Das große alba-inside Sommerinterview mit Himar Ojeda, Teil VII

Mit großem Herz für den ALBA Nachwuchs: Früher Henrik Rödl, heute Himar Ojeda

Es ist zu einer schönen Tradition geworden, dass wir uns im Sommer mit Alba Berlins Sportdirektor Himar Ojeda zu einem ausführlichen Interview treffen. So auch wieder in diesem Jahr. Um ein wenig tiefer in die Basketball-Materie einzutauchen, Dinge zu besprechen, die im Tagesgeschäft zu kurz kommen. Wir sprachen über die Offseason, die kommende Saison, den neuen Kader, die Euroleague, den Nachwuchs und haben ein wenig weiter als über ein Jahr hinaus geschaut.
Erster Teil: Rückblick auf die vergangene Saison, uns im
Zweiter Teil: Herausforderungen der Offseason
Dritter Teil: Zu- und Abgänge im Backcourt
Vierter Teil Zu- und Abgänge auf den großen Positionen,
Fünfter Teil: Vorteile und Herausforderungen der Euroleague.
Sechster Teil: Nachwuchsarbeit bei ALBA Berlin und in der BBL.
Im siebten und vorletzten Teil gehen wir noch einmal auf den Nachwuchs ein, hier jedoch mit dem Schwerpunkt der Vor- und Nachteile einer Ausbildung am College gegenüber dem direkten Weg in den Profi-Basketball. 

Jedes Jahr sprechen wir auch über das College als Konkurrent. Ein schwieriges Thema, ein bisschen studieren, ein bisschen von der Welt sehen, wenig Basketball (ca. 30 Saisonspiele), noch weniger Teamtraining (weniger als ein halbes Jahr). Ist der Weg ans College vielleicht auch etwas inkonsequent? Man kann sich nämlich nicht zu 100% auf Basketball konzentrieren, wenn man nebenbei Student ist. Wäre das aber nicht notwendig, wenn man wirklich mit aller Konsequenz Basketball-Profi werden will?

Die Struktur ist komplett unterschiedlich. Das Gute am College ist die Kombination aus Studium und Sport. Aber dieser Vorteil ist nur oberflächlich, viele Sportler müssen gar nicht studieren. Die Universitäten unterstützen sie direkt beim Lernen, ein wirkliches Studium ist es dann nicht mehr. 

Grundsätzlich finde ich aber die Kombination gut, wir haben ja auch das Alba College, das z.B. von Tim Schneider genutzt wird. Er kann professionell trainieren und spielen, alle Reisen mitmachen und trotzdem seinen Abschluss machen. In Spanien macht derzeit Javier Beiran sein zweites Studium und er spielt trotzdem weiter als Profi und wurde nun sogar in die Nationalmannschaft für die Weltmeisterschaft in China berufen. Und er hat die beiden Studien geschafft, obwohl er zeitgleich in Gran Canaria, Teneriffa oder bei Estudiantes Madrid gespielt hat.   

Natürlich braucht man als Profi mehr Zeit für den Abschluss, eher 7 als 4 Jahre, aber es ist möglich. Wir können das noch weiter verbessern und die Sportler noch mehr unterstützen. Wir sind einer von wenigen Basketballclubs in Europa, die so etwas anbieten. Ich denke, wir müssen dieses Angebot sogar noch ausbauen. Es ist auch eine Entscheidung, die individuell getroffen werden muss. So geht einer von unseren Jugendspielern, Quinten Post, jetzt ans College nach Amerika und ich denke für ihn ist das eine gute Gelegenheit. Er kann einen Abschluss machen, Basketball spielen und die Welt sehen. Das freut uns natürlich auch, wenn wir unseren Spielern diesen Weg ermöglichen können. Wir sind nicht gegen den College-Weg, es steht den Spielern völlig frei, ob sie bei uns Profi werden oder ans College gehen wollen. Aber selbstverständlich, wenn sie eine Perspektive haben, Profi zu werden, dann möchten wir auch, dass sie das bei uns werden. Dafür arbeiten wir schließlich mit all unseren Jugendtrainern hart. Wir vergeben sogar Stipendien für Spieler, damit sie studieren und Basketball spielen können. Wir haben Apartments für junge Spielerinnen und Spieler, selbst für Berliner, die sehr weit außerhalb wohnen, damit sie effektiver studieren und trainieren können. Wir bekennen uns zu diesem dualen Weg.

