Für alle, die 1990 schon alt genug zum Fernsehen waren (die anderen lassen es sich von Eltern oder älteren Geschwistern erzählen), ist Werner Beinhart ebenso ein Begriff wie der inzwischen legendäre Spruch seines Meisters Röhrich „Eckaaaaaad, die Russen kommen! Sach meine Frau Bescheeeeid und geh runner in Keller!“. Geholfen hat es freilich nichts, die Russen kommen trotzdem! Und zwar am Freitag, 17. Oktober, in Form des mega-reichen russischen Armeesportklubs ZSKA Moskau, die um 20:15 Uhr, der erste Gegner von Alba Berlin in der neuen Euroleague-Saison 2014/15 sind.
Wenn man an den Zentralny Sportiwny Klub Armi (ZSKA) aus der russischen Hauptstadt denkt, denkt man eher früher als später auch an unvorstellbar viel Geld. Die russische Armee und somit deren Oberbefehlshaber Wladimir Putin machts möglch. Geld spielt offenbar keine Rolle und muss auch nicht am Markt erwirtschaftet werden, weder über Sponsoren und schon gar nicht über Zuschauereinnahmen. Es ist einfach da … und niemand fragt, wo es herkommt. ZSKA Moskau, das steht für Privatjets, Pomp, Kaviar. Courtside-Seats der Preiskategorie „nach oben offen“, alte Männer mit dicken Bäuchen und Brieftaschen mit jungen, blonden Frauen, viel zu blond, um echt zu sein. Klischees werden bei ZSKA immer noch perfekt erfüllt. Dagegen wirkt Alba ein wenig wie Schaumwein in der Champagner-Klasse. Aber nicht zuletzt steht der zweimalige Euroleague-Champion aus Russland für exzellenten Basketball und die Ansammlung großartiger Basketballer.
Was soll man Basketballfans noch groß über ZSKA Moskau erzählen? Der russische Armee-Sportclub (“Red Army Horses”) ist seit Jahrzehnten ein absolutes power house im europäischen Basketball und mit einem geschätzten Etat von 50+ Millionen Euro und eigenem Privatjet der reichste Basketball Club außerhalb der amerikanischen Profiliga NBA. Dementsprechend ist alles andere als der Titel in der Euroleague für die reichen Russen ein Mißerfolg. Darauf warten sie nun schon seit der Saison 2007/08 – zu wenig für die eigenen Ansprüche und den Etat! In den letzten 10 Jahren erreichten die Moskauer neun mal die Top4 der Euroleague, aber “nur” zwei mal gewannen sie die Euroleague tatsächlich auch. Der italienische Erfolgscoach Ettore Messina der bei seinem ersten Auftritt für ZSKA zwischen 2005 – 2008 vier mal das Finale und zwei Titel erreichte, war in den letzten beiden Jahren weniger erfolgreich, verpasste jeweils das Finale und wollte (musste?) nach der letzten Saison den Trainerstuhl räumen und hat als Assistenztrainer der San Antonio Spurs einen neuen interessanten Job und wohl angenehmeren Arbeitsplatz als das im Winter bitterkalte Moskau gefunden. Platz gemacht hat er relativ überraschend nicht für einen neuen Star coach sondern für den erst 43jährigen Dimitros Itoudis, der als headcoach noch nicht die ganz großen Clubs in seiner Vita zu stehen hat, jedoch als assistant coach über mehr als 10 Jahre Erfahrung beim griechischen Top Club Panathinaikos Athen verfügt und mit den „Grünen“ gleich fünf Mal die Euroleague gewonnen hat. Itoudis ist also nur auf den ersten Blick ein unbeschriebenes Blatt, verfügt schon über jede Menge Erfahrung auf dem Niveau der Euroleague. Ein kleines Fragezeichen steht noch dahinter, ob er auch „Chefcoach“ auf diesem Level kann. Auch für den neuen Coach zählen ausschließlich Titel, den bisher 62 Titeln in der Vereinsgeschichte müssen noch weitere folgen, wobei letztlich nur der Gewinn der Euroleague die Saison wirklich zu einem Erfolg macht.
