
Erwachsen geworden. Abgenabelt. Emanizipiert. Das sind Gedanken, die einem durch den Kopf gehen, wenn man von Berlin aus auf das Trierer Basketballteam, Ausgabe 2013/14, schaut. Als „Alba-II“ wurde Trier einige Zeit lang mit einem mehr oder weniger großen Augenzwinkern bezeichnet. Nicht ganz zu unrecht, wenn man sieht, wer mit Berliner background sich so alles in den letzten Jahren in Trier die Klinke in die Hand gab. Thomas Päch, Bill Borekambi, Oskar Fassler, Oliver Clay, Philipp Zwiener, Andreas Seiferth, Yoshiko Saibou, Dragan Dojcin und last but not least Chef-Coach Henrik Rödl.
Das ist vorbei, neben den Coaches Päch und Rödl stehen mit Andreas Seiferth und Tony Canty nur noch zwei Berliner im Kader der Trierer, letzerer jedoch ohne Alba-Vergangenheit. Es ist normal, daß sich Henrik Rödl bei seiner allerersten Station jenseits der Alba-Familie zunächst auf Alba-Spieler setzte, die er zum Teil selbst trainiert hatte. Damit ist er auf Nummer sicher gegangen, hat sich an Bekanntem und Bewährtem orientiert. Genauso normal ist es, daß es über die Jahre mit zunehmender Erfahrung zu einem Prozess der Abnabelung und Eigenständigkeit gekommen ist. Von Alba-II kann nicht mehr die Rede sein, Henrik Rödl geht inzwischen seinen eigenständigen Weg. Dieser Weg ist unter anderem durch die image-stiftende Nachwuchsförderung in Trier geprägt. Wegen dieser ist Trier „everybody’s darling“ in der Liga und kann landesweit Sympathiepunkte sammeln. Bei weitem nicht nur in Berlin. Konzept ist das eine, Umsetzung das andere. Letztere wird zunehmend schwieriger; talentierter Nachwuchs ist inzwischen sehr begehrt, inzwischen auch bei finanzkräftigeren Teams als Trier. Gerade Liga-Krösus München verpflichtet alles was jung und talentiert und bei Drei nicht auf dem Baum ist (und wenn doch, wird kräftig geschüttelt). Bekanntlich ist Trier nicht auf Rosen gebettet, da ist es nur zu verständlich, daß einige Spieler den Verein als Sprungbrett für besser dotierte Verträge nutzen. Rödl, der nach wie vor nicht übers Wasser laufen kann, muss Jahr für Jahr neue, kreative Lösungen finden. Das gelingt ihm immer wieder, auch in der aktuellen Saison ist der Kader trotz begrenzter Finanzen sicher davon entfernt, etwas mit dem Abstieg zu tun zu haben. Sympathie, Identifikation, gutes Konzept, sportlicher Erfolg … erstaunlicher Weise lockt das nicht die Trierer in die schöne, moderne Halle, die nur zu 2/3 gefüllt ist. Aus schwer erklärlichen Gründen stagnieren die Zuschauerzahlen bei durchschnittlich gut 4.000 Besuchern. Man sollte meinen, daß das sympathische Trierer Konzept mehr Unterstützung verdienen würde.
