Das große alba-inside Sommerinterview mit Himar Ojeda, Teil V

Himar Ojeda, die Gegenwart und Zukunft Alba Berlins vor den Zeitzeugen einer glorreichen Vergangenheit des Clubs

Es ist zu einer schönen Tradition geworden, dass wir uns im Sommer mit Alba Berlins Sportdirektor Himar Ojeda zu einem ausführlichen Interview treffen. So auch wieder in diesem Jahr. Um ein wenig tiefer in die Basketball-Materie einzutauchen, Dinge zu besprechen, die im Tagesgeschäft zu kurz kommen. Wir sprachen über die Offseason, die kommende Saison, den neuen Kader, die Euroleague, den Nachwuchs und haben ein wenig weiter als über ein Jahr hinaus geschaut. Nachdem wir im ersten Teil zunächst einen Blick zurück auf die vergangene Saison geworfen haben, uns im zweiten Teil mit den Herausforderungen der Offseason befasst hatten, den dritten Teil  und vierten Teil den Zu- und Abgängen auf den kleinen und großen Positionen gewidmet hatten, geht es nun heute um die enormen Vorteile und Herausforderungen einer Teilnahme an der Euroleague.

Lass uns über die größte Herausforderung der kommenden Spielzeit sprechen: Euroleague! Welche werden die größten Schwierigkeiten? Mit Ausnahme von Eriksson und Giffey hat das Team keine Erfahrung auf diesem Niveau, es fehlt wahrscheinlich auch ein wenig an Größe, ein wenig an Athletik und man hat wahrscheinlich eines der niedrigsten Budgets. Wie kann man trotzdem erfolgreich sein? 

Zunächst ist es meine Aufgabe, das bestmögliche Team aufzustellen. Die vielen Spiele und Reisen bedeuten auch weniger Training, das kann aber für uns ein Vorteil sein. Ich glaube unsere Kontinuität gibt uns nämlich Möglichkeiten, Spiele zu gewinnen. 

Ehrgeiz ist aber unser Thema. Ich mag unseren Ehrgeiz und unsere Ambitionen. Wir wollen in dieser Liga spielen und wollen uns gut verkaufen, das spüre ich im Verein und im Team. Jeder arbeitet hart um zu beweisen, dass wir dorthin gehören. Es wird sicherlich auch schwere Phasen geben. Auch wenn man das Beste gibt, kann das gegnerische Team am Ende als Sieger vom Platz gehen, einfach weil sie besser waren. Wenn man sich die Kader und Neuverpflichtungen mancher Teams ansieht, fragt man sich schon ab und an, wie man gegen die gewinnen kann. Wir werden aber unsere Chancen kriegen, darauf müssen wir aufbauen. 

Als ich hier als Sportdirektor angefangen habe, war es auch mein Ziel, den Spielstil in der BBL zu verändern. Genauer gesagt, etwas weniger Athletik und Physis, dafür mehr Passen, Bewegung und Shooting. Ich glaube wir haben damit frischen Wind in die Liga gebracht, Vechta geht nun diesen Weg zum Beispiel, Bonn könnte auch folgen. Dazu kriegen junge Spieler ihre Chancen, Braunschweig oder Bamberg schlagen diesen Weg auch ein, die auch einen jungen Spieler aus Barcelona verpflichtet haben. Was wir vor zwei Jahren mit Stefan Peno gemacht haben, macht Bamberg nun mit Aleix Font.  

Auf einer etwas kleineren Art und Weise wollen wir das auch in der Euroleague erreichen. Wir wollen Basketball spielen, den die Zuschauer lieben! Wenn wir dazu noch Spiele gewinnen, umso besser. Wenn man kleiner ist, muss man einfach schneller sein, mehr werfen, besser treffen. Da kann unser Vorteil liegen.

Die hohe Belastung hast du bereits angesprochen, es dürften über 80 Spiele oder mehr werden. Wie wird die Rotation in der BBL aussehen? Werden Leistungsträger dort ihre Pausen kriegen und dafür die Talente ihre Chancen erhalten, auch wenn das mit dem Risiko verbunden ist, dass Spiele verloren werden könnten? 

