Es mag einfach ein Zufall sein. Ausgerechnet mit dem stark an Kunst und Kultur interessierten Jordan Taylor (25), genauer Jordan Michael Taylor, treffen wir uns kurz vor seinem 26. Geburtstag ausgerechnet in Caorle. Caorle, Italien, eine Stunde entfernt vom über Jahrhunderte durch Reichtum und die schönen Künste geprägten Venedig, wovon vieles auch auf das mondäne Caorle abgefärbt hat. Caorle, wo einer der berühmtesten Landsmänner Taylors, Ernest Hemingway, Pulitzer-Preisträger und Gewinner des Literatur-Nobelpreises, eine Zeit seines Lebens verbracht hat und durch die Umgebung nach 10jähriger Schreibpause zu seinem Roman „Across the river, into the trees“ inspiriert wurde. Die Inspiration lassen wir auch auf uns wirken, aber in erster Linie ist er natürlich aufgrund des Basketballturniers im Rahmen der Saisonvorbereitung von Alba Berlin hier. Darüber, Basketball, wollen wir in erster Linie mit ihm reden, aber auch ihn als Mensch ein wenig besser kennen lernen.

Lass uns mit etwas Persönlichem beginnen. In den sog. sozialen Medien ist dein Leitspruch „God, family, friends, matthew 17:20“. Gott, Familie, Freunde, das ist ziemlich gewöhnlich und bei nahezu jedem zweiten zu finden, ungewöhnlich hingegen ist der Verweis auf den Bibelpsalm Matthäus 17-20, sinngemäß, der Glaube kann Berge versetzen. Warum ausgerechnet dieser?
Ich denke, jeder Mensch macht Erfahrungen, wenn man klein ist und aufwächst, macht man Erfahrungen. Diese entstehen durch die Dinge, die wir sehen, die um uns herum geschehen und durch unsere Vorstellungskraft. Dinge passieren um dich herum, ohne dass du sie siehst und teilweise sind sie jenseits deiner Vorstellungskraft. Matthäus 17-20 ist ein Gleichnis dafür, dass Dinge passieren können, die nicht rational zu erklären sind, durch unseren Glauben. Diesen Leitspruch hat mir ein ehemaliger Mitspieler, Gani Lawal [Anm. d. Red.: ehem. Mitspieler von Jordan Taylor bei Virtus Rom], nahe gebracht. Ich wurde zu Hause auch christlich erzogen. Mit Geduld und Vertrauen in Gott, werden alle Pläne aufgehen, sei es selbst sinnbildlich Berge zu versetzen.
Bevor man als amerikanischer Basketballer nach Europa wechselt, wieviel weiß man vorher von europäischem Basketball? Spielt europäischer Basketball bei Amerikanern eine Rolle?
Als ich nach dem College zu meiner ersten europäischen Station nach Rom gewechselt bin, wusste ich ehrlich gesagt sehr, sehr wenig über europäischen Basketball bzw. über Europa. Es war schon ein regelrechter „Kulturschock“ für mich, als ich nach Italien kam. Unterschiedliches Essen, unterschiedliche Lebensweise, aber ich habe mich relativ schnell daran gewöhnt. In Italien war das vielleicht auch etwas einfacher, als anderswo in Europa. Italien ist ein kultiviertes Land, ähnlich wie Amerika, und viele Italiener haben die Entstehung und Entwicklung Amerikas geprägt. Bloss an die Fahrweise der Italiener habe ich mich nie gewöhnt.
Dein Trainer bei Alba Berlin, Sasa Obradovic, war als Aktiver einer der besten Spieler Europas. Wusstest du davon und hat das deine Entscheidung, zu Alba zu wechseln, mit beeinflusst?
Ja, tatsächlich wusste ich von seinem Hintergrund als Spieler. Einer meiner ehemaligen Trainer zu Hause, der inzwischen in der NBA ist, hat mir Einiges von ihm erzählt. Zudem hatte ich als Spieler in Rom schon gegen ihn und Alba im Eurocup gespielt. Sasa Obradovic hat selbst auch mal in Rom gespielt und einige Leute aus seiner Ära waren immer noch dort, als ich da war. Die haben mir auch von ihm erzählt. Szymon Szewczyk hat in der deutschen Liga noch gegen ihn gespielt und kannte ihn gut. Ja, alles in allem wusste ich schon eine ganze Menge über ihn.
