Alles College oder was? – Moritz Wagner im Interview

Das System College ist – offensichtlich – sehr attraktiv, einige Punkte sind naheliegend, andere eher weniger. Einer der sich aus ganz persönlichen Gründen damit beschäftigt, ist Moritz Wagner (18), der genau diesen Weg vom Kiez Prenzlauer Berg zur University of Michigan wagt.

21_Wagner_MoritzIm ersten Teil des ausführlichen alba-inside Interviews mit Moritz Wagner hatte dieser über die Schwierigkeiten gesprochen, in jungen Jahren wichtige Entscheidungen für den weiteren Lebensweg zu treffen. Über Beweggründe, Zweifel, Vorfreude, Hoffnung. Im zweiten Teil soll es nun um das Collegesystem ansich und Unterschiede bei den Möglichkeiten für Gleichaltrige in Deutschland gehen. Was macht die große Attraktivität für junge Menschen des Collegesystems aus? Wo liegen die Vorteile des dualen Systems? Welche Vorteile hat dagegen der direkte Weg in den Profi-Basketball in Europa? Welche Nachteile haben die beiden unterschiedlichen Wege? Das alles aus sehr individueller, persönlicher Sicht …

Dieses „duale“ System, studieren und gleichzeitig halbwegs professionell seinen Sport ausüben zu können, ist für junge Menschen deines Alters offenbar sehr attraktiv. Professionell natürlich nicht im Sinne von Geld verdienen, sondern den gegebenen Möglichkeiten betrachtet. Was müsste deines Erachtens in Deutschland passieren, damit es attraktiver wird, hier zu bleiben?

Ich bin noch ziemlich jung und traue es mir nicht unbedingt zu, das zu bewerten und will da nicht den Mund zu voll nehmen, aber was ich so mitkriege, ändert sich schon Einiges, gerade auch in Berlin. Ich kriege natürlich das meiste in Berlin mit, das ist logisch. Die Kooperation mit der Universität hier in Berlin [„ALBA BERLIN und Freie Universität kooperieren“], das sind solche Schritte oder „Alba macht Schule“ oder die „kinder+sport Basketball Academy“, die sehr tiefgreifend sind, da wird sehr an der Basis gearbeitet. Das ist eben ein sehr langwieriger Prozess, aber ich denke, dass wir hier in Berlin auf einem sehr guten Weg sind und deutschlandweit auch. Es entwickelt sich so langsam die Erkenntnis, dass der bloße Sport manchen einfach nicht reicht.

Was noch fehlt, ist der Übergang nach der U19 zum Profibereich. Da fehlt strukturell noch ein Stück im System …

Das ist richtig, aber da wurden vor ein paar Jahren die ProB und ProA dazwischen geschaltet, die ich persönlich sehr gut für junge Spieler finde. Wenn man das jetzt noch mit Universitäten koppeln könnte, was es teilweise schon gibt, wäre es noch besser, dann wäre es schon eine attraktive Sache. Der große Unterschied zu den USA ist aber der Hype. Da nehme ich mich selbst gar nicht aus. Wenn man diesen Hype sieht, ist man schon beeindruckt. Was sich in Deutschland gerade gut entwickelt, ist natürlich längst noch nicht auf diesem Niveau, was Presse und allgemeine Wahrnehmung angeht.

80 Zuschauer im Alba-Trainingszentrum in der Schützenstraße gegenüber 18.000 Fans bei einem Collegespiel …

Trotzdem werde ich die Schützenstraße und die Max-Schmeling-Halle total vermissen. Da bin ich so viele Jahre lang jeden Tag hin gegangen, habe jeden Tag trainiert, jeden Tag gezockt. Es ist etwas anderes, als sich in der riesigen O2 world warm zu machen. In der Schmeling-Halle klingt es schon anders, riecht anders. Auch wenn es nicht so viele Zuschauer waren, aber denen ging es wirklich um den Sport, das werde ich vermissen. Das Flair im Prenzlauer Berg, die Baustelle vor der Schützenstraße, das werde ich alles vermissen. Alles hat auch seine schönen Seiten, überall kann man etwas Positives finden.

Moritz Wagner and the next generation ... Foto: Alba Berlin
Moritz Wagner and the next generation … Foto: Alba Berlin

Auf der anderen Seite hat das Collegesystem auch gewisse Nachteile, besonders im sportlichen Bereich. Sehr kurze Saison von November bis März, knapp unter 30 Spielen und diese nur gegen mehr oder weniger Gleichaltrige. Hast du dich auch mit diesen Aspekten auseinander gesetzt?

Das hat mich natürlich beschäftigt, da ich jemand bin, der sehr gerne spielt und ich mich gerade durch Spielen sehr gut entwickle. Es klingt jetzt vielleicht etwas komisch, dass ich mich trotzdem genau dafür entschieden habe. Ich habe ein wenig „Bammel“ davor, dass mir das zu wenig sein könnte. Nach einer langen Saison ist man natürlich erst mal froh, dass die erst mal vorbei ist, aber nach zwei Monaten kribbelt es dann schon wieder in den Fingern. Die Pause war mir selbst hier schon zu lange. Da bin ich mal gespannt, wie ich das am besten manage. Wenn man sich vorstellt, dass man im ersten Jahr als freshman nicht so viel spielt, kommt einem das noch länger vor. Ich drücke mir selbst die Daumen, dass ich gut mit der Situation klar komme.

