Das große alba-inside Sommerinterview mit Himar Ojeda, Teil III

 

Immer einen Blick auf die Zahlen …

Es ist zu einer schönen Tradition geworden, dass wir uns im Sommer mit Alba Berlins Sportdirektor Himar Ojeda zu einem ausführlichen Interview treffen. So auch wieder in diesem Jahr. Um ein wenig tiefer in die Basketball-Materie einzutauchen, Dinge zu besprechen, die im Tagesgeschäft zu kurz kommen. Wir sprachen über die Offseason, die kommende Saison, den neuen Kader, die Euroleague, den Nachwuchs und haben ein wenig weiter als über ein Jahr hinaus geschaut. Nachdem wir im ersten Teil zunächst einen Blick zurück auf die vergangene Saison geworfen haben und uns im zweiten Teil mit den Herausforderungen der Offseason befasst hatten, geht es nun ganz konkret um die Zu- und Abgänge, zunächst im dritten Teil um die Spieler auf den kleinen Positionen.

Die meisten unserer Leser sind mit den Ergebnissen der diesjährigen Offseason sehr zufrieden und heben den Daumen nach oben, aber einige haben nicht verstanden, warum Publikumsliebling Joshiko Saibou den Verein verlassen hat und durch Makai Mason ersetzt wurde. Welche Idee steht hinter diesem Wechsel?

Joshi [Joshiko Saibou] hatte ein sehr gutes erstes Jahr bei uns, über den Erwartungen, hat die Herausforderung toll angenommen, hart gearbeitet und sich eine große Rolle im Team erspielt. Im letzten Jahr war er lange verletzt und hat dann länger gebraucht, um wieder reinzukommen. Deshalb war seine Rolle auch nicht ganz so groß. Trotzdem hat er viel und auch gut gespielt, wenn er in der Lage war zu spielen. Die Trainer haben schon auf ihn gesetzt. Als wir das neue Team für diese Saison zusammengestellt haben, haben wir mit den Erfahrungen der abgelaufenen Saison darauf geschaut, auf welchen Positionen wir möglicherweise etwas verändern möchten. Bei Joshi war die Situation so, dass es eventuell schwer für ihn geworden wäre, eine größere Rolle in der Rotation spielen zu können. Er hätte wohl Abstriche in Kauf nehmen müssen. Ich denke, dass die Möglichkeiten in Bonn sehr gut für ihn sind. Er wird eine größere Rolle dort spielen. Und er wird dort etwas machen können, was bei uns eher nicht möglich wäre, da wir schon Siva, Hermannsson, Mason und Peno auf den Ballhandler-Positionen haben: Er wird in Bonn auf beiden Guardpositionen spielen können, was seiner Spielweise entgegenkommt.

Fühlt er sich etwas unwohl, wenn er den Ball nicht oft in der Hand hat?

Er wird in Bonn oft den Ball in der Hand haben, was bei uns so nicht möglich wäre. Er ist ein Spieler, der es liebt, selbst zu kreieren. Da kommt ihm die neue Rolle in Bonn auf jeden Fall entgegen. Als wir unser Team gedanklich neu zusammengestellt haben, haben wir uns auch Gedanken darüber gemacht, wo Joshi dort Platz finden könnte. Auf seiner Position sind wir schon gut und tief besetzt und Jonas Mattisseck kommt noch dazu, den wir in dieser Saison voll in die Rotation integrieren wollen. Alles in allem hätte die neue Rolle von Joshi für ihn ein Schritt zurück sein können. Das wäre in seinem Alter nicht gut für ihn. Mehr Verantwortung in einem neuen Team sollte definitiv besser für ihn sein und ihn letztlich auf ein neues Level bringen können.

Den Ersatz von Joshiko Saibou, Makai Mason, könnte man als Rookie bezeichnen, es wird seine erste Saison als Profi spielen. Wie groß kann seine Rolle sein? Kann man seine Situation mit der von Kenneth Ogbe vor einem Jahr vergleichen? Was erwartet ihr von Mason?