Wir sind von diesem College-Weg nicht ganz überzeugt, besonders nicht für die absoluten Toptalente, aber das könnte man bei anderer Gelegenheit noch einmal vertiefen. In den vergangenen 10 Jahren wurden nur 11 europäische Spieler direkt vom College gedraftet, einer davon war Moritz Wagner. Und nicht mal alle 11 haben es dann auch wirklich in die NBA geschafft. Im gleichen Zeitraum wurden 88 europäische Spieler gedraftet, die zuvor in einem Profi-Verein gespielt haben. Deshalb halten wir es für erfolgreicher, sich zunächst einem Profiverein anzuschließen und sich dann von dort aus zum Draft anzumelden. Nichtsdestotrotz ist die Attraktivität des Wegs über das College ungebrochen hoch. Sind die Voraussetzungen in Deutschland bzw. Europa vielleicht immer noch nicht attraktiv genug? Was kann in Europa noch verbessert werden? 

Ich glaube das College ist sehr interessant für Spieler, die nicht die ganz klare Perspektive haben den Sprung zu den Profis zu schaffen. Sie können dort ihre Zeit als Basketballer verlängern, Erfahrungen sammeln und studieren, während Sie hier in niedrigen Ligen wie Regionalliga oder ProB spielen müssten. Für die Toptalente ist es vielleicht eher eine kulturelle Frage. Für US-Amerikaner ist der Weg über das College lohnender, als für Europäer. Es gibt zwar auch Beispiele wie Moritz Wagner oder Lauri Markkanen, die müssen allerdings noch beweisen, dass sie es wirklich in die NBA schaffen. Das Gegenbeispiel sind Spieler aus Europa wie beispielsweise Kristaps Porzingis und viele andere. Diese Spieler konnten sich hier bestmöglich entwickeln und haben dadurch die Aufmerksamkeit der NBA auf sich gezogen. Diese werden dann oft an höherer Position gedraftet. Es macht einen großen Unterschied aus, ob man unter den ersten 15 Positionen gezogen wird oder Ende der zweiten Runde. 

Es macht auch einen Unterschied aus, ob man sich schon bewiesen hat und entsprechend seinen Stellenwert kennt oder einfach nur gedraftet wird, weil die NBA derzeit grundsätzlich alle Talente nimmt. Die Anzahl der Spieler in der NBA wird immer größer, die Kader bestehen aus 15 Spielern, plus zwei mit two-way contracts. Dazu kommt noch das jeweilige D-League Team. Das ergibt dann schnell 35 Spieler pro Verein. Gehören alle in die NBA? Nein. Es gibt viele Spieler, die zum erweiterten Kreis gehören und nach zwei bis drei Jahren realisieren, dass sie es wohl nicht schaffen werden und dann nach Europa kommen. 

Wenn du als Europäer geduldig bist, dich entwickelst und dich beweist, bringst du dich in eine Position in der die NBA sagt “Wir wollen diesen Spieler!” Dann wirst du in der Draft an höherer Position gezogen und das Team investiert auch in dich. Ich habe das oft miterlebt, als ich in der NBA gearbeitet habe. Wir haben viel in die Toptalente investiert aber alle anderen fallen dann aus dem Raster. Auch wenn der Spieler zwei Millionen Dollar pro Jahr kostet, interessiert es die Vereine nicht. Das ist kein nennenswerter Betrag für sie. 

Was die NBA an Europa mag, ist, dass sie bei den Spielern das komplette Paket kriegen. Wenn du ans College gehst, entwickelst du dich im amerikanischen Spielstil. Es gibt aber Millionen von Amerikanern die das auch tun und auch besser können, weil sie dort aufgewachsen sind. Hier in Europa kannst du gegen tausende, viel weiter entwickelte US-Amerikaner spielen, das ist eine viel größere Herausforderung. Am College wird zudem ganz anders gespielt als in Europa. Der Vorteil vom College ist die Kombination aus Studium und Sport, dazu kommt noch das Marketing. Man denkt automatisch an March Madness. Das ist definitiv eine tolle Erfahrung, ich würde auch gerne ein Jahr am College spielen. Am Ende des Tages muss man aber alle Optionen abwägen und entscheiden, was das Beste ist. 

