Alba und Obradovic: Das Ende eines Weges?

Ausgejubelt?
Ausgejubelt?

So schnell kann sich die öffentliche Meinung ändern. Gerade wird von allen Seiten ein Fazit zur Saison von Alba Berlin gezogen. Die Bewertung fällt katastrophal aus und beeinflusst auch die Ansichten über Sasa Obradovic. Viele der Anhänger wünschen sich einen Schnitt, die Ära unter dem emotionalen Serben wird als beendet erklärt, es soll einen Neuanfang geben.

Drehen wir die Zeit zurück. Vor fast genau acht Monaten befanden wir uns in Caorle, Italien, und berichteten über das dortige Vorbereitungsturnier. Zuvor musste Alba den Kader massiv umbauen, Leistungsträger konnten nicht gehalten werden, neue Stars mussten her. Der Dirigent aber, der in den drei Spielzeiten zuvor ein hervorragendes Team (mit) aufgebaut hatte, war überraschenderweise geblieben. Sasa Obradovic wurde im Sommer 2015 mit zahlreichen europäischen Spitzenvereinen in Verbindung gebracht, entschied sich allerdings für einen Verbleib in der deutschen Hauptstadt. In Caorle saßen wir den Abend vor der Rückreise nach Berlin zusammen und redeten auch darüber. Es entstand ein längeres Gespräch, nun erscheint ein passender Moment, um Teile dieses Interviews herauszuholen. Die Situation zu damals ist in manchen Aspekten vergleichbar, Alba und Obradovic stehen erneut vor der Frage, wie es weitergehen soll. Im letzten Jahr dürfte der Serbe eine größere Auswahlmöglichkeit an neuen Arbeitsplätzen gehabt haben. Die Entscheidung in Berlin zu bleiben, fiel ihm allerdings letztendlich doch nicht so schwer: „Es war eine spontane Entscheidung, weil ich den Posten und die Menschen hier liebe. Ich glaube das beruht auch auf Gegenseitigkeit. Ich identifiziere mich mit dem Verein und mit der Stadt. Mir ist es nie schwergefallen länger in Berlin zu bleiben, meine Familie fühlt sich hier wohl. Ich hoffe ich kann noch einige Jahre bleiben“, sagte er damals in Italien. Es zeigt auch die Verbundenheit und den Respekt, den Sasa im Verein genießt. Offen thematisierte er auch mögliche Wechselgedanken: „Natürlich denkt man auch darüber nach den nächsten Schritt zu machen. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich immun gegenüber bestimmten Angeboten bin oder sie mir nicht anhöre. Ich hatte aber nie das Gefühl, dass mir etwas fehlen würde.

Man könnte also behaupten, Obradovic ist dem Verein entgegengekommen. Nicht nur, weil er damals zu einem Verein mit mehr Budget hätte wechseln können, sondern auch, weil er ganz genau wusste, wie hoch die Erwartungen und wie schwierig die kommende Saison werden würde. „Für mich wird das eine der größten Herausforderungen. Manchmal reicht gutes scouten nicht. Auch wenn wir versuchen Spieler mit Potenzial zu holen, besteht immer das Risiko, dass der Plan nicht aufgeht und Spieler sich nicht wie erhofft entwickeln.“ Acht Monate später muss man feststellen, dass der Plan ist offensichtlich nicht aufgegangen ist, auch für Sasa Obradovic dürfte das ein persönlicher Rückschlag gewesen sein.

