Alba-Fans bekommen glänzende Augen, wenn sein Name fällt: Wendell Alexis! Jeder hat irgend eine Anekdote beizutragen, kann irgend eine tolle Szene aus dem Unterbewusstsein kramen. Wer ihn selbst spielen sehen hat, verfällt in Sentimentalität, Erinnerungen an – vermeintlich? – bessere Zeiten, Respekt, Hochachtung, eine ganz eigenartige Form von Stolz. Stolz, teil gehabt zu haben, dabei gewesen zu sein bei etwas Großem. Und eine gewisse Dankbarkeit, den vielleicht besten BBL-Spieler aller Zeiten erlebt zu haben. Selbst die Jüngeren, die ihn selbst nicht spielen gesehen haben entwickeln aufgrund von Erzählungen und Anekdoten ein Gefühl dafür, dass von einem Großen seines Fachs die Rede sein muss.
Was aber macht diesen Spieler so besonders? Mehr als ein Dutzend nationale und internationale Titel in einer 18jährigen Profi-Karriere, Euroleague-Allstar, nationaler Allstar, MVP in diversen europäischen Ligen, beinahe 1000 Pflichtspiele, fast 20.000 Punkte – das sind beeindruckende Zahlen. Bei Alba kommt hinzu, dass seine weiße Meister-Weste ohne jeglichen Fleck blieb, er immer Meister geworden ist, 6 Mal hintereinander und hat dabei nur eine handvoll Spiele verpasst. Das können nur wenige in Europa von sich behaupten. Aber Statistiken allein waren noch nie verantwortlich dafür, zur Legende zu werden. Es müssen noch andere Eigenschaften dazu kommen, die über die bloße Anzahl an Punkten, Rebounds und Assists hinaus gehen. Bei Wendell Alexis ist bei Fans, Mitspielern und Kennern der Szene neben spielerischer Eleganz, Einsatz, Willen uam. immer wieder von “work ethics”, Arbeitsmoral die Rede. Darüber und noch viel mehr hat Wendell Alexis gesprochen.
Er hat sich auf den ersten Blick nicht sehr verändert, als er durch die Tür tritt. Der elegante Gang ist immer noch der selbe. Natürlich, 10 Jahre gehen an niemandem spurlos vorbei, die Schläfen sind inzwischen grau und zwei Kilo mehr als zu seiner aktiven Zeit hat er auch auf den Rippen, aber für einen fast 50-jährigen wirkt er noch sehr sportlich.
Wendell Alexis spielt heutzutage immer noch Basketball, aber nur noch zum Spaß in einer Freizeitliga, die er selbst als “Liga der Legenden” bezeichnet, zusammen mit ehemaligen Profis wie Derrick Phelps und anderen ehemaligen NBA- und College-Spielern und Ex-Profis aus europäischen Ligen.
Wenig Zeit hat er, nur ca. 48 Stunden, am Montag ruft wieder die Arbeit für seine Frau und für ihn als Manager in einem Krankenhaus in der Bronx, Sohn Julian muss wieder zur Schule. Zu wenig Zeit, alle Freunde und Bekannte zu treffen, trotz gut vorbereiteter Organisation. Einer, Drazan Tomic, muss gleich einen Witz auf seine Kosten hinnehmen, als er den Raum betritt. Seinen alten Kumpel Henrik Rödl wird er aber wohl nicht treffen können, da dieser mit seinem Team TBB Trier in Belgrad weilt. Für ein paar Fragen und Antworten nimmt er sich trotzdem eine knappe Stunde. Beim nächsten Mal bringt er seine komplette Familie mit und bleibt länger.
In fast jeder “Beziehung” bestehen über den perfekten Zeitpunkt für die Trennung meist unterschiedliche Vorstellungen, so war es auch zwischen Alba Berlin und Wendell Alexis, aber
“die Zeit heilt viele Wunden und als ich das letzte Mal hier war zum 20. Jahrestag von Alba Berlin, hatten wir angenehme Gespräche und wenn man zurück blickt, wird es jeder ein wenig anders sehen, aber es ist nun mal so passiert, wie es passiert ist”.
Alba und die BBL hat Wendell Alexis auch über die Jahre weiter aus der Ferne verfolgt. “In den letzten Jahren war es nicht leicht für ALBA, aber sie waren immer wettbewerbsfähig. Dinge verlaufen in Zyklen. Als ich in Berlin war, war Alba an der Spitze, das Blatt hat sich dann langsam gewendet und heute ist Bamberg das Team, das es zu schlagen gilt. Die Spieler sind heutzutage besser, die Liga ist stärker. Auch das Ansehen der Liga hat sich deutlich verbessert, viele bekannte Spieler spielen jetzt in der BBL.”
