Deutlicher 85-65 Sieg von Alba Berlin zum Auftakt in die Euroleague.

Foto: euroleague media
Nach 1639 Tagen Abstinenz in der Königsklasse des europäischen Basketballs gelang dem Team von Coach Aíto am Freitagabend vor über 10.000 Zuschauern in der heimischen Mercedez-Benz-Arena mit einem überzeugenden 85-65 Sieg über Zenit St. Petersburg ein Auftakt nach Maß in die neue Euroleaguesaison. Nach über 4 Jahren ohne Euroleague war niemand vorher sicher, wo das Berliner Team im Vergleich zu den europäischen Spitzenteams steht, somit war es auch eine Art Standortbestimmung.
Dabei hatten es die Spieltagsplaner der Euroleague gut mit den Berlinern gemeint und ihnen zum Auftakt ein Heimspiel beschert und zudem einen Gegner, für den das Spiel in Berlin das allererste in der kurzen Geschichte des Vereins (gegründet 2014 als eine Art Retortenteam) in der Euroleague war. Weiterhin einen Gegner, der natürlich stark einzuschätzen ist, ohne jedoch zur absoluten Spitze der Euroleague zu gehören. Es mag seltsam klingen, die Berliner mit einem Dutzend Teilnahmen in der Königsklasse ebenfalls als Newcomer zu bezeichnen, aber mit 4 Jahren Pause ist diese Bezeichnung nicht ganz falsch. Zumal nahezu alle Spieler, mal abgesehen von Markus Eriksson und Niels Giffey, noch nie Euroleague-Luft geschnuppert haben. Anders sah es beim Gegner Zenit St. Petersburg bezüglich der individuellen Erfahrung aus; mehr als eine handvoll Spieler verfügt über mehrjährige Erfahrung in Europas höchster Spielklasse, nicht zuletzt der prominenteste Neuzugang des Sommers, Gustavo Ayon (34), der in den letzten fünf Jahren eine große Rolle beim Spitzenclub Real Madrid spielte und zudem auf die Erfahrung aus 125 Spielen in der NBA verweisen kann. Aber auch Center Colton Iverson (30, 3 Jahre Euroleague-Erfahrung), die ehemaligen russischen Nationalspieler Anton Ponkrashov (33, 6 Jahre) und Jewgeni Voronov (33, 5 Jahre), Will Thomas (33, 3 Jahre), der Ex-Berliner Alex Renfroe (33, 3 Jahre), Nationalspieler Andrej Zubkov (28, 4 Jahre), der Ex-Braunschweiger Tim Abromaitis (30, 1 Jahr) oder der polnische Nationalspieler Mateusz Ponitka (26, 2 Jahre) können schon auf Erfahrung auf höchstem Niveau verweisen. Also 9 Spieler aus dem 12er Kader, lediglich der aus Vechta nach Russland gewechselte Austin Hollins (27), der französische Nationalspieler Andrew Albicy (29), im letzten Jahr mit Andorra Albas Gegner im Eurocup-Halbfinale und Vladislav Trushkin (26), vom Ende der Zenit-Bank waren bis gestern noch ohne Euroleague-Minuten. Mit viel Geld – man spricht von einem Gesamtetat von 25 Millionen Euro – wurde im Sommer ein erfahrener Kader zusammengestellt, vielleicht auch ein etwas überalterter Kader angesichts von gleich sieben Spielern im Alter von 30 Jahren oder älter. Allerdings auch ein Kader, der vom Coach Joan Plaza komplett neu zusammengestellt wurde; bis auf Trushkin und Voronov trug kein Spieler bereits in der Vorsaison das Zenit-Trikot. Ganz klar ein Vorteil für die Berliner, bei denen sage und schreibe 12 Spieler des Kaders bereits in der letzten Saison in gelb-blau aufliefen.