Da wie gesagt Geld keine Rolle spielt, konnte sich Itoudis dafür ein Team ganz nach seinen Wünschen zusammen stellen. Einen recht großen Teil des Teams der Vorsaison um Milos Teodosic, Aaron Jackson, Sonny Weems, den Ex-Bamberger Kyle Hines und eine Reihe russischer Nationalspieler wie Sasha Kaun, Viktor Khryapa, Vitali Fridzon oder Andrej Vorontzevic hat der neue Coach beisammen gehalten. Namhafte Abgänge wie Nenad Krstic (zu Efes Istanbul), Jeremy Pargo (zu Albas Euroleague Gegner Maccabi Tel Aviv) oder Vladimir Micov (zu Galatasaray Istanbul) stehen adäquate Neuzugänge gegenüber. Aus der NBA kam der im Sommer von einigen Konkurrenten umworbene französische Nationalspieler Nando de Colo; für fire power soll der georgische Guard-Forward Manuchar Markoishwili, der schon mal in der BBL ein Gastspiel beim MBC gab, als der MBC mal deutlich mehr Geld ausgab, als er eigentlich hatte. Diese Verpflichtung verwundert ein wenig, denn trotz aller Erfahrung bei verschiedenen Vereinen in der Euroleague ist Markoishwili ein Spieler, den man nicht unbedingt bei einem der absoluten europäischen Top-Teams erwartet hätte. In diese Kategorie fällt auch der amerikanische Forward Demetris Nichols, der zwar immer mal wieder an der Grenze zur NBA lavierte, bei dem es aber zu einem Vertrag bei einem richtig großen Club bisher auch nicht gereicht hatte. Wie immer ist ZSKA auch 2014/15 wieder ein sehr großes, respektive langes, Team. „Zwerg“ Jackson ist mit 1,90 m der Kleinste im Team, selbst die meisten guards reichen an die 2 Meter Grenze heran. Damit können die wirklich eine „brutale“ Defense aufbauen.
backcourt
Milos Teodosic, Aaron Jackson, Ivan Stebkov,
Nando de Colo, Vitali Frizdon, Alexej Zozulin,
Sonny Weems, Manuchar Markoishwili, Demetris Nichols,
frontcourt
Kyle Hines, Viktor Krhyapa, Pavel Korobkov,
Sascha Kaun, Andrej Vorontzevic,
coach
Dimitros Itoudis
Für Alba spricht gegen diesen Gegner wenig, es gibt jedoch ein paar „Strohhalme“, an die man sich klammern kann, ein paar Gründe, warum nicht ganz so krasser Aussenseiter ist. Ein neuer Trainer hat neue Ideen, will andere Systeme spielen, die ganz zum Anfang der Saison möglicherweise noch nicht ganz so gut funktionieren. ZSKA hat zwar in der Vorbereitung bis auf eine knappe Niederlage mit einem Punkt gegen Aris Saloniki alle Spiele gegen in der Regel namhafte Gegner gewonnen, in der Liga haben sie jedoch gleich das zweite Spiel relativ deutlich in Kuban verloren. ZSKA ist also nicht unschlagbar! Zudem haben sie erst zwei Ligaspiele absolviert, da könnte Alba schon besser eingespielt sein. Beim Spiel am letzten Wochenende in Kuban konnten Nando de Colo, Demetris Nichols und Viktor Khryapa nicht mitspielen und es ist fraglich, ob sie in Berlin dabei sein werden. Auf der anderen Seite könnte die Verletztensituation und das verlorene Spiel in Kuban dazu führen, dass Moskau die Berliner nicht auf die leichte Schulter nehmen wird und die in der Vergangenheit ab und an mal gezeigte Arroganz, am Freitag wohl eher nicht zum Tragen kommen wird.
Generell bleibt Alba natürlich trotzdem deutlicher Aussenseiter. Bei Moskau spielen mehr als ein Dutzend Nationalspieler, mit Milos Teodosic der beste point guard ausserhalb der NBA, mit Kyle Hines einer der dominantesten Center der Euroleague und jede Position ist doppelt hochkarätig besetzt. Alba hat nach allem gesundem Menschenvestand so gut wie keine Chance gegen die „reichen Russen“ … aber die hatten sie gegen die San Antonio Spurs auch nicht. Und von allen absoluten europäischen Top-Teams lief es für Alba gegen die Moskauer noch am besten. 5 Niederlagen stehen auch 5 Siege gegenüber, wobei der letzte Sieg aus der Saison 2000/2001 nun auch schon wieder 14 Jahre zurück liegt. Zeit, die Bilanz mal wieder etwas aufzubessern. Bei Albas erstem Auftritt in der Beletage des europäischen Basketballs, der Euroleague, in der Saison 1996/97 waren die Berliner ebenso krasse Aussenseiter … und konnten ZSKA gleich zwei Mal schlagen! Wir wollen nicht ausverschämt werden, aber wenigstens ein Überraschungssieg im Heimspiel wäre schon nett. Wenn man bis zum Ende in Schlagweite bleibt, ist alles möglich.
Wir haben keine Chance, nutzen wir sie!
Auch Jamel McLean und Cliff Hammonds haben zwar Respekt vor Moskau, aber auch genügend Selbstbewusstein, wollen ZSKA das Leben so unangenehm wie möglich machen.
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Ein Gedanke zu „Eckaaaaaad, die Russen kommen!“