Colleges haben die Aufgabe, Spieler für die NBA zu entwickeln. Diese Spieler bekommen sehr, sehr viel Aufmerksamkeit, bei manchen Colleges ist das Spiel sehr stark auf genau diese Spieler ausgerichtet, die anderen fallen teilweise ein wenig hinten runter. Hast du mit deinem neuen Coach schon über deine Rolle gesprochen?

Diese Gespräche führt man mit als erstes, wenn man sich kennengelernt hat. Ich habe da selbst nächtelang wach gelegen und mir darüber Gedanken gemacht. Ich will versuchen, mir selbst keine besondere Erwartungshaltung aufzubauen. Das mit der Förderung von NBA prospects ist richtig, ich habe aber selbst den Eindruck gewonnen, dass es bei dieser Uni etwas anders ist, sehr fair zugeht. Ich bin mir sicher, dass die Besten im Training auch spielen werden, dass es dort nicht viel um „Politik“ geht. Ich habe mir einfach vorgenommen, im Training so hart wie möglich zu arbeiten und ein besserer Spieler zu werden. Im Endeffekt geht es darum, nach einer Saison auf den Spieler vor einer Saison zu gucken und zu sehen, ob man sich optimal entwickelt hat und ich denke, die Möglichkeiten dafür sind dort vorhanden. Ich habe keinerlei Erwartungen, werde mein Bestes geben, kämpfen und ich selbst sein. Den Rest werde ich sehen…

Die Persönlichkeit des Coaches spielt sicher auch eine Rolle, oder?

Er ist auf jeden Fall ein sehr fairer Coach. Als wir direkt drüben waren, hat sich meine Mutter sehr wohl gefühlt bei dem Gedanken, dass er sich um mich kümmern wird. Er ist ein sehr warmherziger Mensch, auch wenn er auf dem Feld manchmal nicht so rüber kommt. Aber das ist ja hier auch nicht anders mit Sasa Obradovic, der nach außen auch ganz anders wirkt, als er tatsächlich ist.

Den gleichen Weg wie Niels Giffey zu gehen, steht für dich auch im Raum?

Ja, durchaus. Wobei man sagen muss, dass Niels extrem viel Glück hatte. Zwei Meisterschaften, sind das Größte, was man sich als Collegespieler vorstellen kann. NIels ist aufs College gekommen und sofort Meister geworden und hatte gleich ein gutes Gefühl und ist so nach dem Motto „Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören“ zum Abschluss auch wieder Meister geworden und hatte immer noch ein gutes Gefühl. Das war perfekt, besser kann man es nicht erwischen.

Dieses Gefühl kann man einem Deutschen, der wirklich komplett andere Vorstellungen von Hochschulsport hat, schwer vermitteln. Wie ist das als Sportler, gibt es da Vergleichbares?

Nicht direkt vergleichbar, aber die Deutsche Meisterschaft vor einem Jahr war für mich vom Gefühl ähnlich. Da kriege ich immer noch Gänsehaut, wenn ich nur daran denke. Das geilste an der deutschen Meisterschaft ist, dass man gewonnen hat, das Gewinnen an sich. Der ganze „Ruhm“ in Anführungsstrichen kommt dann noch oben drauf. In der BBL ist es noch viel größer und wenn dir das in der NCAA gelingt, so wie Niels, bist du „King of the Campus“. Bei ihm ist sehr viel perfekt gelaufen, Glück gehört auch dazu, das heißt aber nicht, dass es bei mir genauso laufen wird. Das mit dem Glück bezieht sich nur auf die Begleitumstände, dass Niels zu so einem guten Basketballer geworden ist, hat nichts mit Glück zu tun. Er hat sich auch immer sehr sachlich zum Thema College geäußert, mir nie besonders zugeredet, sondern mir klar gemacht, dass beide Optionen einige Vorteile und ein paar Nachteile haben. Ich glaube, er hätte sich gewünscht, damals in so einer Situation wie ich zu sein, d.h. eine echte Wahl zu haben, entweder zum College zu gehen oder gleich Profi zu werden. Vor ein paar Jahren war die Situation aber noch eine andere. Es hat mir sehr geholfen, viel mit Niels über das Thema gequatscht zu haben.

Ist dieses Jahr eigentlich das letzte Jahr, wo du ans College gehen kannst? In Deutschland hättest du ja noch ein Jahr NBBL spielen dürfen …

100%ig weiß ich es auch nicht. Ich weiß, dass man ein sog. „gap year“ haben kann, wo man schulisch nichts macht. Das hatte ich jetzt. Wenn ich noch ein gap year machen will, dann würde das von der College Zeit abgehen. Dann hätte ich nur noch drei Jahre am College statt vier. Aber es gibt da viele Sonder- und Ausnahmeregelungen, genau darauf festlegen will ich mich nicht.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Glück für die Zukunft, vielleicht ja sogar irgendwann mal wieder bei Alba Berlin …

Bei einem der größten highlights in der Geschichte von Alba Berlin beim Feiern mit dem match winner Jamel McLean mittendrin und voll dabei, Moritz Wagner:

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