Die Berliner starteten mit Point Guard Martin Hermannsson, Shooting Guard Marcus Eriksson, Small Forward Rokas Giedraitis, Power Forward Luke Sikma sowie Center Landry Nnoko in die Partie. Fehlende Erfahrung auf diesem Level und eine gewisse Nervösität angesichts des Umstandes, dass man nicht so genau wusste, wo man im Vergleich steht, merkte man den Startern auch an. Zenit St. Petersburg fand besser in die Partie und ging schnell 5-0 in Führung. Dass es ausgerechnet derjenige Alba-Spieler mit Euroleague-Erfahrung, Marcus Eriksson, als erster offensiv Verantwortung übernahm, kann an eben dieser Erfahrung gelegen haben oder aber auch einfach daran, dass sich auch in den bisherigen Spielen schon heraus kristallisiert hat, dass die ersten Angriffe in der Regel über Eriksson gelaufen werden. Nach dessen ersten 5 Punkten zum Ausgleich entwickelte sich zunächst eine Partie auf Augenhöhe. Ausgerechnet Zenits Power Forward Will Thomas, schickte sich im ersten Viertel an, genau dort weiterzumachen, wo er in den Finals des Eurocups mit Valencia aufgehört hatte und von Alba nicht zu stoppen war. Gleich drei Dreipunktewürfe versenkte Thomas in den ersten knapp fünf Minuten und war maßgeblich daran beteiligt, dass Zenit in den ersten sieben Minuten immer knapp die Nase vorn hatte. Dass es nur knapp war, lag vor allem an Eriksson, der dem Amerikaner auf Seiten der Russen mit 8 Punkten nur wenig nachstand. Dem Kapitän Niels Giffey war es dann vorbehalten, die Berliner per Dreier zum ersten Mal in Führung zu bringen (17-15, 7. Minute). Diese Führung sollte das Team aus der Hauptstadt nicht mehr abgeben. Eine 10-0 Serie der Hausherren vom 12-15 zu 22-15 sorgte für die erste etwas deutlichere Führung, mit 24-18 ging es in die erste Pause. Erstaunlich, dass an diesem Lauf und der ersten etwas klareren Führung vor allem die Bankspieler wie Niels Giffey (5 Punkte), Jonas Mattisseck per Dreier oder Tim Schneider mit 2 Rebounds, einem Assist und einem Steal maßgeblich beteiligt waren.

Mit dem guten ersten Viertel hatten sich die Berliner offensichtlich das nötige Selbstbewusstein geholt, der Glaube, dass in diesem Spiel etwas geht wurde immer spürbarer und die Aktionen klarer und zielstrebiger. Wiederum waren es im zweiten Viertel die Bankspieler, die in der ersten fünf Minuten des zweiten Abschnitts die Führung halten bzw. sogar leicht ausbauen konnten (35-27, 16. Minute). Je ein Dreier von Cavanaugh, Giffey und Mattisseck sowie ein Zweier von Schneider rauschten bis zu diesem Zeitpunkt durch die Reuse. Die nach und nach eingewechselten Starter machten da weiter, wo die Bankspieler aufgehört hatten. Fünf unbeantwortete Punkte von Hermannsson (3) und Giedraitis (2) schraubten die Führung auf 13 Punkte. Weitere fünf Punkte des Isländers und des Litauers – dieses Mal Zweier Hermannsson, Dreier Giedraitis – sowie zwei Punkte von Landry Nnoko rundeten ein offensiv starkes Viertel der Berliner (23 Punkte) ab. Die 16 Punkte Führung zur Halbzeit war aber in erster Linie einer starken Verteidigung, hoher Laufbereitschaft und ganz vielen Hilfen in der Defense zu verdanken. Den Gästen wurden nur 13 Punkte gestattet. Ein Knackpunkt war aber sicher auch, dass Zenit gegen Mitte des zweiten Viertels seinen Star-Center Gustavo Ayon mit Nasenbruch verloren hat.

Auch nach der Halbzeit ließ Alba Berlin keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie an diesem Abend das Parkett als Sieger verlassen wollen und werden. Eine 6-0 Serie zum Start des dritten Viertels inklusive vier der insgesamt 16 Punkte vom „man of the match“ Landry Nnoko schraubte den Vorsprung auf 22 Punkte zugunsten der Hausherren. Bei der individuellen Klasse von Zenit St. Petersburg war nicht damit zu rechnen, dass diese das Spiel einfach abschenken würden. Durch Punkte vor allem von Tim Abromaitis, der alle seine 12 Punkte in den letzten 15 Spielminuten erzielte, kamen die russischen Gäste noch einmal ein wenig dichter (14 Punkte, 69-55, 32. Minute), aber Alba Berlin war an diesem Abend zu souverän, um sich diesen Sieg noch nehmen zu lassen.
