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Mit dem serbischen U-Nationalspieler Stefan Peno hat Alba Berlin eines der größten europäischen Talente auf der Position des Aufbauspielers für die nächsten drei Jahre verpflichtet. Der seit wenigen Tagen 20 Jahre junge Guard wechselt vom FC Barcelona an die Spree. Allerdings hat sich Barcelona ein Hintertürchen offen gehalten, kann sich das Riesentalent im kommenden Sommer zurück nach Katalanien holen, wenn sie ihm einen festen Platz in der ersten Mannschaft geben. Dann hätte Alba in seine Entwicklung investiert, ohne viel zurück zu bekommen. Warum sich die Verpflichtung trotzdem lohnt und was ihn zu einem so außergewöhnlichen Talent macht, wollen wir hier erklären.
Die (ganz) jungen Jahre

Die Familie Peno hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Vater Zoran Peno gehörte zu einem der besseren Basketballer im ehemaligen Jugoslawien, ohne zu den allerbesten zu gehören. Gut genug, um mit Basketball sein Geld zu verdienen, gut genug, um mit OKK Belgrad Meister zu werden. Während des Krieges auf dem Balkan mit einem weitgehend isolierten Serbien verließ Vater Zoran seine Heimat, um in Venezuela professionell Basketball zu spielen. Dort lernte er auch Stefans Mutter Sadna – aus British Guyana, die in Caracas arbeitete – kennen. Als eine schwere Knieverletzung von Zoran Peno dessen Karriere beendete, kehrte er mit seiner Frau nach Serbien zurück, um eine Karriere als Trainer zu beginnen. Dort wurde am 3. August 1997 Stefan geboren, später dessen Schwester.
Der junge Stefan zeigte zunächst gar nicht viel Interesse an Basketball, hatte jedoch etwas vom Talent seines Vaters geerbt und begann somit bei OKK Belgrad, wo auch sein Vater früher spielte. Zugute kam ihm, einer der großen Vorteile der sog. „jugoslawischen“ Basketballschule: Es wird früh erkannt, wofür ein Spieler besonders talentiert ist und dieser gezielt in diese Richtung entwickelt. Stefan Peno war mit 13 Jahren schon 1,90 m groß … und wäre in Deutschland wohl auf der Power Forward Position gelandet. In Serbien wurde schnell seine außergewöhnliche Spielübersicht und sein sehr gutes Ballgefühl entdeckt und er wurde konsequent als Aufbauspieler ausgebildet, obwohl er oft der größte Spieler seines Teams auf dem Feld war. Mit 14 Jahren spielte er regelmäßig im U16 Team, einige Spiele auch im U18 Team seines Vereins und lernte so zeitig, Verantwortung zu übernehmen und sich mit deutlich älteren Gegnern zu messen. Im U16 Team wurde er von seinem Vater trainiert und erzielte im Schnitt 30 Punkte pro Spiel. Mit 14 Jahren spielte er auch bereits mit der U16-Nationalmannschaft Serbiens bei der EM … aber da war er schon weiter nach Süden bzw. Westen gezogen.
Barcelona
Irgendwie ist der große FC Barcelona 2011 auf den kleine Stefan aufmerksam geworden. Na ja, nicht irgendwie, sondern durch eine riesige, weltweit intensiv suchende Scouting-Abteilung. „Ich habe nicht den Hauch einer Idee, wie Barcelona gerade auf mich gekommen ist oder wer mich empfohlen hat“ so Stefan Peno gegenüber der spanischen Zeitschrift ‚Mundo Deportivo‘, „Das Einzige, was ich weiß, ist, dass sie einige Clips von mir bei Youtube gesehen haben. Das war eine riesige Chance, die ich natürlich nicht ablehnen konnte.“ Sportlich, selbstverständlich, aber auch finanziell. Deutlich vierstellig verdienen nicht viele 14-jährige mit Basketball, einen Job für seine Eltern gab es zusätzlich noch oben drauf. Eine Investition, die sich ein großer Club wie der FC Barcelona problemlos leisten kann und die sich langfristig auszahlen soll.