Vielleicht hat sich in den Köpfen der jungen Spielern festgesetzt, dass wenn sie ans College gehen, schon fast in der NBA sind bzw. sehr viel dichter dran, als in Europa … 

Das hat viel mit Marketing zu tun. Man sieht die supermodernen Trainingseinrichtungen, die vielen Individualtrainer, riesige, ausverkaufte Hallen mit Fans fast im selben Alter, die Ausrüstung, die TV-Übertragungen. Die NCAA verkauft sich sehr gut. Wie gesagt, es ist eine tolle Erfahrung und ich bin überhaupt nicht dagegen. Aber jeder Fall muss einzeln betrachtet werden. Bei Quinten [Post] passt das. Franz [Wagner] wusste auch, welche Vorteile er hier hat. Aber er wollte die Erfahrungen, die er am College machen kann, nicht verpassen.

Darauf wollten wir hinaus, es geht um die Entscheidung von Franz Wagner. Wie groß war die Überraschung und die Enttäuschung, ihn nicht vom Verbleib überzeugen zu können? 

Die Enttäuschung war natürlich groß, weil er ja auch schon letzte Saison Teil des Teams war. Am Ende des Tages ist es aber okay, wir können nicht den Kopf in den Sand stecken und jammern. Wir glauben für seine Entwicklung als Spieler wäre Alba die beste Option gewesen. Ich denke, er weiß das auch. Aber er hat bereits erlebt was es bedeutet, Profi zu sein und er ist davon überzeugt, dass er das auch in der Zukunft noch weiter erleben wird. Er hatte aber die Befürchtung, diese besonderen College-Erfahrungen zu verpassen. Er wollte also im Nachhinein nicht bedauern, diese Chance verpasst zu haben. Er hat genug Selbstvertrauen um zu sagen, dass er in jedem Fall Profi wird. Also hat er sich für das College entschieden. Das ist absolut in Ordnung, daran können wir auch nichts ändern. 

Apropos Änderungen: der Jugendbereich wurde personell umstrukturiert. Norbert Opitz wird Trainer der JBBL, Vladi Bogojevic rückt dafür in die NBBL vor und Josef Dulibic übernimmt bei Higherlevel [Kooperationspartner von Alba im JBBL-Bereich]. Welche Ideen und Erwartungen verfolgt man damit? 

Ich erwarte, dass der Pool an Jugendtrainern, den wir haben, in der Lage ist, in verschiedenen Alters- und Talentstufen zu arbeiten. Das soll die Trainer vor neuen Herausforderungen stellen und sie damit in ihrer Entwicklung weiterbringen und ihnen immer wieder neue Herausforderungen verschaffen. Es soll also nicht den klassischen “Karriereweg” von der U14 bis hoch in die BBL geben. Es ist keine Hierarchie-Treppe im Sinne von U14, dann JBBL, danach NBBL, ProB und letztlich BBL. Ich will das auch nicht ausschließen, das kann es auch mal geben. Wir haben einen Pool an guten Coaches und ich möchte, dass die Trainer in allen Bereichen Erfahrungen sammeln. Das kann auch bedeuten, dass ein Coach erst in der NBBL coacht, dann U14, danach bei Higherlevel und in der BBL. Das ist nicht der klassische Weg, aber grundsätzlich wäre auch so ein Weg möglich. Auch die Spieler in den U14-Mannschaften sollen gut vorbereitet werden, nicht erst, wenn sie in die NBBL kommen, sondern von Anfang an. Deshalb brauchen wir dort genauso gute und fähige Trainer wie in allen anderen Altersstufen.

Im letzten Teil beschäftigen wir uns dann mit dem immer interessanten Thema „Budget“ und blicken etwas weiter in die Zukunft voraus … stay tuned!

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