Du bist jetzt seit gut 4 Wochen bei Alba Berlin. Was sind deine Eindrücke von deinem neuen Coach? Er ist – offensichtlich – sehr fordern. Wo sind seine Stärken bzw. wo denkst du, kann er dir helfen, dich zu verbessern?
Er ist der Typus, der immer sehr hohe Anforderungen hat. Er ist sehr intensiv und verlangt eine Menge, um das Beste aus einem heraus zu holen. Ich denke, darin liegen auch die Ursachen für seinen Erfolg als Trainer und als Spieler. Er ist der beste Coach, den ich in Europa hatte, soweit ich das jetzt schon einschätzen kann. Ich bin mir sicher, dass mich die Zusammenarbeit mit ihm sehr voran bringen wird.
Du hast drei Jahre lang in der NBA Summerleague gespielt, diesen Sommer jedoch ausgesetzt. Welche Gründe gab es dafür?
Es gab einige Angebote, aber ich habe mich entschieden, dieses Jahr nicht in die Summerleague zu gehen, sondern meinen Sommer zu geniessen und vor allem, um mich noch weiter von meiner Hüftverletzung zu erholen, die ich vor 18 Monaten hatte. Zudem wollte ich mich von einer langen Saison in Israel erholen, mich sammeln und mich optimal auf meine neue Herausforderung bei Alba vorbereiten.
Du hattest eine sehr gute College Karriere mit tollen Statistiken und einigen Auszeichnungen, dann bist du nach Europa gekommen und hattest, obwohl noch recht jung, einen sehr guten Start bei Rom, einem der besten italienischen Teams, immerhin Zweiter in deinem ersten Jahr, warst dort sogar meist in der starting five … und dann kam eine schwere Verletzung! Was ist genau passiert und wie bist du darüber hinweg gekommen?
Das sind so Dinge, die dich in deiner Entwicklung aufhalten und zurück werfen. Genau war es eine Hüftverletzung. Die Zeit als Rekonvaleszent war sehr schwer, die vielleicht schwerste Zeit in meinem Leben. Da gehen einem so viele Dinge durch den Kopf. Man entwickelt eine tiefere Beziehung zu seinem Körper. Vor allem muss man auch während der Zeit des Nichtstuns sehr gut auf seinen Körper achten, um nicht völlig ausser Form zu geraten. Als ich mich verletzt hatte, waren wir mit Rom auf dem zweiten Platz und hätten eine gute Chance gehabt, um die Meisterschaft mitzuspielen. Es tat mir besonders für meine Mitspieler leid. Ich war draußen und hätte ihnen so gern geholfen und konnte nichts tun, am Ende haben wir die Saison auf Platz 8 abgeschlossen. Meine Mitspieler waren es aber auch, die mir über die schwere Situation hinweg geholfen haben.
Danach dann nach Israel zu wechseln, klingt nach einem Schritt zurück. Hatte das auch mit der Verletzung zu tun?
Ja, ich denke schon. Nach der langen Verletzungspause war ich in einer unsicheren Situation, selbst auch etwas unsicher über meine Leistungsfähigkeit. Da kam dann das Angebot aus Israel und ich habe die Chance ergriffen, auch wenn es ein kleiner Schritt zurück war. Das war erst mal nicht einfach, aber da kommt auch wieder Matthäus 17-20 ins Spiel, geduldig bleiben, Glaube, dann geht es auf dem richtigen Weg weiter.
Du bist an Kunst und Kultur interessiert?
Ja, mein Vater ist sehr an Kunst und Kultur interessiert und so habe ich das Gefühl dafür schon mit in die Wiege gelegt bekommen; er hat mich an diese Dinge als Kind schon heran geführt und ich hatte auch selbst Interesse daran. In Europa war Rom dann natürlich ein großartiger Ort, um mein Interesse zu befriedigen. Auch Berlin wird in dieser Hinsicht toll sein, aber bisher war noch wenig Zeit für solche Sachen.
Du bist zwar erst seit gut vier Wochen in Berlin, aber wenn du dein voriges Team mit Alba vergleichst, wo siehst du die Unterschiede?
