spencer Butterfield und Bogdan Radosavljevic werden weiterhin fehlen, haben sich die Spanier nochmals verstärkt.

Mit dem argentinischen Nationalspieler Nicholas Brussino wurde ein Flügelspieler verpflichtet, der in der Saison 2016/17 in 54 Spielen für die Dallas Mavericks durchschnittlich 10 Minuten in der NBA aufgelaufen ist. Es ist allerdings fraglich, ob er gegen Alba Berlin schon mitwirken wird. Definitiv fehlen wird jedoch der 39jährige Routinier Albert Oliver. Der Aufbauspieler verpasste am Samstag im „Derby“ gegen Teneriffa wegen einer Adduktoren-Verletzung zum ersten Mal seit über 7 Jahren und 251 Spielen in Folge erstmals wieder ein Ligaspiel in der ACB. Im Eurocup war der Oldie immer noch für knapp 19 Minuten Spielzeit gut, in der Liga sogar für 21 Minuten und war dort der viert-effektivste Spieler der „Canarios“.

Allerdings verfügt gerade CB Gran Canaria über einen tief besetzten Kader und eine tiefe Rotation, auf die der spanische Coach Luis Casimiro, Nachfolger von Albas Aíto Garcia Reneses, oft komplett zurück greift. Gleich zwölf Spieler der „Multi-Kulti-Truppe“ mit Spielern aus Spanien (4 Spieler), den USA, der Dominikanischen Republik, Tschechien, Argentinien, Schweden, Armenien, Israel und Lettland werden regelmäßig zwischen 11 und 24 Minuten eingesetzt. Diese große Rotation wird auch gebraucht, um das für Gran Canaria typische schnelle Spiel aufzuziehen. Sie erzielten nicht nur die meisten Punkte in der ersten Runde des Eurocups, sondern spielen dabei auch noch schneller als die meisten anderen Teams. Dabei überzeugen sie durch gutes Zusammenspiel – kein Team spielt mehr Assists – und finden damit ihre groß gewachsenen Center Ondrej Balvin (2,17 m) und Anzejs Pasecniks (2,16 m), die mit kombiniert über 20 Punkten maßgeblich dafür verantwortlich sind, dass Gran Canaria das treffsicherste Team des Eurocups ist (über 57 %) und bei Fehlwürfen zusammen über 12 Rebounds holen. Insgesamt holt das Team die viertmeisten Rebounds aller Eurocup-Teams. Mit dem dominikanischen Nationalspieler und unglaublich kräftigen Eulis Baez (111 kg auf 2,01 m), der seit 2012 in Gran Canaria und inzwischen Kapitän ist, dem amerikanischen Rookie-Center (mit armenischem Pass) Luke Fischer und dem spanischen Nationalspieler Pablo Aquilar (28) ist der Frontcourt der Spanier tief wie der Atlantik rund um die Insel und eine Herausforderung für Dennis Clifford und Luke Sikma sowie die jungen Tim Schneider und Kresimir Nikic auf Berliner Seite.

Sollte doch mal kein Durchkommen am Brett sein, wartet mit dem Schweden Marcus Eriksson (24) der zweiterfolgreichste Dreier-Schütze des Eurocups (31 Treffer, 54,4 %), der mit 17 Punkten auch der erfolgreichste Korbjäger der Spanier ist. Im Übrigen trifft sonst nur noch Center Balvin zweistellig (10,3 Punkte), aber gleich neun Spieler erzielen mehr als 7 Punkte, was für die Ausgeglichenheit des Teams spricht. Ebenfalls treffsicher von der Flügelposition ist der Amerikaner Dennis DJ Seeley, der 2014 als Nachverpflichtung auch eine ordentliche Leistung in der BBL für medi Bayreuth brachte. Er nimmt vier Dreier pro Spiel, die er mit 35 % trifft. Auch jemand, den man nicht frei stehen lassen sollte. In Szene gesetzt werden die Schützen vom israelischen Nationalspieler Gal Mekel (29), auch mit 35 Spielen in der NBA und vier Jahren Erfahrung in der Euroleague, der mit 5 Assists zu den besten Vorlagengebern des Eurocups gehört. Abgerundet wird der Back court durch den ehemaligen spanischen Junioren-Nationalspieler Oriol Pauli, seit 2014 in Gran Canaria, der seine Stärken beim Zug zum Korb hat, und den aktuellen spanischen A-Nationalspieler, Xavi Rabaseda (28), der eine wichtige Backup-Rolle ausfüllt.

Da stellt sich natürlich automatisch die Frage, warum bei diesem doch hochkarätigem Kader das Team in der Vorrunde mit 5-5 Siegen „nur“ Gruppenvierter geworden ist und in der ACB mit 8-6 Siegen auch „nur“ auf dem siebten Platz steht. Die Antwort liegt, man ahnt es schon, bei der Defense. Denn die Spanier lassen auch die meisten Gegenpunkte aller qualifizierten Eurocup-Top16-Teams zu (knapp 88). Zudem verteidigen sie die Dreierwürfe der Gegner nicht gut, schlechter war nur noch Ulm. Da kann ein Schlüssel für Alba Berlin liegen, die eines der treffsichersten Teams des Eurocups aus der Dreierdistanz sind (42,5 %) und gleich sieben Spieler eine bessere Quote als 38 % vorweisen können: Grigonis ist mit 54,5 % sogar einer der besten des Eurocups, aber auch die Werte von Vargas (52,6 %), Peno (46,7 %), dem leider fehlenden Butterfield (46,5 %), Siva (40,5 %) sowie Giffey und Saibou (je 38,5 %) können sich durchaus sehen lassen.

Mut kann den Berlinern auch der Trend machen. Die letzten vier Spiele hat Gran Canaria allesamt verloren, darunter auch die 128-129 Heimniederlage nach dreimaliger Verlängerung, durch die man statt Gruppenerster nur -vierter wurde, und am vergangen Samstag eine richtige 92-71 „Klatsche“ ausgerechnet beim „Derby“ auf Teneriffa. Der springende Punkt wird sein, wie gut Alba den starken Frontcourt vom Brett weg halten kann, was gerade beim ausgedünnten Alba-Frontcourt eine riesige Aufgabe wird, und am Ende wird es auch nicht unwesentlich von der eigenen Trefferqoute von aussen abhängen. Die Spanier verteidigen die Dreier nicht besonders gut, aber treffen muss man natürlich auch die halbwegs freien. Die Favoritenrolle liegt bei Gran Canaria, aber völlig chancenlos ist Alba auch nicht.

Für Headcoach Aíto, der das Team von 2014 – 2016 trainierte und Sportdirektor Himar Ojeda, der sogar in Las Palmas geboren wurde, ist es eine Reise in die Vergangenheit. Wobei bei Ojeda „Reise“ nicht ganz hinkommt, denn der befindet sich bereits seit Weihnachten auf den Kanaren und hat für die Berliner „spioniert“.       

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