Tropf, Tropf, Tropf. Die Verpflichtungen von Alba Berlin fielen in diesem Sommer nur tröpfchenweise auf das wissensdurstige Fan-Volk. Erst wurde Sasa Obradovics Verbleib bestätigt, dann kam Dragan Milosavljevic, dann lange nichts. Just als die Nervosität unter den Fans ihren Höhepunkte erreichte, ging es plötzlich ganz schnell; die Verpflichtungen von Aska, Taylor und Watt wurden innerhalb von zwei Wochen bekannt gegeben, zuvor war schon die Ankunft von Kikanovic bestätigt worden. Damit stand rund 40 Tage vor dem ersten Pflichtspiel (am 1. Oktober gegen Ulm) der Großteil des Kaders fest. Oder auch nicht. Nicht einmal eine Woche vor Saisonbeginn wurde kurzerhand der Vertrag von Ivan Aska aufgelöst, dafür erhielt Trainingsspieler Marc Liyanage einen 1-Jahresvertrag. Auch wenn eine Ausländer-Position noch offen ist, kann man bereits sagen: Alba Berlin geht in dieser Saison eine Wette ein.

Kader-Übersicht (in Klammern Vertragsende), fett markierte Namen besitzen keinen deutschen Pass
Jordan Taylor (2017) / Ismet Akpinar (2017)
Will Cherry (2016) / Akeem Vargas (2017)
Dragan Milosavljevic (2017) / Niels Giffey (2017) / Alex King (2016) / Marc Liyanage (2016)
Mitchell Watt (2017) / XXX [Ivan Aska]
Elmedin Kikanovic (2017) / Jonas Wohlfarth-Bottermann (2016)
Schon vor dem Sommer wurde ein größerer Kader-Umbruch befürchtet und diese Vorahnung wurde leider bestätigt. Zu gut waren insbesondere die europäischen Auftritte des Teams, als dass dies unbemerkt bleiben würde. Redding, McLean und Co. verdienen nun woanders ihre Brötchen. Damit ist der Umbruch von vor zwei Jahren abgeschlossen, während ein neuer eingeleitet wurde. Zumindest bei den Spielern mit ausländischen Pass. Denn der Kern der deutschen Spieler geht nun teilweise in seine dritte gemeinsame Spielzeit. Der Weg, der 2013 eingeleitet wurde, wird nun noch radikaler fortgesetzt; der Kader ist noch jünger und europäisch unerfahrener als beim letzten Umbruch 2013.
So ist das Durchschnittsalter der Rotationsspieler von 26,75 Jahren auf 25 gesunken. Und das obwohl Vargas, Akpinar, King und Wohlfarth-Bottermann mittlerweile zwei Jahre älter geworden sind. Auch wenn das Image vom jungen, hungrigen und unerfahrenen Team 2013 viel Anklang fand, David Logan, Sven Schultze, Jan Jagla, Levon Kendall, Clifford Hammonds und Vojdan Stojanovski brachten jahrelange Erfahrung aus Euroleague oder zumindest Eurocup mit. Von den diesjährigen Neuzugängen kennen sich nur Milosavlljevic und mit Abstrichen noch Taylor und Kikanovic mit den Wettbewerben der ULEB aus. Alba fischte dieses Jahr, zumindest nach der Vita zu beurteilen, in besonders trübem Wasser.
Sinnbildlich dafür dürften die Wechsel von Ivan Aska, Jordan Taylor und Mitchel Watt stehen. Sie kamen aus der israelischen Liga, die immer wieder Überraschungen hervorgebracht hat. Wer erinnert sich noch an das hochgeschätzte Bamberger Scouting von vor ein paar Jahren? So kam auch ein Brian Roberts, mittlerweile etablierter NBA-Spieler, aus Israel ins Frankenland. Auf der anderen Seite der Medaille stehen allerdings auch Spieler wie Rakim Sanders oder Jamar Smith die, ebenfalls von Hapoel Gilboa Galil kommend, sich nicht in Bamberg durchsetzen konnten. Auch bei Alba schlug der letzte Wechsel aus Israel nicht wirklich ein: Bar Timor musste nach einer schweren Saison wieder gehen. Mit Ivan Aska wurde ein „Experiment“ noch vor dem ersten Spiel gegen Ulm beendet. Die „Ligat ha’Al“ bleibt weiter schwer einzuschätzen, hinter Maccabi Tel Aviv wird das basketballerische Niveau schnell durchschnittlich. Ob Watt oder Taylor die Erwartungen erfüllen werden?

In den Testspielen zeigte das Team bisher schwankenden Leistungen, vielleicht ein Sinnbild für die kommende Saison? Zwischen „wieder ganz vorne landen“ und „ein schweres Jahr“ erscheint derzeit alles möglich. Wie lange werden die Spieler brauchen, um Automatismen in der Offense und Defense zu verinnerlichen? Können die neuen Spieler die Vorstellung von Obradovics harter Verteidigung umsetzen? Und wer kann im Angriff mit individueller Klasse für den nötigen Unterschied sorgen? In einem ausgeglichenen Ensemble ragten einige wenige in den letzten Jahren heraus: Redding konnte sich z.B. immer einen eigenen Wurf kreieren, Jamel McLean wichtige Fouls ziehen. Im neuen Kader werden sich neue Führungsspieler erst einmal herauskristallisieren müssen.
Von Sasa Obradovic werden wohl wieder Wunderdinge erwartet. Eine Erwartungshaltung, die er sich durch die Arbeit der letzten Jahre verdient hat, die aber auch enttäuschte Hoffnungen nach sich ziehen kann. Den Alba-Fans sollte immer bewusst bleiben, dass die letzten beiden Jahre fast perfekt liefen. Teamchemie, gesunde Spieler, individuelle Entwicklungen. Es passte stets alles zusammen. Das kann, muss aber nicht immer klappen. Denn Geld wirft Körbe und in dieser Hinsicht gehen Bamberg und Bayern wesentlich gefestigter in die Saison.
Das Spiel gegen Ulm am Donnerstag ist sogleich ein Richtungsweisendes. Beide Vereine gelten als die ärgsten Verfolger des Meisters und Vize-Meisters. Viele „Experten“ rechnen sogar eher mit Ulm, als mit Alba. Berlin kann auch in diesem Jahr wieder alle überraschen. Die Wette ist allerdings noch einen Tick riskanter geworden.