Unsere Philosophie ist es, am Ende der Saison besser zu sein, dann, wenn es wirklich darauf ankommt. Letzte Saison haben wir in der BBL mehr Spiele verloren als im Vorjahr, aber in den Playoffs haben wir dann wieder das Finale erreicht. Darauf kommt es an. Die Hauptrunde ist ein kontinuierlicher Prozess, um uns zu diesem Punkt zu bringen. Das bedeutet natürlich nicht, dass es völlig egal wäre, auf welchem Platz man die Hauptrunde abschließt, das wäre schon ein Risiko. Das Team soll sich Schritt für Schritt verbessern. Wir werden mit 14 Spielern rotieren, dazu haben wir noch die weiteren Jugendspieler, die auch ihre Chancen erhalten sollen. Zwei Spieler werden also immer eine Pause kriegen, zwei Spieler in der Euroleague, zwei Spieler in der Basketball Bundesliga. Das funktioniert aber nur so, wenn hoffentlich alle gesund bleiben. Wenn wir heute in die Saison starten würden, wäre das so schon gar nicht möglich, da aktuell Stefan Peno und Kenneth Ogbe verletzt sind. Da würde sich der 12er Kader von alleine aufstellen. Aber wir haben auch immer noch die jungen Spieler wie Lorenz Brenneke, Malte Delow oder Kreso Nikic, die wir auch ab und an mal einsetzen können. Für die Zukunft kommt dann auch bald die nächste Generation um Nolan Adekunle, Elias Rödl oder Evans Rapieque.

Wirkliche Planungssicherheit hat man mit der Euroleague nicht. Über die Liga kann man sich nicht mehr direkt qualifizieren, man ist auf das Wohlwollen der Euroleague angewiesen. Mittelfristig ist die Planung also sehr schwer, wie groß ist dieses Problem für Alba? 

Es ist ein klarer Nachteil gegenüber anderen Teams, München oder ASVEL können zum Beispiel die nächsten zwei Jahre besser verplanen. Das gleiche gilt natürlich noch viel mehr für die Vereine mit A-Lizenz. Zalgiris hat beispielsweise nicht das höchste Budget, weiß aber, womit sie langfristig rechnen können. 

Um ein Beispiel zu geben: durch den Ligamodus in der Euroleague können wir jetzt die komplette Saison verplanen, z.B. Reisen für Spiele buchen, die erst im Februar stattfinden. Das hilft uns ungemein, wir können damit Geld sparen und auch schon langfristig Tickets für die Spiele verkaufen, dadurch wird die Halle auch voller, wenn die Leute langfristig planen können. Wir können langfristig Flüge buchen, was auch Geld spart. Es bringt also viele Vorteile, wenn man in der Euroleague spielt. Wir können aber derzeit nicht über die Saison hinaus damit planen. Es ist aber noch einmal etwas völlig anderes, wenn man langfristig mit der Euroleague-Teilnahme planen kann, wir haben diesen Vorteil nicht. Wir wollen der Liga aber zeigen, dass wir in die Euroleague gehören. Dabei gibt es zwei Aspekte zu betrachten. Zum einen gehört der Verein organisatorisch definitiv in die Euroleague. Bezüglich Professionalität und der vielen Projekte, die wir für die Stadt, für den Nachwuchs oder die Entwicklung des Basketballs durchführen, gibt es nur wenig vergleichbare Vereine. Zum anderen müssen wir zeigen, dass wir sportlich wettbewerbsfähig sind. Wir wollen guten Basketball spielen und Spieler entwickeln. Wir wollen einen guten Zuschauerschnitt vorweisen, etwas womit die Euroleague in der letzten Saison ein paar Probleme hatte, z.B. Gran Canaria und andere Teams, das ist etwas, was auch Gewicht hat. Und wir wollen natürlich auch zeigen, dass wir sportlich mithalten können. Wir sind eine Organisation auf Top-Niveau und wollen zeigen, dass Alba gut für die Euroleague und für den Basketball ist. Und das sind wir tatsächlich! Der Club zeigt seit 30 Jahren, dass er sich immer wieder neu erfinden und auf Entwicklungen im Basketball reagieren kann. Wir haben auch unsere Vorteile für die Euroleague und das Ziel für den Verein, die Spieler, die Fans und die Stadt sollte es sein, diese Vorteile zu zeigen. Dann liegt die Entscheidung beim Board der Euroleague, die müssen dann entscheiden, ob Alba dauerhaft in die Euroleague gehört. Wir nehmen die Herausforderung als Verein an und hoffen, dass alle anderen, die Stadt, die Fans, die Medien, in erster Linie die Spieler natürlich, diese Herausforderung ebenfalls annehmen.

Logisch betrachtet würde das alles auf eine A-Lizenz hinauslaufen … 

Genau! Wir müssen es beweisen. Die Euroleague mag uns. Aber wir waren nun ein paar Jahre nicht mehr dabei, dann fliegt man schnell unter dem Radar. Und dann kann es passieren, dass plötzlich ein anderes Team auftaucht, wie jetzt Bologna oder früher Darüssafaka. Ich glaube aber, dass die Euroleague von Vereinen profitiert, die dauerhaft existieren und gewachsen sind, wie z.B. Zalgiris, Barcelona, Real Madrid. Zalgiris hat im wahrsten Sinne des Wortes das gesamte Land hinter sich, da Litauen ein Basketballland ist. Ich glaube Alba kann für die Liga auch belebend wirken. Wir sind in China aktiv und stark, die Euroleague hat ihr Büro dort wieder geschlossen. Oder die vielen Projekte, z.B. das Projekt “One Team”, bei denen sich die Vereine vor Ort engagieren und versuchen, die Euroleauge ein wenig besser in der Gesellschaft zu verwurzeln … das tun wir bereits täglich! Die Euroleague weiß das auch und sie wusste das auch in der Vergangenheit. Wir müssen jetzt nur noch zeigen, dass wir sportlich wettbewerbsfähig sind. Dann werden beide Seiten dauerhaft zusammenfinden.  

