Aufgehängt statt abgehängt – Kommentar

Aufgehängt. Nein, es soll hier nicht um „nicht mit dem Leben zu vereinbarende Maßnahmen“ gegen etwaige Delinquenten im Wilden Westen oder heutzutage nur mäßig demokratischen Ländern gehen. Es geht um das relativ unspektakuläre Aufhängen von Körben. „Wieso nur relativ?“ wird sich der Eine oder Andere fragen. Alba hängt ein paar Körbe auf … ja, klar … gähn … China, Sack Reis … so what? Spektakulär klingt das wirklich nicht. Ist es aber, wenn man sich mit den Hintergründen und Dimensionen befasst.

Körbe runter! Bild (c): Alba Berlin
Körbe runter! Bild (c): Alba Berlin

Eltern können Kinder in gewisser Weise beeinflussen, welchen Sport diese betreiben bzw. ob überhaupt, am Ende entscheiden es die Kinder aber im Wesentlichen selbst. Diese Entscheidung wird neben Dingen wie vorgelebten Erfahrungen im sozialen Umfeld und Nachahmungseffekten ganz wesentlich von zwei Faktoren beeinflusst: Spaß und Erfolg. Kinder haben nicht lange Spaß an Dingen, bei denen sie keinen Erfolg haben. Also hängt in der Konsequenz alles an Erfolgserlebnissen. An dem Punkt wird es schwierig bei sehr jungen Kindern und Basketball. Auf gut deutsch: die sind einfach zu klein und schwach, um den Korb in 3,05 m Höhe zu treffen, also der Höhe, auf die auch Erwachsene werfen.

Macher und Triebkraft: Henning Harnisch, Vizepräsident Alba Berlin; Bild (c): Alba Berlin
Macher und Triebkraft: Henning Harnisch, Vizepräsident Alba Berlin; Bild (c): Alba Berlin

Die so einfache wie nahe liegende Idee ist, die Körbe herunter zu hängen. Die Idee springt einen regelrecht an, sie umzusetzen ist dann wieder eine andere Sache. Bis man vom „Man müsste eigentlich …“ zum „Wir machen das!“ kommt, müssen die richtigen Leute zusammen kommen, sich gemeinsam in ein Boot setzen, Koalitionen geschmiedet werden. Und man braucht Macher wie Albas Vize-Präsidenten, der „mit Leib und Seele“ für den Kinder- und Breitensport brennt, speziell natürlich Basketball. Jemand, der Menschen zusammen bringen und von Ideen begeistern kann, sodass daraus eine konkrete Kampagne wird. Nicht so einfach in Zeiten knapper Kassen.

Wenn es um Geld geht, also die Finanzierung, lässt die Begeisterung für eine Idee oft genug doch sehr stark nach. Um so höher muss man bewerten, dass die Kampagne mit dem reichlich sperrigen Namen „Höhenverstellbare Basketball-Körbe für Berliner Grundschulen“ von Sandra Scheeres mit dem nicht weniger sperrigen Titel „Senatorin für Bildung, Jugend und Wissenschaft des Landes Berlin“ vergangene Woche an einer Spandauer Grundschule gestartet wurde. Mit im Boot sitzen neben dem Senat noch die Schulen, Bezirke und Vereine. Möglicherweise haben auch die Erfahrungen von Albas Sportdirektor Himar Ojeda bei diesem Thema eine Rolle gespielt, in dessen spanischer Heimat, diese Körbe gang und gäbe sind. Eine starke Allianz braucht man auch, denn die Dimension des Ganzen ist nicht ohne. Das Ziel ist es, innerhalb der nächsten fünf Jahre alle Berliner Grundschulen mit mindestens zwei dieser höhenverstellbaren Körbe auszustatten, die sich um bis zu 45 cm herunter stellen lassen. Bei über 400 Grundschulen ist das ein ambitioniertes Ziel. Im günstigsten Fall beträgt der Unterschied zwischen einem Standard- und einem höhenverstellbaren Korb „nur“ um die 300,00 Euro, in anderen Fällen kann es aber auch schnell in den vierstelligen Bereich gehen. Da kommt in Summe Einiges zusammen.

Erfolgserlebnisse für die Kleinsten; Bild (c): Alba Berlin
Erfolgserlebnisse für die Kleinsten; Bild (c): Alba Berlin

Wer Geld in dieser Größenordnung investiert, erwartet einen Nutzen. Der Nutzen für den Senat – als Vertreter der Gesellschaft – liegt auf der Hand und ist klar wissenschaftlich nachgewiesen. Kinder, die Sport treiben, lernen Dinge wie Teamfähigkeit, soziales Verhalten sowie Durchsetzungsvermögen. Und so  ganz „nebenbei“ sind sie auch noch gesünder und verfügen über bessere koordinative Fähigkeiten. Aber auch speziell für den Basketballsport hat dieser Schritt eine große Bedeutung. Abgehängt. In Spanien spielen etwa zehn mal so viele Kinder unter 12 Jahren organisiert Basketball, bei halb so vielen Einwohnern wie in Deutschland. In Ländern mit weniger Einwohnern als Berlin wie Litauen, Kroatien, Slowenien, Lettland uam. spielen mehr Kinder unter 12 Basketball, als in ganz Deutschland, wo es unter 20.000 Kinder sind. Die Gründe dafür liegen sicher auch am höheren Stellenwert der Sportart und einer nicht so mono-strukturellen Sportlandschaft wie in Fussball-Deutschland, aber es liegt auch daran, dass dort die Kinder auf diese verstellbaren Körbe spielen können. Damit verbunden sind die eingangs erwähnten Erfolgserlebnisse und der daraus resultierende Spaß an dem Sport. Letztlich sind spanische und baltische Kinder auch sportlich besser ausgebildet, haben einen Entwicklungsvorsprung, den deutsche Talente nur schwer aufholen können – trotz guter und effizienter Arbeit im Nachwuchs-Leistungsbereich mit JBBL und NBBL. Zudem ist es auch keine neue Erkenntnis, dass sich die Spitze aus der Breite bildet und die ist in den genannten Ländern einfach größer. Wenn deutsche Kinder den zu hohen Korb nicht treffen, verlieren sie schnell die Lust. Wenn sie dann in einem Alter sind, wo sie die Korb treffen würden, haben sie sich längst anderen Sportarten zugewandt. Andere Sportarten, die sich besser auf die Anforderungen von Kindern einstellen, kleinere Felder, niedrigere Netze haben.

Alba Berlin und das Land Berlin sind – wieder einmal – innovative Vorreiter in Sachen Basketball. Dieser Kampagne sollten sich nun in Zukunft andere Vereine und Städte anschließen, dann kann aus dem ersten Schritt in Berlin ein großer für den deutschen Basketball insgesamt werden.

Senat, Bezirke, Schulen, Vereine und Alba Berlin - gemeinsam für Sport in Berlin; Bild (c): Alba Berlin
Senat, Bezirke, Schulen, Vereine und Alba Berlin – gemeinsam für Sport in Berlin; Bild (c): Alba Berlin

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