Langfristig bedeutet in diesem Fall seit 2011, eine geplante Entwicklung über viele Jahre. Das ging los mit dem Kadetten-Team von Barcelona. Mit 16 Jahren parallel im Jugendteam und auch schon in der zweiten spanischen Liga mit dem FC Barcelona II. Mit 17 Jahren erfolgte der erste Einsatz in der ersten Mannschaft, eine symbolische Minute gegen Saragossa, als dritt-jüngster Spieler, den Barcelona jemals in der ersten Liga eingesetzt hatte. Der Anfang war gemacht. Schritt für Schritt ging die Entwicklung weiter, immer nach vorn.

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In der vergangenen Saison 2016/17 kam ihm der Umstand entgegen, dass zum Beginn der Saison mit Tyrece Rice, Petteri Koponen, Juan Carlos Navarro und Pau Ribas gleich vier Guards von Barcelona aufgrund von Verletzungen ausgefallen waren. Statt gleich nachzuverpflichten, wurde Peno ins kalte Wasser geworfen … und schwamm. Und das nicht schlecht für einen 19-jährigen. Natürlich noch ohne beeindruckende Statistiken, aber immerhin 14 Einsätzen in der spanischen ACB und 10 in der Euroleague.
Highlight: Global Game vs Oklahoma City Thunder

Aufgrund der o.g. Verletzungen der Mitspieler wurde Peno auch für das Global Game der NBA im Oktober 2016 zwischen dem FC Barcelona und den Oklahoma City Thunder nominiert. Dort bekam er mit 27 Minuten richtig viel Spielzeit. Diese nutzte er zu einem guten Spiel gegen den Star von OKC, Russell Westbrook, und erzielte 5 Punkte. Vor allem aber hatte er die meisten Assists aller Spieler (6), einen mehr als Westbrook bei der knappen 89-92 Niederlage. „Ich habe getan, was der Coach [Bartzokas] von mir wollte, habe meine Mitspieler in Szene gesetzt, den Ball viel gepasst und mich in der Defense reingehangen. Ich bin glücklich, dass ich die Möglichkeit hatte und dankbar für das Vertrauen, dass der Verein in mich gesetzt hat.“ so Stefan Peno gegenüber euroleague.net
Stärken
Wer die Ästhetik des Spiels liebt, kann Stefan Peno eigentlich nur mögen. Er kann Dinge, die man nicht lernen kann, selbst wenn man 100 Jahre üben würde. Diese Dinge machen ihn so wertvoll. Wenn man sich Videos von ihm ansieht, lächelt man unwillkürlich vor Freude, über einen überraschenden Pass, wie ihn nur wenige so spielen können. Man kann nicht aufhören, hinzugucken. Und noch ein Video, und noch eins, und noch eins. Highlights, komplette Spiele. Wer das einmal nachvollziehen möchte, dem empfehlen wir das Spiel von der U20-EM in diesem Sommer Serbien gegen Litauen, als er in gut 20 Minuten 12 Punkte erzielte, 6 Rebounds holte, aber vor allem 10 Assists spielte. Bei ein paar Minuten mehr wäre in diesem Spiel ein seltenes Triple Double möglich gewesen:
Wer es etwas kürzer mag, findet hier die Highlights von Peno bei der U20 EM:
Ml etwas sachlicher, analytischer. Peno kann grundsätzlich auch punkten, rebounden, verteidigen, dem Gegner den Ball stehlen usw usf, aber was ihn wirklich zu einem außergewöhnlichen Basketballer macht, sind seine Passfähigkeiten. Wie weiter oben erwähnt, hat er trotz seiner Größe (inzwischen 1,98 m) konsequent darauf hingearbeitet, ein Aufbauspieler zu werden. Wobei wie gesagt es mit Arbeit nicht getan ist, da ist auch eine Menge Talent dabei. Mit ihm kann man sehr, sehr gut pick & roll spielen, da er dafür die richtige Antizipation, aber auch die Geduld hat, mit dem Pass so lange zu warten, bis der abrollende Mitspieler perfekt in Position ist. Er kann aus vollem Lauf passen und die Laufwege seiner Mitspieler voraus ahnen. Genauso gut kann er aber auch in die Zone ziehen und präzise auf die Schützen an der Dreierlinie passen. Er kann über links oder rechts gehen und ist immer für einen überraschenden Pass gut, den er auch mit einer Hand spielen kann.