Kader (externer link)
Backcourt:
Jermaine Anderson, Anthony Canty
Trevon Hughes, Laurynas Samenas, Mathis Mönninghoff
Warren Ward,
Frontcourt:
Jermaine Bucknor, Vitalis Chikoko
Andreas Seiferth, Stefan Schmidt, Andreas Wenzel
Headcoach:
Henrik Rödl
Halb gewollt, halb gezwungen musste Coach Henrik Rödl zur aktuellen Saison den Kader wieder einmal fast komplett umstellen, aus der Rotation blieben mit Jermaine Bucknor, Vitalis Chikoko, Andreas Seiferth und Mathis Mönninghoff nur vier Spieler der letzten Saison. Im back court ist der ehemalige U20-Nationalspieler Mathis Mönninghoff (22) der letzte verbliebene Spieler der Vorsaison. Der shooting guard bekommt zwar in der aktuellen Saison deutlich mehr Spielzeit, der nach dem ersten Jahr sicherlich erwartete Entwicklungsprung ist jedoch weitgehend ausgeblieben. Den Spielaufbau gestaltet der kanadische Nationalspieler Jermaine Anderson (31), der aus Braunschweig zur aktuellen Saison an die Mosel wechselte, mit viel Routine und Erfahrung. Mit über 31 Minuten Spielzeit ist er der Dauerläufer des Teams. Was auch daran liegt, daß es einem der besten Freiwerfer der gesamten Liga (hat in diesem Kalenderjahr noch gar keinen Freiwurf daneben gesetzt) ein wenig an adäquater Unterstützung fehlt. Der aus Bremerhaven gekommene Berliner Anthony Canty (23) konnte aufgrund von Verletzungen nicht eingesetzt werden, sodaß Trevon Hughes (27) auch auf der point guard position aushelfen muss. Neben seiner angestammten Position shooting guard. Der beste Verteidiger der litauischen Liga in der vergangenen Saison leistet in Trier aber deutlich mehr, als die Defense zusammen zu halten. Er ist DER Schlüsselspieler des Trierer Spiels, der beste scorer, der beste „Balldieb“, der beste „Vorlagengeber“, hat das beste assist-turnover-Verhältnis, holt mit nur 1,85 m die viertmeisten Rebounds sowie ist in über 30 Minuten Spielzeit der zweiteffektivste Spieler. Kurz und knapp: Trevon Hughes ist der Dreh- und Angelpunkt des Trierer Spiels. Komplettiert wird der backcourt der Trierer vom jungen kanadischen Nationalspieler Warren Ward (24), der mit einem guten Wurf von aussen punkten kann sowie dem Litauer Laurynas Samenas (25), der aktuell jedoch leider verletzt fehlt.
Der Frontcourt der Trierer ist quantitativ übersichtlich, qualitativ jedoch durchaus beachtlich. Im Gegensatz zum backcourt herrscht im front court der Trierer jedoch große Kontinuität vor. Seiferth, Bucknor und Chikoko standen bereits in der vergangenen Saison in Trierer Diensten. An erster Stelle ist dort natürlich der Berliner Junge Andreas Seiferth (24) zu nennen. Der Nationalspieler entwickelt sich immer noch sehr positiv weiter und gehört zu den besten deutschen Centern der Liga. Nicht nur defensiv stellt er seine Gegner vor Probleme, auch offensiv trägt er mit 12 Punkten und 5 Rebounds zum Erfolg der Trierer bei, ist der effektivste Spieler des Teams. Mit 24 Jahren ist er noch nicht mal im besten Center-Alter. Das gleiche gilt für den noch ein Jahr jüngeren, aus Zimbabwe stammenden, Vitalis Chikoko (23). Vor zwei Jahren hat er als noch sehr junger Spieler in Göttingen bereits sein großes Talent angedeutet und sich in der letzten und dieser Saison in Trier nochmals weiter entwickelt. Inzwischen trägt er als Starter 21 Minuten zum Spiel der Trierer bei. Die notwendige Erfahrung in den Frontcourt bringt der jamaikanisch-kanadische Weltenbummler Jermaine Bucknor (30), der schon viel in der Welt herum gekommen ist und auch schon zwei Mal vorher seine Zelte in der BBL aufgeschlagen hatte (Würzburg, Frankfurt). Gefährlich für die Gegner ist er vor allem dadurch, daß er sowohl direkt am Korb als auch sicher von jenseits der Dreierlinie abschließen kann. Neu zum Trierer Frontcourt kam zur aktuellen Saison Stefan Schmidt (24) aus Bayreuth hinzu, der in knapp 14 Minuten als harter Arbeiter seine Masse und harte, kompromisslose Defense einbringt. Diese vier Spieler müssen den Frontcourt tragen, nicht gerade tief besetzt, funktioniert aber, solange niemand verletzt ist.
Der Trierer Kader ist zwar nicht besonder tief besetzt, aber gut genug, um nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben. Sie könnten noch etwas besser dastehen, wenn man nicht gerade gegen die Teams der unteren Tabellenhälfte ein paar Spiele zu viel verloren hätte. So langsam schlägt auch die Problematik durch, daß es immer schwieriger wird, die ganz großen Talente mit wenig Geld locken zu können. Nur noch Mönninghoff und Seiferth und mit Abstrichen Canty kann man als solche ansehen. Auf den Ausländerpositionen wurde gut gescoutet und es wurden interessante, teilweise noch entwicklungsfähige Spieler verpflichtet. Offensiv ist das Team limitiert, nur noch die Abstiegskandidaten Würzburg und Tübingen sowie Frankfurt erzielen noch weniger Punkte als die Trierer. Bei den assists, den Rebounds, der Treffer- und der Freiwurfquote stehen sie ebenfalls relativ tief im Tabellenkeller. Trier nimmt überdurchschnittlich viele Dreier, trifft diese allerdings auch überdurchschnittlich gut.Und Trier kann sich in Spiele hinein beissen und gerade zu Hause über sich hinaus wachsen, in eigener Halle haben sie nur acht Spiele verloren.