Wenig überraschend ist für ihn, nun Sasa Obradovic als Headcoach von Alba Berlin wiederzutreffen. Als Wendell Alexis zum 20. Jubiläum von Alba in Berlin war, war ja Sasa Obradovic schon Coach in Berlin gewesen, danach dann in der Ukraine. Für Alexis ist es keine überraschende sondern folgerichtige Weiterentwicklung, dass er nun die Chance bekommt, sich in Berlin als Coach zu beweisen.
“Ich freue mich ganz herzlich für ihn und ich bin mir sicher, dass er den “Alba Willen” mit seiner Erfahrung und Spielphilosopie zurück nach Berlin bringen wird. Wenn man sich an Sasa Obradovic als Spieler erinnert, spielte er schnellen, aber trotzdem organisierten Basketball mit einer Menge Energie in der Defense. Ich denke, das hat ihn auch als Coach geprägt, ich erwarte harte Defense und schnellen Basketball von ihm.”
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Seine Zeit in Berlin war der erfolgreichste und bemerkenswerteste Abschnitt seiner Karriere. Ursprünglich hatte er gar nicht geplant so lange in Berlin zu bleiben. Er kam aus Frankreich, es war das erste Jahr in der Euroleague in Berlin, er und das Team haben gut in der Euroleague gegen all die Top Teams Europas gespielt und so wurde sein Vertrag eben verlängert. Nicht unwesentlichen Einfluss hatten der Club, die Fans, die Aufbruchstimmung und das herzliche familiäre Verhältnis in der Geschäftsstelle, speziell in Person von Andrea Seefeld und ihrer Famile, die ihm halfen sich in Berlin zurecht zu finden. Es spürte eine großartige Herzlichkeit in Berlin. Auch seiner Frau hat es gut in Berlin gefallen. Wenn er an Berlin denkt, denkt er immer an einen Ort, wo es sich gut leben lässt und er sich keine Sorgen um seine Familie machen muß.

Die letzte Zigarre, die er jemals geraucht hat …
… hat er NICHT am 25.05.2002 im Energy Dome in Köln geraucht, wo er sein letztes Spiel für Alba Berlin bestritt, die letzte Meisterschaft seines Lebens gewann! Tatsächlich hatten sie die Zigarren vergessen … oder nicht mit einem sweep gerechnet! Tatsächlich gab es die letzte Zigarre des Lebens vor gut 10 Jahren nach der Rückkehr aus Köln nach Berlin.
Die letzte Zigarre war der Abschluss eines wichtigen Abschnitts seiner professionellen Karriere, welche insgesamt 18 Jahre dauerte, ihn zu 11 verschiedenen Clubs führte, darunter große Namen wie Maccabi Tel Aviv und Real Madrid, jede Menge Auszeichnungen und Erfolge mit sich brachte. Aber nirgendwo blieb er so lange, wie in Berlin! Warum war die Situation in Berlin so perfekt für ihn?
“Ich wusste von Anfang an, dass das ein Club ist, der auf der Schwelle auf dem Weg zum Erfolg, auf der Schwelle zum nächsten level, steht. Ich wusste, daß sie den Korac-Cup gewonnen hatten und daß es ein ehrgeiziges Projekt war, sie immer hart dafür arbeiteten, auf dem Weg zum Erfolg weiter zu kommen. Sie hatten manchmal Pech gehabt, Verletzungen in den Playoffs usw. Sie waren immer wettbewerbsfähig, aber es fehlte das letzte Quäntchen für den nächsten Schritt auf der Erfolgsleiter. In dem Jahr, als ich dann zu Alba kam, passte dann endlich alles und das Puzzle fügte sich zusammen. Das Team war hungrig, die Fans waren hungrig, man spürte unglaublich viel Energie und eine großartige Atmosphäre; das Team war hungrig auf Erfolg!. Zu so einem Club zu kommen und bei so einer Entwicklung dabei zu sein, fühlt sich an, wie einem Baby dabei zu helfen, aufzuwachsen und erfolgreich durchs Leben zu gehen. Besonders als ausländischer Spieler hat man nur sehr selten die Möglichkeit, bei so etwas dabei zu sein. Wenn man zu einem Club wie Real Madrid oder Maccabi Tel Aviv geht, geht man zu einem Club, der bereits eine lange und erfolgreiche Geschichte hat und an der Spitze steht. Bei einem Club wie Alba Berlin hatte ich die seltene Chance, ein wenig Geschichte mitzuschreiben und den eigenen Stempel aufzudrücken. Das war für mich einer der Hauptgründe, so lange in Berlin zu bleiben, da ich hier die Chance hatte, ganz direkt zum Erfolg des gesamten Clubs mit beizutragen.”

