
Quelle: Ailura, CC BY-SA 3.0 AT [CC BY-SA 3.0 at (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/at/deed.en)], from Wikimedia Commons
Alba Berlin hat sich für die nächsten zwei Saisons die Dienste von Martin Herrmannsson (23) gesichert. „Martin Who?“ werden sich viele fragen. Dabei müsste man eher „Martin HUUH!“ sagen, denn Hermannsson ist Isländer und diese sind ja bekannt für tollen Support im Fussball wie Basketball und das eindrucksvolle HUUH aus vielen tausenden nordischen Kehlen. Aber allein deshalb hätte ihn Alba sicher nicht verpflichtet, eines der größten europäischen Talente seines Jahrgangs hat deutlich mehr zu bieten.
Der breiten Masse an Basketball-Interessierten war Hermannsson bisher sicher eine große Unbekannte, den echten Fachleuten offenbar nicht. Wieder einmal ist es dem Team um Himar Ojeda gelungen, einen Spieler zu finden – und dann auch noch zu verpflichten – der noch weitgehend unter dem Radar flog. Es gab zwar auch ein Angebot von Darüssafaka Istanbul, aber die Wahl zwischen Aíto (Alba) und Ahmed (Cake, nächste Saison Coach in Istanbul und Vorgänger von Aìto in Berlin) würde den meisten Berlinern wohl nicht besonders schwer fallen; Hermannsson offenbar auch nicht. Island gehört nicht gerade zu den großen Basketball-Nationen, der erste Isländer in der BBL ist Albas Neuzugang jedoch nicht. In der Saison 2002-03 spielte Jon Arnor Stefansson seine erste Saison im Ausland für die TBB Trier, um im Anschluss von den Dallas Mavericks verpflichtet zu werden, ohne jedoch je ein Spiel für den NBA Club zu machen. Daran schlossen sich noch viele renommierte Stationen in Russland, Italien und Spanien an und auch heute, im Alter von 35 Jahren ist er noch eine Stütze der isländischen Nationalmannschaft – gemeinsam an diesem Wochenende mit Martin Herrmannsson, wo es eine knappe 86-88 Niederlage in Bulgarien gab (Hermannsson 14 Punkte, 2 Rebounds)!

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Während Stefanssons Karriere sich langsam dem Ende zuneigt, startet Hermannsson jetzt gerade erst richtig durch. Nach heimischer Liga beim Verein mit dem klangvollen Namen Knattspyrmyfélag Reykjavik, (nur) 2 Jahren College für die Brooklyn Blackbirds der Long Island University (LIU) und zweiter Liga Frankreichs (Ètoile de Charleville-Mezières, Allstar Team, 2. MVP) hatte er in der gerade abgelaufenen Saison seinen Durchbruch in der ersten Liga Frankreichs (LNB-A) mit Champagne Chalon-Reims Baskets (CCRB) zusammen mit Ex-Albatros Paul Carter sowie den ebenfalls aus der BBL bekannten Lamonte Ulmer (Würzburg), John Flowers (medi Bayreuth) und Ekene Ibekwe (Artland Dragons, BBC Bayreuth, Giessen 46ers, Fraport Skyliners und Rockets Erfurt). Bei den Nordfranzosen, die die Saison nur auf dem 14. Tabellenplatz abschlossen, entwickelte sich der junge Isländer zu einem der Shooting Stars der Elite-Liga Frankreichs. Für sein Team stand er am längsten von allen Spielern auf dem Parkett (32,5 Minuten), spielte die meisten Assists (5,7), hatte die beste Dreier- und Freiwurfquote (42,3% / 85,5 %), war Topscorer (13,9 Punkte) und auch effektivster Spieler (15,4). Auch ligaweit gehörte er in einigen Bereichen zu den Spitzenspielern. Bei Assists (4.), Punkte (15.), Dreierquote (10., mindestens ein Dreier pro Spiel) oder Hands on buckets (4. Wert, an wievielen erzielten Punkten der Spieler beteiligt war) gehörte zu den Spitzenspielern Frankreichs.