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Betrachtet man Sasas Wirken seit seiner Ankunft im Sommer 2012, muss man feststellen, dass er der richtige Mann am richtigen Ort war. Damals schlingerte Alba noch identitätslos durch die Gegend, der Verein hatte in kurzer Zeit drei Trainer verschlissen (Pavicevic, Katzurin, Herbert) und rannte alten Ansprüchen hinterher. Auch Obradovic trafen diese Erwartungen in seiner ersten Spielzeit. Ein Showspiel gegen die Dallas Mavericks, Euroleague-Wildcard und Pokalgewinn in eigener Halle konnten nur notdürftig über die schwachen sportlichen Ergebnisse hinweg täuschen. Am Ende stand, wie in diesem Jahr, ein klares 0-3 Viertelfinalaus in der Vereinshistorie. Der Turnaround gelang in den beiden folgenden Spielzeiten aber auch Dank Obradovic. Seine kompromisslose, fordernder Art brachte wieder Erfolge und Spieler, mit denen sich die Fans identifizieren konnten. Er selbst sprach immer wieder von einem Projekt, das er verfolge. In Italien beschrieb er damals seine Ziele folgendermaßen: „Für mich zählt nicht unbedingt der Gewinn der Meisterschaft. Für mich ist es wichtiger den richtigen Weg einzuschlagen, Spieler zu verbessern. Denken Sie daran, wie wenig Spielzeit früher die deutschen Spieler bekamen und wie es jetzt aussieht. Früher saßen diese Spieler nur auf der Bank, jetzt übernehmen sie Verantwortung. Wir haben jetzt drei Nationalspieler, das macht mich stolz und bestätigt die eigene Arbeit.“ Der Serbe bewies auch ein gutes Gespür für die Gesamtwirkung für den Klub: „Die Spieler identifizieren sich mit dem Verein, das ist auch sehr wichtig. Es geht darum einen gewissen Stil zu etablieren, die Menschen sollen wissen was sie in Berlin erwartet und die Fans sollen Spaß haben, wenn sie zu den Spielen gehen.

Dieser Spaß ist in der abgelaufenen Saison abhanden gekommen. Nicht nur, weil die Ergebnisse nicht stimmten, sondern auch, weil von einigen Ausnahmen wie Ismet Akpinar abgesehen, keine weitere Entwicklung stattfand. Das muss sich auch Sasa Obradovic ankreiden lassen.

Alba Berlin steht jetzt mal wieder vor einer richtungsweisenden Entscheidung. Soll es mit Sasa Obradovic weitergehen oder setzt man auf ein neues Gesicht? Nach der katastrophalen Saison 2012/2013 entschied man sich für letztere Variante. Obradovic blieb, fast der komplette Kader musste gehen. Geht man dieses Risiko erneut ein? In einigen Aspekten wirkt Obradovic stur und weicht nicht von seinen Prinzipien ab. Das muss nichts Schlechtes sein, aber die z.B. stagnierenden Offensivleistungen seiner Mannschaft kann man eben auch nicht leugnen.

Die entscheidende Frage ist auch, ob Obradovic überhaupt bleiben will. Sieht er sein Projekt als beschlossen oder gescheitert an? Ja, Alba hat mit ihm keine Meisterschaft gewonnen. Aber in Zeiten, in denen Vereine wie Bamberg oder München wesentlich mehr Geld zur Verfügung haben, wäre eine solche Erwartungshaltung vermessen. Drei Pokalsiege, das hauchdünne Verpassen der Euroleague-Top8, Eurocup-Viertelfinale, gestiegener Einsatz für deutsche Spieler, die Entwicklung bei Spielern wie McLean oder Redding kann man nach einer schwachen Saison nicht einfach unterm Teppich fallen lassen. Obradovic ist der Spagat zwischen Neuausrichtung und Erfolgen halbwegs gelungen, wird das auch in Zukunft so sein?

Zukunft und Versprechen, ein Thema für sich bei Obradovic. „Gestern zählt nicht. Versprechen mache ich aber keine, das kommt sonst auf einen zurück wie ein Bumerang“, sagte uns der Serbe. Aber auch der 47-Jährige hat natürlich Wünsche und Träume. Recht überraschend erzählte er uns im vergangenen Herbst von der Idee, mal auf der anderen Seite des Atlantiks zu arbeiten: „Mein persönlicher Traum für die Zukunft ist es, nach Amerika zu gehen. Ich würde gerne mal in der NBA arbeiten. Ich investiere dafür bereits jeden Sommer Zeit, intensiviere Kontakte.“ Der brüllende Serbe an der Seitenlinie eines NBA-Klubs? Eine interessante Vorstellung. Aber wenn Obradovic eine Vorstellung hat, dann setzt er sie auch um. Albafans wissen und schätzen das. Auch in Zukunft?

Auf Wiedersehen?
Auf Wiedersehen?

2 Gedanken zu „Alba und Obradovic: Das Ende eines Weges?“

  1. Ich will nicht zu sehr den Germanisten raus hängen lassen, aber „unterm Teppich fallen lassen“?

    Unterm Teppcih fallen lassen, kann man etwas, wenn man bereits unter dem Teppich ist. Ansosnten kann man sprichwörtlich Dinge unter den Teppich kehren, oder unter den Tisch fallen lassen.

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