Die Euroleague ist die zweitbeste Liga der Welt, es wird toller Sport geboten. Das aktuelle Format ist jedoch für Teams aus dem unteren Tabellendrittel im letzten Saisondrittel eher unattraktiv, es fehlen die sportlichen Anreize wie z.B. ein Abstiegskampf. 

Ich glaube, das wird kommen, es wird darauf hinauslaufen, dass zwei Teams in den Eurocup absteigen und zwei dafür aufsteigen. 

Es besteht aber ein wenig die Sorge, dass „nur“ attraktiver Sport nicht ausreicht, um für die Berliner Zuschauer anziehend genug zu sein. In Europa leben die Wettbewerbe auch davon, dass man auf- oder absteigen kann, um die Playoffs kämpft, jedes Spiel eine sportliche Relevanz hat. In der Euroleague ist man im hinteren Drittel irgendwo im Niemandsland. 

Daran können wir nicht viel ändern, so ist aktuell nun mal das System. Wir können nur versuchen, bestmöglich abzuschneiden und so lange wie möglich im Rennen zu bleiben. Es wäre natürlich toll, um die Playoffs mitspielen zu können. Realistisch betrachtet bleibt das aber eher ein Traum. Daran denken wir nicht, es ist unser erstes Jahr und da sind die Ziele erst mal andere. Wer Basketball liebt, sollte vielleicht ein wenig seine Mentalität ändern. Man sollte nicht nur zum Spiel gehen, um Drama zu erleben, nach dem Motto “Oh, sie gewinnen, oh, sie verlieren! Oh sie steigen ab!” Wenn es danach gehen würden, müssten Fans von Abstiegskandidaten wie Bremerhaven ja die glücklichsten Fans der Welt sein. Ich glaube die Menschen honorieren auch guten Basketball. Wenn es also zum Saisonende für uns um nichts mehr gehen sollte, kann man trotzdem Spaß daran haben, gegen die ganzen großen Namen und großen Spieler anzutreten, Fenerbahce, Maccabi, Panathinaikos usw. Selbst wenn es formal um nichts geht, aber auch in der BBL und der NBA geht es in der Hauptrunde nicht in jedem Spiel um das ganz große Drama. Das wird für die komplette Saison gelten. 

Du hast bereits über Änderungsvorschläge gesprochen, um den Wettbewerbscharakter zu stärken, wie zwei Auf- und Absteiger. Gibt es vielleicht weitere Pläne in der Euroleague-Zentrale in Barcelona? 

Es gab viele Meetings, dabei wurden in verschiedenen Gruppen gearbeitet, Marketing, Media uam. Und auch für die sportlichen Verantwortlichen und Manager. Die Euroleague will sich ständig verbessern, das ist auch der Grund, weshalb wir hier von der zweitbesten Liga der Welt sprechen. Die Euroleague strukturiert sich derzeit als „echte“ Liga, es soll, wie bereits erwähnt, Auf- und Absteiger über den Eurocup geben. Das wird dann die einzige Möglichkeit, sich sicher für die Euroleague zu qualifizieren. Es wird noch etwas dauern, bis dahin wird es die Möglichkeit geben, dauerhafte Plätze zu vergeben. Ich weiß aber noch nicht, wie das genau umgesetzt wird. Insofern ist es für uns ein sehr gutes Timing jetzt in der Liga zu sein und uns zu beweisen, weil es in Zukunft immer schwerer wird sich zu qualifizieren. Man kann sich nicht mehr sicher über die nationale Meisterschaft in der BBL qualifizieren [Anm. d. Red.: eine Ausnahme wäre, wenn die Euroleague eine Wildcard an das beste Team der Meisterschaft ohne garantiertes Euroleague-Teilnahmerecht vergibt; Beschluß des ECA Shareholder Meetings zu den Euroleague license allocation criteria vom 11. Juli 2019]. Wir sind jetzt in der Euroleague und das ist ein gutes timing für die Zukunft.

Im nächsten Teil geht es dann um einen Bereich, der für Alba Berlin und Himar Ojeda große strategische Bedeutung hat: den Nachwuchs … stay tuned!

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