Eigentlich sehen wir Makai Mason nicht als Ersatz von Joshiko Saibou. Eine Mannschaft ist ein dynamisches Konstrukt, in dem während der Sommerpause selten Spieler eins zu eins ersetzt werden, sondern immer das gesamte Gefüge betrachtet wird. Aber wenn man unbedingt einen direkten Ersatz benennen müsste, dann wäre das eher Jonas [Mattisseck]. Jeder muss seine Rolle finden und die hängt davon ab, was er im Training leistet. Wir haben versucht, eine Lösung zu finden, die Raum für Jonas – an den wir hohe Erwartungen haben –  schafft, um sich zu entwickeln. Aber er muss sich Schritt für Schritt entwickeln und lernen mit der „freieren“ Auslegung seiner Position klarzukommen, lernen, selbständig situativ Entscheidungen zu treffen. Obwohl er ein Rookie, aber trotzdem ein sehr guter Spieler ist, kann Makai Mason einen sehr positiven Einfluss auf die Entwicklung von Jonas haben. Beide konkurrieren miteinander, aber so ist das Basketballgeschäft, sie müssen lernen, sich durchzusetzen. So ähnlich war der Plan mit Kenneth Ogbe im letzten Jahr auch, aber manche Entwicklungen kann man nicht immer vorhersehen. Franz Wagner hat sich extem schnell weiterentwickelt, wodurch er etwas von der Einsatzzeit bekommen hat, die Ogbe hätte bekommen sollen. Zudem hatten wir erwartet, dass Kenny mehr auf der 2 spielen kann, was sich so nicht ganz umsetzen ließ. Grundsätzlich versuchen wir ein Team immer so zusammenzustellen, dass alle eine faire Chance haben, sich zu zeigen. Das gilt auch für Makai in seinem ersten Profijahr. Wenn er gut arbeitet und sich durchsetzt, dann wird er auch entsprechend spielen.

Wenn man sich die Spielweise von Makai Mason ansieht, dann erinnert das stark an die Spielweise von Kevin Pangos [26, 1,85, 79 kg, Pointguard beim FC Barcelona, kanadischer Nationalspieler]. Die Schusstechnik, die Bewegungen, das Tempo, selbst die Statur scheinen sich sehr zu ähneln. Siehst du auch Ähnlichkeiten zwischen diesen beiden Spielern, können wir etwas Ähnliches wie einen „deutschen Pangos“, natürlich zunächst auf einem niedrigeren Niveau, erwarten?

Das wäre toll, denn Kevin Pangos ist ein großartiger Spieler. Ich sehe da schon einige Ähnlichkeiten, z.B. die Wurftechnik, die Fähigkeit, ein Spiel „lesen“ zu können oder wie sie sich auf dem Feld bewegen. Das ist gut. Es gibt aber auch Ähnlichkeiten bei den Nachteilen, die beide haben, z.B. die Größe und Kraft, aber das gleichen sie durch Energie, Geschwindigkeit und gute Fußarbeit aus. Was wir, aber auch Makai selbst, noch herausarbeiten müssen, ist, welche Position die beste für ihn ist. So ähnlich wie bei Jonas Mattisseck, der bisher viel auf der 1 gespielt hat, wo ich aber denke, dass es für ihn zukünftig vielleicht besser ist, wenn er hauptsächlich auf der 2 spielt und nachrangig auf der 1. Wir werden versuchen, sowohl Mason als auch Mattisseck zu einem sog. Comboguard zu entwickeln. Mit Präferenz auf der Shootingguard Position, aber auch der Möglichkeit als Pointguard zu spielen. Wir werden sehen, wo der Spieler sich besser entwickeln kann. Das hilft ihm mehr, als ihn vorab als Pointguard oder Shootingguard abzustempeln. Wir werden sehen, wie wettbewerbsfähig Makai sein wird. Pangos ist absolut wettbewerbsfähig auf höchstem europäischen Niveau, Mason erst am Beginn auf dem Weg dorthin. 