Was ihn aber so besonders wertvoll macht, ist seine Vielseitigkeit. Trotz seines immer noch jungen Alters findet er die richtige Balance aus selbst zu punkten oder die Mitspieler in Szene zu setzen. Er kann mit links und mit rechts dribbeln und ebenfalls mit links und mit rechts scoren. Er kann sein Offensivspiel variieren, zum Korb ziehen oder aus der Distanz treffen, sich selbst einen Wurf kreieren oder auch als spot up shooter abschließen. Das folgende Video zeigt schön seine Variablität:
A propos Vielseitigkeit. Bis zum Alter von 16 Jahren jagte der kleine Martin noch einem kleineren Ball nach, denn auch in Island – ein Land mit nur ca. 334.000 Einwohnern (in etwa so viele wie Charlottenburg-Wilmersdorf) – ist Fußball wie fast überall in Europa die Sportart Nr. 1, auch wenn die Isländer generell ein sportverrücktes Völkchen sind. Als „Zwergstaat“ auf die Einwohner bezogen sind sie neben Fußball auch im Handball und Basketball europäisch gesehen gut mit dabei. „Es ist sicher das Quellwasser aus unseren Vulkanen, das muss etwas Besonderes sein.“ so Hermannsson in einem Interview mit der Seite der französischen Liga LNB. „Es ist erstaunlich zu sehen, was wir im Basketball, Fußball oder Handball erreichen können. Es ist schwer zu erklären. Vielleicht ist es die Wikinger-Seite in unserer DNA … Niemand hat eine Erklärung.“ Ab und an denkt Hermannsson noch an Fußball und dieses was-wäre-wenn: „Ich bereue nichts, auch wenn ich manchmal darüber nachdenke, was hätte passieren können, wenn ich mich für Fußball entschieden hätte.„. Dabei lag doch Basketball so nah, schließlich ist sein Vater der isländische Nationalspieler Hermann Hauksson, der an der Basketball-EM 1997 teilnahm und dort in 19 Minuten 7.7 Punkte erzielte.
Nationalmannschaft ist für Hermannsson schon immer ein wichtiges Thema gewesen. Bereits mit 16 Jahren spielte er in der U20-Nationalmannschaft Islands, erhielt aber als Youngster nur 7 Minuten Einsatzzeit, die er zu 3 Punkten im Schnitt nutzte. Ein Jahr später, in „seiner“ Altersklasse U18, sah das schon ganz anders aus. Mit 17,3 Punkten war er Topscorer seines Teams und der 5.-beste der B-Europameisterschaft. 2015 erfolgte dann der Einstieg in den Erwachsenenbereich. Bei der Europameisterschaft in Berlin kam er knapp 15 Minuten zum Einsatz und nutze diese Zeit für knapp 5 Punkte. Gegen Deutschland stand er 14 Minuten auf dem Court und steuerte 3 Punkte zur knappen 65-71 Niederlage bei. Die beiden Jahre im französischen Profi-Basketball haben seiner Entwicklung offenbar sehr gut getan. Bei der EM im letzten Sommer war Hermannsson aufgestiegen vom Mitspieler zum absoluten Leistungsträger. Er führte die Isländer bei Punkten (12,8), Assists (3,6), Steals (1,4) und Effektivität (12,6) an und war deren zweit-bester Rebounder (4,0). Das verhalf den Isländern zwar zu keinem Sieg, aber für die war die Qualifikation schon ein riesiger Erfolg. Auch bei den aktuell laufenden Qualifikations-Spielen für die WM 2019 ist Albas Neuzugang nicht nur dabei sondern ein absoluter Leistungsträger und als Topscorer (23,2 Punkte) und effektivster Spielr (20,4) mit dafür verantwortlich, dass sich Island am Montag mit einem Sieg in Finnland noch für die 2. Runde der Qualifikation qualifizieren kann. Die Auftritte mit der Nationalmannschaft wirken sich auch positiv auf seine Leistungen aus; nach den sog. Fenstern hat er in der französischen Liga seine besten Spiele abgeliefert. Nationalmannschaft ist für ihn eine Herzenssache: „Seit ich mit Basketball angefangen habe, war es mein Ziel, für die Nationalmannschaft zu spielen„, sagte Martin Hermannsson gegenüber lnb.fr. „Der verrückteste Traum ist es, für dein Land zu spielen. Wenn ich Islands Trikot trage, ist es ein anderes Gefühl, als für seinen Verein zu spielen. Wir spielen für etwas anderes. Wir sind zwölf Mann und wir vertreten Island. Wir wollen alles geben, um zu zeigen, dass unser Land das Niveau hat und auch der Welt zu zeigen, was wir individuell können. Wir geben da immer 110%.“
Alba Berlin bekommt mit Martin Hermannsson also einen Spieler, der mit 23 Jahren zwar noch jung ist, aber auch schon viel Verantwortung übernommen und Führungsqualitäten gezeigt hat. Seine Entwicklung zeigte kontinuierlich in eine Richtung – nach oben – und da er erst spät mit Basketball begonnen hat, besteht die berechtigte Hoffnung, dass er mit seiner Entwicklung noch lange nicht am Ende ist. Auch für den Isländer ist der Gang von einem schwächeren französischem Team zu einem Top-Team der Basketball Bundesliga und Eurocup-Vertreter der nächste logische Schritt seiner bisher ziemlich geradlinig verlaufenen Karriere.
Und dann war da ja noch die Sache mit dem HUUUH… Geht beim Basketball auch, aber das sollten die Berliner besser hinkriegen als die Franzosen:
Ein Gedanke zu „Es wird exotisch bei Alba Berlin“