Wenn man mit Leuten, die mal in irgend einer Weise mit Wendell Alexis zu tun hatten spricht, loben diese seine Eleganz, eisernen Willen, seine großartigen offensiven Möglichkeiten, aber früher oder später kommen alle auf seine hervorragende Arbeitsmoral zu sprechen. Wie beschreibt Wendell Alexis diese selbst?
“Ich würde sagen, das ist etwas, was ich erst lernen musste, etwas was ich während meiner College Zeit noch nicht in dem Maße hatte. Dafür habe ich früher den Preis gezahlt, aber nachdem ich gelernt hatte, wie meine Arbeitseinstellung sein sollte, wurde es insgesamt einfacher für mich. Oft wird den jungen Spielern gesagt: ‘Du musst hart arbeiten, du musst dies tun, du musst jenes tun” aber viele junge Spieler wollen es nicht oder wissen nicht wie. Viele junge Spieler, gerade Streetballer, machen alles instinktiv, weil sie gar nicht wissen, was alles noch mit der richtigen Arbeitsmoral zusammen hängt wie z.B. Ernährung, physischen und mentalen Aspekten. In Bezug auf meine Arbeitseinstellung würde ich sagen, dass ich immer ein Spieler war, der Training wirklich mochte. So wie man trainiert, so spielt man auch! Und ich glaube ganz fest daran, dass, wenn man gut trainiert, auch gut spielt. Zu jeder Zeit, bei jedem Team, für das ich gespielt habe, habe ich mich aufs Training gefreut, da ich wusste, dass ich in meinen eigenen Erfolg im nächsten Spiel investiere. Dein Job ist immer so gut, wie dein letztes Training!”
Nach 18 Jahren professionellen Basketballs war die Umstellung schwierig, besonders zu dem Zeitpunkt des Jahres, wo normalerweise die Basketballsaison beginnen würde. Besonders vermisst hat er die Zeit der Trainingscamps, das erste Zusammentreffen mit den neuen Mitspielern, das gegenseitige Kennenlernen, das Zusammenwachsen als Team. Das war immer eine spannende Zeit. Nicht so sehr gefehlt haben ihm die Ausdauerläufe im Grunewald. Während seiner Zeit bei Alba lebte er eh mehr von Spielwitz und Erfahrung als von Physis, es war mehr eine mentale als körperliche Herausforderung.
Heutzutage hat er noch als Trainer für den Nachwuchs nebenberuflich eine Verbindung zum Basketball. Sein jüngster Sohn Julian (16) spielt selbst in einem Nachwuchsteam in New Jersey, welches er trainiert. Vor einigen Jahren hat er mit dem Team seines ältesten Sohns Anell (22) begonnen zu coachen. Da haben sie in einer landesweiten Liga gespielt und sind viel herum gekommen. Auch international ist er mit U15-, U16-Teams herum gekommen, so in Belgien. Gern würde er auch Spiele gegen deutsche Nachwuchsmannschaften organisieren, gerne auch in Berlin. Ob es für Anell mal zum Profi reicht, ist jetzt noch nicht abzusehen. Der spielt zunächst erst mal an der Highschool, danach am College und dann kann man vielleicht sehen, wie weit er es mal bringen kann. Er würde ihn ermuntern, es zu versuchen und ihm wünschen, dass er mal den gleichen Erfolg haben kann, wie er selbst, aber Basketball in Europa ist nicht mehr so, wie vor 10 Jahren und gerade für amerikanische Spieler ist es schwieriger geworden. In Deutschland müssen heutzutage sechs deutsche Spieler im Team sein, damals war es gar keiner. Es reicht nicht mehr, ein guter amerikanischer Basketballer zu sein, man muss auch das Talent und Verständnis für die europäische Spielweise mitbringen.
College oder Ausbildung in Deutschland?
Als Nachwuchstrainer in den USA und als Spieler in Europa kennt Wendell Alexis basketballerisch beide Seiten des Atlantiks sehr gut. Würde er jungen deutschen Spielern eher zu einer Ausbildung am College raten oder angesichts der verbesserten Situation für junge deutsche Spieler in Deutschlands diese darin bekräftigen, gleich ihr Glück in einer professionellen oder semi-professionellen Liga in Deutschland raten?