A propos Pointguards … Wie stellt sich aktuell die Situation um Stefan Peno dar? Er war am Wochenende beim Fest zum 30-jährigen Jubiläum von Alba wieder mit Krücken zu sehen…

Er hat einige Monate ohne Schmerzen gearbeitet, dann war das Knie leicht geschwollen. Es wurde eine Arthroskopie gemacht, um zu sehen, was da los ist, denn die Schwellung war natürlich nicht normal. Es musste eine Kleinigkeit am Meniskus gemacht werden und danach war das Knie besser, aber er darf es für ca. 10 Tage überhaupt nicht belasten und natürlich auch nicht trainieren. Wir können dann auf dem Stand weitermachen, auf dem er vor der Arthroskopie war und müssen nicht wieder komplett neu aufbauen. Wir verlieren vielleicht 2, 3 Wochen, nicht mehr. Ich hoffe, dass er zum Saisonbeginn einsatzfähig sein wird, aber selbstverständlich noch nicht auf Topniveau.

Einer der neuen Spieler ist Marcus Eriksson. Jeder, der sich ein wenig für Basketball interessiert, weiß, dass er ein exzellenter Schütze ist, aber was ist er darüber hinaus? Was zeichnet ihn sonst noch aus?

Ja, jeder weiß, dass er ein hervorragender Schütze ist. Und das ist etwas sehr Wichtiges! Wenn man es auf das absolute Wesentliche reduziert, besteht der Sinn des Spiels darin, den Ball zu werfen und in den Korb zu treffen. Das ist etwas, was man kaum lehren und lernen kann. Man kann als Coach den Spielern beibringen, wie man gut verteidigt, aber es ist weitaus schwieriger zu vermitteln, wie man zu einfachen Körben kommt. Das gehört aber zu unserer Grundphilosophie. Dafür brauchen wir aber auch Spieler mit dem entsprechenden Talent. Marcus Eriksson, den ich schon lange kenne, hat dieses Talent. Dieses Talent, das man sich kaum antrainieren kann. Er hat in der vergangenen Saison mit Gran Canaria Euroleague gespielt. Er war der Go-to-guy, der die wichtigen Würfe bekommen und genommen hat und jeder Coach wusste das. Einige Trainer, die ich kenne, haben mir bestätigt, dass bei der Vorbereitung auf die Spiele gegen Gran Canaria das Hauptaugenmerk darauf lag, Eriksson zu stoppen. Wenn man Eriksson stoppen konnte, hatte man deutlich größere Chancen, zu gewinnen. Und trotzdem hat er 28 Punkte gemacht. Obwohl sich die gegnerische Verteidigung sehr stark auf Marcus Eriksson konzentriert hat, war er in der Lage, zu punkten! Das war für mich ein sehr wichtiges Argument für seine Verpflichtung. Er findet Wege, um erfolgreich abzuschließen, weil er eben mehr ist, als nur ein guter Werfer. Er trifft gute Entscheidungen im Spiel. Wenn er nicht von außen punkten kann, zieht er zum Korb oder dribbelt und nimmt einen Mitteldistanzwurf. Oder er passt zum Mitspieler. Er ist physisch nicht sehr stark, aber er ist groß und ein harter Arbeiter. Er ist kein Überathlet, aber uns sind die positiven Dinge, die er mitbringt, wichtiger. Wenn er dazu auch noch ein Überathlet wäre, wäre er wahrscheinlich auch mit unseren Möglichkeiten unerreichbar.

Marcus Eriksson ist neben Niels Giffey einer von zwei Spielern mit Euroleague-Erfahrung. War das ein Kriterium für seine Verpflichtung?