Es ist eine Frage der Ausgewogenheit. Im letzten Jahr haben wir sehr, sehr viel pick & roll gespielt, hauptsächlich pick & roll, kaum mal etwas anderes. Hier in Berlin spielen wir auch pick & roll, darüber hinaus aber noch einige andere Systeme, entweder um gute Würfe zu bekommen oder den Ball ans Brett zu bringen. Das ganze in Verbindung mit einer sehr exakten Ausführung der Spielzüge.

Mit den Vornamen Jordan und Michael ist es absolut naheliegend, die Trikotnummer 23 zu wählen [#23 – NBA Superstar Michael Jordan, Chicago Bulls], wie du es ja nun auch bei Alba Berlin getan hast. Du hättest allerdings lieber die Nummer 11 genommen, dafür allerdings Streit mit Akeem Vargas anfangen müssen, der ja bekanntlich unglaublich stark ist … Warum die 11?
[lacht] Ja, mit Akeem will ich wirklich keinen Streit anfangen. Ich bin ja aus Minnesota, Bloomington um genau zu sein und seit frühester Kindheit schon immer ein Fan von Kevin Garnett gewesen, hatte als Kind und Jugendlicher immer die 21. Als ich dann mit ca. 15 Jahren auf die Benilde St. Margaret’s Highschool gekommen bin, hätte ich sehr gerne wieder die Nummer 21 gewählt, aber diese war leider schon vergeben. Da habe ich dann – warum auch immer – die Nummer 11 genommen. Diese hatte ich dann auch auf dem College und wann immer es sonst möglich war. Es hat keine tiefere Bedeutung, aber es ist bei den meisten Basketballern so, dass sie während ihrer Karriere gerne bei einer Nummer bleiben. Sehr wichtig ist das aber nicht.
Wie verbringst du deine Freizeit?
Ein bisschen Abhängen ist auch mal dabei, aber hauptsächlich versuche ich Land und Leute kennen zu lernen. Ich suche gerne den Kontakt mit den deutschen Spielern, Alex, Niels, Akeem usw., die können mir dabei helfen, Land und Leute zu verstehen. Ich bin gerne mit Menschen zusammen. Ab und zu sehe ich auch gerne mal einen Film.
… und Konsolenspiele wie NBA2k?
Nein, nein, ich habe meine „Karriere“ bei NBA2k vor Jahren an den Nagel gehängt …
… du warst zu schlecht?
[lacht] Hey, nein, ich war ziemlich gut, aber mir waren dann andere Dinge einfach wichtiger, ich bin lieber mit Menschen zusammen.
Diese Eigenschaften wie Offenheit, Umgänglichkeit, Toleranz, Interesse an Mitmenschen und Umwelt usw. prädestinieren dich eigentlich zum Anführer. Siehst du dich selbst auch in dieser Rolle im Team?
Ja, ich hoffe, einer der Anführer des Teams zu sein, gerade als Aufbauspieler sehe ich das schon als einen Teil meiner Rolle im Team. Aber die deutschen Spieler gehen schon in ihr zweites oder drittes Jahr, Alex ist der Käpt’n, es ist in erster Linie „sein“ Team. Aber klar, als point guard muss ich auch eine Führungsrolle auf dem Feld einnehmen und will das auch.
Welche Musik hörst du gerne?
Hauptsächlich solche Sachen wie J Cole [ein in Frankfurt geborener Rapper], Drake [kanadischer Rapper und R&B Sänger], Kendrick Lamar … solche Sachen, hauptsächlich Hip Hop und R&B.
Gibt es spezielle Sachen, die du vor den Spielen hörst?
Nicht unbedingt. Da höre ich eher ruhige Sachen, versuche fokussiert aufs Spiel zu bleiben.
Danke für die Zeit und viel Erfolg in Berlin.
Ein Alley oop im Spiel ist gut, gleich fünf davon in einer Partie sind richtig klasse, Taylor & Lawal:
„Ich suche gerne den Kontakt mit den deutschen Spielern, Axel, Niels, Akeem usw., …“ – Axel? Weiß Jordan da also schon mehr bzgl deutscher Nachverpflichtung? 😉 Sehr schönes Interview — wie immer! Danke
Ob Alex King schon weiß, dass er jetzt Axel genannt wird? 😉 Danke für den Hinweis, ist korrigiert.
Wer kennt ihn nicht, Axel König, den eineiigen Zwillingsbruder von Alex King :-). Der wird immer gebracht, wenn Alex King eine kleinere Verletzung hat und aussetzen muss. Aber psst, darf die BBL nicht wissen …