Für Alba Berlin wird es gegen Trier zunächst mal um das gehen, worum es in jedem Spiel geht: Defense, Defense, Defense! In erster Linie gilt es, die Kreise von Trevon Hughes so weit wie möglich einzugrenzen, aber der sollte beim „best defense player of the year“, Cliff Hammonds, in guten Händen sein. Damit nimmt man Trier nicht nur die erste Offensivoption sondern auch weitgehend den Organisator des Spiels. Trier wird auch gegen Alba wohl wieder über ihrem Saisonschnit von 23 Dreiern von aussen werfen (im Hinspiel waren es 29), die sollte man ihnen so schwer wie möglich machen, damit sie sie nicht hochprozentig treffen (im Hinspiel über 41 Prozent). Gerade auf Forward Bucknor ist diesbezüglich zu achten. Trier kann man übrigens auch mal an die Freiwurflinie schicken … bloß eben nicht Hughes oder Mönninghoff, aber der Rest trifft keine drei von vier. Die individuelle Qualität im Berliner Kader ist einfach größer, zudem dürfte auch die Motivation etwas größer sein. Für Trier geht es nur noch darum, die Saison ordentlich zu Ende zu spielen; Alba kann sich – bei Schützenhilfe der brose baskets gegen Oldenburg – bereits mit einem Sieg in Trier den dritten Hauptrundenplatz sichern. Und mit einem wegen einer Niederlage schlecht gelaunten Coach Sasa Obradovic möchte sich auch kein Spieler auf die lange Rückreise machen ;-).
Stimmen zum Spiel:
Jan-Hendrik Jagla: „Trier hat eine starke Mannschaft, gerade zu Hause sind sie sehr stark und haben mit Andi Seiferth auch unterm Korb einen sehr guten Mann, aber ich denke, daß wir das kontrollieren können. Wir haben auch ein gutes Team und Selbstvertrauen aus den letzten Spielen, wir fahren nach Trier um dort zu gewinnen.“ Und noch zu seiner eigenen aktuellen Situation im Team: „Ich bin absolut zufrieden mit meiner aktuellen Situation, das ist das, was ich vor der Saison mit Sasa [Obradovic] besprochen habe. Mir macht es Spaß, ich habe einen guten Anteil daran, was passiert und viel mehr ist auch gar nicht wichtig. Ich bin nicht nach Berlin gekommen um 25 oder 30 Minuten zu spielen sondern um der Mannschaft das zu geben, was in der jeweiligen Situation gebraucht wird. Mal ein paar Punkte holen, mal ein paar Rebounds, mal Verteidigung. Ich glaube, ich schaffe es ganz gut, der Mannschaft in den Minuten, in denen ich spiele, immer wieder zu helfen. Und natürlich kann ich – gemeinsam mit Sven [Schultze] – der Mannschaft etwas von der Erfahrung geben, die ich gemacht habe.“
Sasa Obradovic: „Wir werden alles daran setzen, die nächsten beiden Spiele zu gewinnen [in Trier, gegen Würzburg]. Wir wollen unbedingt den dritten Platz halten, auf dem wir uns gerade befinden. Natürlich wollen wir immer jedes Spiel gewinnen, aber ich würde gern den Druck vermeiden wollen, die letzten beiden Saisonspiele [gegen Frankfurt, in München] unbedingt gewinnen zu müssen. Henrik Rödl hat sich in den letzten Jahren zu einem der besten Coaches der Liga entwickelt. Es gibt einige Schwankungen im Trierer Spiel, aber man erkennt Henriks Spielphilosophie deutlich und Trier ist ein sehr diszipliniertes Team. Henriks Energie überträgt sich auf sein Team und er wird von der Mannschaft sehr akzeptiert. Ich erwarte kein einfaches Spiel und wir müssen sehr konzentriert an diese Aufgabe gehen.“