Es war mehr der Fakt, dass er erfolgreich in der Euroleague gespielt hat, nicht nur, weil er einfach Erfahrung dort hat. Das Gleiche gilt für Niels, der auch schon erfolgreich dort gespielt hat. Aber alles in allem haben wir wenig Erfahrung in der Euroleague, das ist ein Fakt. Damit müssen wir klarkommen und es wird ein wenig dauern, bis wir uns an dieses Level gewöhnt haben. Es ist nicht einfach, wenn wir den einen Tag zu CSKA Moskau fliegen und vielleicht verlieren, zwei Tage später Barcelona empfangen und wieder verlieren und dann wieder zwei Tage später bei Real Madrid zu spielen und noch einmal verlieren. Es ist möglich, dass wir mal drei Spiele in Folge verlieren. Dann müssen wir mental stark sein, die Spiele Schritt für Schritt analysieren und uns vor allem nicht Herunterziehen lassen. Dabei wird dann auch das Umfeld sehr wichtig sein, wir hoffen, dass die Fans und Medien das dann verstehen und akzeptieren. Wenn wir darüber Jammern, dass wir gut spielen und verlieren und wieder gut spielen und wieder verlieren, kann das schnell die Stimmung nach unten ziehen. Es wird dann auch schwer, da unten wieder herauszukommen. Wenn wir uns aber der Realität stellen und positiv bleiben, ist alles einfacher. Die Denkweise muss sein: Können wir gegen CSKA Moskau verlieren? Ja, sicherlich! Können wir gegen Barcelona verlieren? Ja, das ist nicht unwahrscheinlich. Haben wir deshalb eine Verlierer-Mentalität? Nein! Unsere Mentalität ist es, gegen Widrigkeiten anzukämpfen, auch wenn uns das manchmal nicht gelingen wird. Und dann fliegen wir nach Madrid und gewinnen in Madrid! Auch das ist möglich. Damit es möglich ist, brauchen wir die richtige Mentalität. Die Saison wird eine große Herausforderung.

In der vergangenen Saison hatte das Team in den Finals Schwierig-keiten, Nihad Dedovic zu stoppen. Man hatte gegen ihn nicht das perfekte Matchup, Peyton Siva und Martin Hermannsson ein bisschen zu klein, Rokas Giedraitis und Kenneth Ogbe ein wenig zu langsam. Der beste „fit“ war im Prinzip Franz Wagner, aber dem fehlte noch Erfahrung. Könnte Marcus Eriksson mit seiner Größe und Schnelligkeit ein gutes Matchup sein?

Definitiv nicht im Sinne von was man im Englischen als lock down defender bezeichnet, also jemand, der den besten Spieler des Gegners aus dem Spiel nimmt. Wir müssen diese Aufgabe als Team lösen und uns in dem Bereich weiter verbessern. Die Spieler bringen das entsprechende Talent dafür mit. Dedovic hat sehr gut in den Finals gespielt, aber ganz besonders immer im letzten Viertel. Oder Lucic, der in der gesamten Serie nur einen einzigen Wurf nicht getroffen hat in den vierten Vierteln. Sie haben am obersten Limit ihres Leistungsvermögens gespielt und wir konnten das nicht gut genug stoppen. Wir können uns aber eh nicht auf einen Spieler konzentrieren. Wenn man sich darauf konzentriert, Dedovic zu stoppen, dreht Lucic auf oder Barthel bekommt unter dem Korb zu viel Platz. Wir können das nur als Team angehen. Das Gute ist, dass wir den Kern zusammengehalten haben und das Team nun mehr Erfahrung darin hat, wie man mit solch einer Situation umgeht. Der Vorteil, den München im Bereich Erfahrung hatte, wird nun etwas geringer. Erfahrung war der vielleicht entscheidende Fakt in den Finals und München hatte mehr davon. Aber wir holen auf. Das ist übrigens auch ein Grund, warum es einen Sinn hat, einen Kern des Teams zusammenzuhalten. Gerade die jungen Spieler kommen ihrem höchsten Level wieder ein Stück näher. Nehmen wir zum Beispiel Martin Hermannsson; wir wollen lieber, dass er auf seinem höchsten Level für uns spielt, statt gegen uns. Oder Peyton Siva, oder, oder, oder …

Im nächsten Teil wird es dann um die neuen und alten Big Man gehen … stay tuned!

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