Er hat – eigentlich – eine gute Wurftechnik, hat das in der Jugend mehr als einmal bewiesen, trifft aber seit der vergangenen Saison nicht mehr besonders gut. Er nimmt allerdings auch relativ wenige Würfe. Die erste Priorität hat immer der Pass und ist somit wertvoll für sein Team, ohne selbst punkten zu müssen. Gerade in Teams mit vielen begabten Schützen eine gern gesehene Eigenschaft. Sein stärkster Wurf ist der Floater aus der Mitteldistanz.
Mit einem schnellen ersten Schritt kann er viele Gegenspieler stehen lassen und zum Korb ziehen, oft genug noch mit einem Foul des Gegners. Dabei kann er über links und rechts ziehen und vor allem auch mit links oder rechts abschließen. Für schnelles Spiel und Fastbreaks ist Peno mit seiner Schnelligkeit wie gemacht und immer einer der ersten vorne. Seine bereits genannte Antizipation hilft ihm, sich auch ohne Ball in eine Position zu bewegen, wo er ihn von seinen Mitspielern problemlos wieder bekommen kann.
In der Defensive hilft ihm seine große Spannweite von 2 Metern. Dabei verteidigt er besser den Raum, ist immer auf den Ballgewinn aus. Zudem nutzt er seine Beweglichkeit und Schnelligkeit in der Defense, um Ballverluste beim Gegner zu provozieren. Selbst nutzt er aber die langen Arme, um den Ball zu schützen, ihn außerhalb der Reichweite des Gegenspielers zu halten. Zudem verfügt er über die Mentalität, verteidigen zu wollen. Mit viel Energie bemüht er sich größere Spieler aus der Zone zu halten.
Schwächen
Was einem gerade 20 Jahre alt gewordenen Spieler noch fehlt, ist in erster Linie Konstanz. Seine Leistungen schwanken immer noch relativ stark. Sein Dreierwurf ist wacklig, wenn er diesen stabilisiert, kann er seinem Spiel noch eine weitere, wichtige Komponente zufügen. Schwächen bestehen ebenfalls in der man-to-man Defense, speziell gegen deutlich kleinere Gegenspieler. Da gerät die Größe ab und an mal zum Nachteil. Nicht unerwartet fehlen noch ein wenig all die Dinge, die man sich über die Jahre aneignet wie Abgeklärtheit, Erfahrung, Führung unter Druck, Verantwortung. Da geht natürlich noch mehr. Peno ist körperlich nicht besonders stark, es wird spannend zu sehen sein, wie er diesbezüglich in der physisch starken BBL klar kommt. Zudem ist der Schritt von einem Spieler, der gelegentlich mal im Team steht, zu einem Spieler, der vollwertiger Teil der Rotation ist, kein kleiner.
Grundsätzlich überwiegen die Vorteile die Nachteile deutlich und die Fans von Alba Berlin können sich auf ein außergewöhnliches Talent und einen sehr interessanten Spieler freuen.
Vorbild
Viele Fans und auch Fachleute halten Stefan Peno für den legitimen Nachfolger von Basketball-Legende Milos Teodosic, dem Aufbauspieler der serbischen Nationalmannschaft, der in der kommenden Saison in der NBA die Sneaker schnüren wird. Da ist es wenig verwunderlich, dass Peno selbst seinen Landsmann als sein großes Vorbild angibt, wie er gegenüber der serbischen Zeitung „informer“ betonte: „Ich respektiere Milos Teodosic als Spieler sehr und denke, dass er einmalig ist und nicht zu ersetzen. Deshalb versuche ich, ich selbst, Stefan Peno, zu sein und meinen eigenen Stil zu entwickeln. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mir auch Dinge von Teodosic abschaue und versuche sie selbst zu machen. Es wäre eine logische Folge, wenn irgendwann der Starter auf der Aufbauposition in allen Nachwuchs-Nationalteams Serbiens auch der starting point guard bei den Herren wird. Peno wäre bereit: „Das ist eher eine Frage für Aleksandar Djordjevic [Cheftrainer der serbischen Nationalmannschaft] als für mich, aber es ist mein größter Wunsch, einmal für Serbien zu spielen. Ich muss hart trainieren und mich in allen Bereichen verbessern, aber wenn der Anruf kommt, werde ich glücklich sein.“