In erster Linie war dieser Erfolg einer geschlossenen Mannschaftsleistung zu verdanken. Alle 10 eingesetzten Spieler konnten mindestens 2 Punkte, einen Rebound und einen Assist erreichen. Trotz vier verletzten Spielern hat Coach Aito mit einer echten 10er Rotation gespielt, bei der die Spielzeit zwischen 12 und 26 Minuten sehr gut verteilt war. Die guten Leistungen der Bankspieler waren ausschlaggebend dafür, dass die Leistungsträger Sikma, Giedraitis und Eriksson nur ca. 26 Minuten spielen mussten, Hermannsson nur 24 Minuten und Nnoko sogar nur 20 Minuten, was allerdings auch ein wenig damit zu tun hatte, dass sich der Center mit 5 Fouls vorzeitig verabschieden musste. Diese 20 Minuten reichten Nnoko allerdings, um Topscorer (16 Punkte) und Top-Rebounder (7 Rebounds) zu werden. Und das alles ohne einen einzigen Fehlwurf! Die Euroleague hat ihm gleich einmal ein feature gewidmet:
Aber auch Martin Hermannsson konnte mit 9 Assist (Spitzenwert des Spieltags) überzeugen, Jonas Mattisseck hat trocken 2 Dreier rein gehauen und Tyler Cavanaugh, der aufgrund seiner unauffälligen Spielweise immer ein wenig unter dem Radar fliegt, hat in nur 17 Minuten 11 Punkte und 6 Rebounds geholt und war damit drittbester Scorer und zweitbester Rebounder; bester Bankspieler sowieso. Und alle haben defensiv durch hohe Leistungsbereitschaft überzeugt. Da wurde sehr gut geholfen, viele Löcher zugelaufen und engagiert zum Rebound gegangen. Dass die Berliner mit 56,8% die beste Reboundratio des ersten Spieltags hatte, ist vielleicht die größte Überraschung, die Reboundüberlegenheit war der Bonus, der am Ende für den so deutlichen Sieg sorgte. Das Team wurde so zusammen gestellt, dass es möglichst Schnelligkeitsvorteile hat und es wurden Spieler verpflichtet bzw. weiterverpflichtet, um potenziell hohe Trefferquoten zu erzielen. Reboundüberlegenheit war jedoch so nicht zu erwarten. Rebounds sind ja sprichwörtlich Willenssache und mit ein Indiz dafür, wie sehr die Berliner diesen Sieg wollten. Schon eher zu erwarten war, dass sie das Team mit den meisten Assists sein werden, einfach aufgrund der generellen Spielweise und der bereits guten Eingespieltheit. Ebenso erwartungsgemäß ist, dass 45,9 % der Punkte aus der Dreierdistanz erzielt wurden, der vierthöchste Wert, 44,5 % der Punkte aus der Zweierdistanz und nur 9,4 % aus Freiwürfen, was den zweitschlechtesten Wert darstellt. Mit schnellem Spiel und hohen Trefferquoten wird Alba Berlin noch den einen oder anderen weiteren Sieg in der Euroleague einfahren können. Es sollten jedoch so bald wie möglich die vier Verletzten zurück kehren, damit diese kräfteraubende Spielweise auf viele Schultern verteilt werden kann.
Hier noch die Highlights des Spiels:
Auch Coach Aito war nach dem Spiel und Sieg sehr zufrieden und hat allen Grund dazu. Denn jetzt folgen drei sehr schwere Spiele beim aktuellen Vize-Champion Efes Istanbul, beim diesjährigen Top-Favoriten FC Barcelona und zu Hause gegen den Champion ZSKA Moskau. Da ist es gut, schon mal einen Erfolg zu Buche stehen zu haben. Er äußerte sich im Interview nach dem Spiel wie folgt:
Es ist sehr gut für Alba, sehr gut für Berlin, auf diese Weise die Saison zu beginnen. Es ist ein großartiger Erfolg, wir haben sehr gut gespielt, aber man muss auch berücksichtigen, dass es für Zenit eine schwierige Situation war. Sie haben sehr gute Spieler und einen sehr guten Coach, aber hatten noch nicht genug Zeit, um als Team die Philosophie zu verinnerlichen, was sie spielen wollen. Sie können sehr viel besser spielen als heute und ich bin mir sicher, sie werden das in Zukunft auch tun.