“Ich denke, heutzutage gibt es viel, viel bessere Möglichkeiten für junge deutsche Spieler als damals zu meiner Zeit. Die Situation war für die verschiedenen Spieler sehr unterschiedlich. Wenn du ein sehr talentierter Spieler wie z.B. Sven Schultze oder Stipo Papic warst und direkt bei Alba unterkommen konntest, war die Situation gut für dich. Die konnten bei TuS Lichterfelde spielen und gleichzeitig mit dem ersten Team von Alba spielen. Auf der anderen Seite gab es Spieler wie z.B. Jan Jagla, der zwar talentiert war, aber nicht die Zeit und den (Spiel-)Ort hatte, um sich zu entwickeln. Da fehlte es an der Spielzeit in der ersten Liga, der wäre besser zu einem anderen, nicht so starken Verein in der ersten Liga gegangen wie z.B. Gießen um sich dort zu entwickeln. Eine andere Möglichkeit für Spieler, die zwar talentiert sind, aber das Talent noch nicht richtig ausgebildet ist und die noch keinen Profi-Vertrag unterschrieben haben, wäre es, zu diesen sog. “College showcases” zu gehen. Da geht man mit 16, 17 teilweise mit 15 Jahren hin und das eröffnet einem jungen Spieler ganz andere Möglichkeiten. Zum einen in Bezug auf Ihre Bildung, aber auch in Bezug auf die basketballerische Ausbildung. Ich denke, die größte Herausforderung, vor der junge Basketballer stehen, ist Entwicklung, sich in die richtige Richtung zu entwickeln, um besser zu werden. Für Spieler, die nicht die Möglichkeit haben, bei Teams wie TusLi zu spielen oder irgendwo in der zweiten Liga, ist das eine gute Alternative. Ich persönlich denke, dass junge Spieler, die nicht die Möglichkeit haben, auf direktem Weg bei einem Erstligateam unterzukommen, die Möglichkeit nutzen sollten, sich an einer Universität (College) zunächst erst mal weiter entwickeln sollten. Es ist ein wenig wie im normalen Berufsleben, es hilft, noch weiter in die Ausbildung zu investieren, einen höheren Abschluss anzustreben, um bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben.“
Wie aus Wendell Alexis der “Iceman” wurde und warum er dies zunächst gar nicht mochte …
Niemand weiß mehr so genau, wann es begann und wie es begann, irgendwann war mal der Name da und blieb einfach. Wahrscheinlich kam er irgendwie mal von den Fans. Zunächst mochte er den Namen nicht, da er an den Original-Iceman in den USA [NBA hall of famer George Gervin, 12facher All Star] dachte und es sich anfühlte, als würde er den Namen kopieren. Er denkt, die Fans nannten ihn Iceman aufgrund seiner Spielweise, seine Mimik und Gestik auf dem Feld oder besser aufgrund des Mangels an Mimik und Gestik. Er war auf dem Spielfeld immer sehr fokussiert und hielt es für einen Nachteil, zu viele Emotionen auf dem Feld zu zeigen sondern hielt es für besser, die Energie für das Spiel aufzuheben.
Wie sich die Situation im Finale 2001 gegen Bonn, die sinnbildlich für seine “Coolness” steht, wirklich zugetragen hat …
Übertragen ist folgende Geschichte: Im Finale 2001 gegen Bonn, knappes Spiel, Alba mit einem 2-1 fastbreak, Wendell Alexis stoppt an der Dreierlinie, zieht sich gemütlich die Hose zurecht und wirft dann – eiskalt – einen Dreier.
“Das war keine geplante Show. Der Bonner point guard versuchte zu verhindern, daß ich an den Ball komme. Er hielt mich irgendwie an der Hose fest, die total verrutschte. Als ich versuchte an den Ball zu kommen, merkte ich, daß ich mich nicht richtig bewegen konnte. Ich sah, daß mein linkes Hosenbein fast dort saß, wo eigentlich das rechte hätte sein sollen. In der letzten Sekunde, bevor ich den Ball bekam, habe ich noch schnell meine Hose gerichtet. Tatsächlich war das alles nicht geplant, das ist einfach so passiert.”
Er ist voller Vorfreude auf die Ehrung am Samstag in der O2 world und er ist auch gespannt auf die Halle, in der er noch nie war und die er nur von Bildern kennt. Wendell Alexis erwartet, dass es eine emotionale Angelegenheit für ihn werden wird. Es wird emotional, einige seiner ehemaligen Mitspieler wiederzutreffen, die einen großen Anteil daran hatten, daß er so erfolgreich war und denen ebenfalls ein Teil der Ehrung zustehen würde.

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